So habe ich das Messer geschärft

Begonnen von alvaro, 12. März 2020, 14:05:40

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DailyDriver

Zitat von: Ombel in 04. September 2025, 20:34:59Wieder ein Mega Bericht von dir!  dh:

Gottlob, bin nur ich ein gelegentlicher Hobel Rasierer  ;D
Wie ich immer zu sagen pflege..."Alles kein Hexenwerk". Was (noch) nicht ist, kann ja noch werden.  ;D
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

alvaro

Zitat von: DailyDriver in 04. September 2025, 21:16:56Nö, nu' Spaß beiseite, ich wußte gar nicht, dass es da wirklich eine ,,Bedienungsanleitung" auf den
Steinen der Fa. ESCHER gibt, die diese (meine) Vorgehensweise beschreibt.

Du musst mal in den Foren in den Strängen schauen.
Ich glaube es ist aber auf der Schachtel und nicht wirklich auf dem Stein.
Dort steht etwas darüber

DailyDriver

Zitat von: alvaro in 05. September 2025, 20:52:26Ich glaube es ist aber auf der Schachtel und nicht wirklich auf dem Stein.
Dort steht etwas darüber

...gesagt, getan...


 

,Man befeuchte den Stein mit etwas Wasser und reibt mit dem Anreibersteinchen,
bis ein feiner Schlamm entsteht. In diesem zieht man das Messer flach aufgelegt
gegen die Schneide schräg über den Stein hinweg, wendet es über den Rücken
u.a. fort.'

Kurz und knapp aber alles gesagt bzw. geschrieben, Bedienungsanleitung 1.o.  dh:
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

alvaro

Zitat von: DailyDriver in 05. September 2025, 21:16:49Kurz und knapp aber alles gesagt bzw. geschrieben,
Hatte der alte Mann doch noch richtig im Kopf.

Spaß beiseite, komischerweise hat das scheinbar nie einer gelesen und es umgesetzt.
Man sollte doch denken, dass die wussten was die warum schreiben

DailyDriver

#544
Eine kleine Erfolgskontrolle
oder
...einfach nur durchhalten...!
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Nachdem ich ja im Vorfeld ein Messer erfolgreich mit einer 1-Stein-Progression auf einem (hell)grünen Thüringer geschärft habe, galt es hier für mich, das Ganze natürlich mit einer Art ,,Erfolgskontrolle" in Form einer gleichen Progression mit einem anderen Messer zu überprüfen. Also bot sich der überarbeitete und aufgehübschte Flohmarktfund, das Franz Steinhoff #291 in 5/8, geradezu an. Aber das Messer hatte im Gegensatz zum vorher geschärften Solinger zum einen eine Klinge mit leichten Beschädigungen (siehe Bild 1 & 2), welche sich beidseitig entlang der Wate zeigten, und zum anderen eine Klinge aus englischem Silberstahl.
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Die Progression
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- Mit Tape
- (hell)grüner Thüringer vom Setzen der Facette bis zum Finish
- geledert auf QUERCUR Shell Cordovan (dem Spanier)
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Eine vorherige Prüfung der Klingengeometrie zeigte, dass es zwar leichten Verzug am Rundkopf gab, ansonsten ist die Klinge aber gleichmäßig ausgeformt. Den mit dem vordersten Klingenabschnitt werde ich durch fein dosiertes Anheben egalisieren, so zumindest der Plan. Unter dem Mikro zeigten sich doch einzelne Rostnarben und sehr leichte Beschädigungen in Form von kleinen Scharten. Hier war ich noch positiv gestimmt, denn wie bereits geschrieben waren es allesamt sehr leichte Beschädigungen. Auch bei diesem Messer habe ich mich für das Tape entschieden, um nicht zuletzt ein besseres Gefühl zur Klinge bzw. deren ,,Rückmeldung" auf dem feinen Stein zu bekommen.
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Ich begann mit meinem bewährten Vorgehen in Form meiner ,,Scheibenwischermethode" mit dem ersten (angeriebenen) Durchgang 16⇅ & 3⇅ *. Nach dem ersten Durchgang ging es zur Kontrolle unters Mikro und ich erschrak doch ein wenig. Ich hatte zwar die Wate sehr gut ,,getroffen", aaaaber jetzt zeigte sich bereits, dass der englische Stahl ein anderer ,,Gegner" war als der Solinger Stahl. Es war zu erkennen, dass ich zwar bis auf den vordersten Abschnitt quasi ,,auf des Messers Schneide" den Stahl bearbeite, aber (leider) auch, dass sich selbiger als ausgesprochen zäh darstellt. Ich dachte mir ,,Oje, das wird wohl länger dauern...", war mir hier aber noch nicht bewusst, dass sich das Ganze doch in eine Art ,,Geduldsspiel" mit gewissen ,,Warum mache ich das eigentlich?"-Gedanken wandelte. Ich kürze die weitere Beschreibung hier auch ab und gebe zur Kenntnis, dass sich der gesamte Schörfvorgang am Ende doch jenseits der 2-Stunden-Marke wiederfand. Einerseits war dies dem besonderen Stahl, andererseits aber auch den Schadstellen geschuldet. Eine genaue Zählung der Durchgänge, wie oft ich mit neuem Slurry etc. gearbeitet habe (?) ... keine Ahnung! Ehrlich gesagt war ich doch schon das eine oder andere Mal kurz davor, zum 1K zu greifen, doch irgendwie hielt da mein Ehrgeiz die Oberhand und letztendlich habe ich auf dem Thüri auch durchgehalten.
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Bild 1 & 2 zeigen im Bsp zwei der Schadstellen
Bild 3 - 6 zeigen den Fortschritt während der Progression

