Hängeriemen Selbstbau

Begonnen von jazzman, 13. Juni 2009, 16:04:23

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DailyDriver

#45
Eine neue Riemenbastelei
Selfmade-Riemen Nr.3

Es ist ja nicht so, dass ich keine Hängeriemen habe oder vorhandene überhaupt nicht funktionieren, aber irgendwie überkommt mich da immer wieder der Spiel- und Basteltrieb in Sachen Abziehriemenbau, vor allem, wenn mich neue Materialien neugierig machen.


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Entgegen zu vorherigen Riemenbasteleien ist es diesmal aber ,,nur" ein einfacher Riemen geworden, d.h. ohne einen zusätzlichen, zweiten Riemen aus anderem Material. Einzelner Riemen heißt aber nicht, dass ich da nur eine Ledersorte verwendet habe, sorry, auch wenn es überheblich klingen mag, das wäre mir etwas zu profan. Der Riemen besteht aus zwei verschiedenen Ledersorten, auf