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Nachdem alle Schadstellen egalisiert und auch die Facette am Kopf und in Gönze vernünftig gesetzt waren, ging es zum Pre-Finish mit klarem Wasser. Komischerweise ging es ab hier auch schneller, zumindest vom Gefühl her. Nach gut 2 Durchgängen mit klarem Wasser (stationär) ging es auch zum ersten Zwischenledern und einem ersten HT ... Letzterer funktionierte auch bereits recht gut. Nach ein wenig Mehrarbeit und Wechsel zu reinen Wechselschüben brachte jedes Zwischenledern einen besseren HT und ich wechselte mit gut vorpolierter Wate zum Finish unter fließendes Wasser. Für mich immer wieder erstaunlich, welch unterschiedliches Verhalten das gleiche Medium Wasser in fließender Form dem Thüringer ,,entlockt". Nach einigen Sätzen brachte ich ein zweites Tape auf die Klinge und das eigentliche Finish erfolgte. Unter dem Mikro zeigt sich eine sehr gut polierte Wate, die nach dem Ledern einen phantastischen HT über die gesamte Länge (inkl. Kopfbereich) möglich machte. Hier möchte ich bemerken, dass ich auch mit einem 2. Tape auf diesem Thüri bei anderen Messern noch nie so eine fein polierte, homogene Schneidkante gefinisht habe. Dies schreibe ich wohl dem (außergewöhnlichen) Stahl zu und entschädigt auch für die schier endlos dauernden Schübe & Züge ...
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Die erste Rasur
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Die Mehrarbeit beim Schörfen hat sich definitiv gelohnt. Das Messer weist ein tadelloses Rasurverhalten auf: sehr scharf, gründlich und völlig reizfrei konnte es bereits im ersten Durchgang punkten. Die Klinge reiht sich sogar in die (nur wenige Messer zählende) Reihe ein, die meine Problemzone an der Kinnkante schaffte. Ein feiner, wendiger Rasierer mit toller Optik, feinem Handling und, man mag es kaum glauben,  für ein 5/8 einen sehr schönen ,,Sing-Sang" während der Rasur erklingen läßt. Jetzt muss es sich nur zeigen, wie lange das Messer dieses tolle Rasurverhalten beibehält.
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Zur RdT bitte hier entlang...
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Kleines Fazit
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Man(n) muss schon a bisserl verrückt sein, um solch eine Klinge mit einer 1-Stein-Progression zu schärfen. Dennoch zeigt es sich, dass sich das Ganze aber am Ende auszeichnet, neben einem tollen Messer gab es auch wieder reichlich Erfahrungen...
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Ob ich das nochmal mache? Hmmm, schäumen wir mal ...Immer neugierig bleiben!
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Danke und Gruß
Gregor
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Schärf-Legende:
1 Satz sind immer 10 Wiederholungen (10x), egal ob Einzelschübe, Wechselschübe, Doppelzüge oder was auch immer womit wodrauf gemacht wird.
*) Ein Durchgang ,,16⇅ & 3⇅" bedeutet:
16 Schübe/Züge auf einer Seite, dann Seitenwechsel und 16 Schübe/Züge auf dieser Seite. Dann geht es alternierend jew. -2 Schübe/Züge bis runter auf die 0.
Die 3 bedeutet 3 Sätze á 10 Wechselschübe/-Züge
Als Zubehör/Werkzeug diente bewährtes: Edding, Tesa Tape, Uhrmacherlupe+Stirnhalter, Bin-Mikroskop, ne' Schärfbrause (oder 2, eh, eher 3), groovige Musik und eine Menge Spaß am Ganzen!
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

MRetro

@DailyDriver

Sehr beeindruckend, welchen Aufwand du dir da so ,,antust". dh:

Auf den Fotos wirkt es auf mich so, als ob ein Viertel der Messerbreite draufgegangen wäre. Ich vermute, dass ist aber nicht so, oder? Hast du das schonmal gemessen?

DailyDriver

Zitat von: MRetro in Heute um 18:43:43@DailyDriver

Sehr beeindruckend, welchen Aufwand du dir da so ,,antust". dh:

Auf den Fotos wirkt es auf mich so, als ob ein Viertel der Messerbreite draufgegangen wäre. Ich vermute, dass ist aber nicht so, oder? Hast du das schonmal gemessen?
Alles für den Dackel - Alles für den Club!  ;D

Bei den Bildern täuscht der Eindruck. Ich mache solche Bilder mit dem Mikroskop bei 80-facher Vergrößerung
und zwischen 3-5-fachem Zoom vom iPhone 14Pro. Da ist man schnell bei Ø 320-facher Vergrößerung in Addition.
Natürlich wird beim Schörfen auch immer Material (Breite) vom Messer abgetragen, aber insofern da nicht Fehler
von 1-2mm Tiefe zu egalisieren sind, hält sich das Ganze doch sehr in überschaubare Grenzen. Letztendlich schärft 
man ein Messer nicht jede Woche neu, sobald einmal die Facette vernünftig gesetzt und das Messer gut geschärft 
ist, wird bei nachfolgendem ,,Auffrischen" des Messers/der Schärfe kaum Material abgetragen.

Sichtbar ist ein Materialabtrag bei alten Messern, die hauptsächlich im Gewerbe eingesetzt wurden, da kam es doch
häufig vor, dass da aus einem 5/8 nach Jahren ,,nur" noch ein 4/8 oder weniger übrig war. Im privaten Gebrauch
meiner bescheidenen Meinung nach, eher nicht.

Gruß 
Gregor
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

Mine

Ich würde gern wissen wie es sich im Vergleich zu meinen eigenen Messern rasiert. Wahnsinn, das geht weit über "Messerschärfen" hinaus. Das ist, ... ein passendes Adjektiv fällt mir da nicht ein. Respekt!
"Der Neandertaler lebte 450 000 Jahre auf diesem Planeten, uns gibt es seit 40 000 Jahren, aber wir nennen ihn primitiv!"

Konrad Lorenz

DailyDriver

Zitat von: Mine in Heute um 19:27:09Ich würde gern wissen wie es sich im Vergleich zu meinen eigenen Messern rasiert. Wahnsinn, das geht weit über "Messerschärfen" hinaus. Das ist, ... ein passendes Adjektiv fällt mir da nicht ein. Respekt!
Vielen lieben Dank!  dh:

Aber ganz sooo schlimm ist es auch nicht. Bei diesem Messer hat es etwas länger gedauert,
ja, aber man sollte bedenken, dass alles auf einem ausgewiesen extrem feinen ,,Finisher",
dem Thpringer geschärft wurde. Das ist mehr Spieltrieb und auch ein wenig Neugier auf
alte Techniken, wie sie früher angewendet wurden.

Hantel dich mal in diesem Thread vom 1. Eintrag entlang, da bekommst Du einen sehr guten
Ein- und Überblick über das Thema Schärfen.

Gruß
Gregor
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

Mine

Zitat von: DailyDriver in Heute um 19:33:49
Zitat von: Mine in Heute um 19:27:09Ich würde gern wissen wie es sich im Vergleich zu meinen eigenen Messern rasiert. Wahnsinn, das geht weit über "Messerschärfen" hinaus. Das ist, ... ein passendes Adjektiv fällt mir da nicht ein. Respekt!
Vielen lieben Dank!  dh:

Aber ganz sooo schlimm ist es auch nicht. Bei diesem Messer hat es etwas länger gedauert,
ja, aber man sollte bedenken, dass alles auf einem ausgewiesen extrem feinen ,,Finisher",
dem Thpringer geschärft wurde. Das ist mehr Spieltrieb und auch ein wenig Neugier auf
alte Techniken, wie sie früher angewendet wurden.

Hantel dich mal in diesem Thread vom 1. Eintrag entlang, da bekommst Du einen sehr guten
Ein- und Überblick über das Thema Schärfen.

Gruß
Gregor

Ich rasiere mich wirklich lange, über 30 Jahre fast ausschließlich mit dem Messer. Ich kann sie auch auf für mich, gute Gebrauchsschärfe bringen und halten. Meine Messer sind alle so aus den 20er bis 40er Jahren schätz ich, vom Opa halt. Ich bin gespannt wie lange diese extreme Schärfe deines Messers  Bestand hat.
"Der Neandertaler lebte 450 000 Jahre auf diesem Planeten, uns gibt es seit 40 000 Jahren, aber wir nennen ihn primitiv!"

Konrad Lorenz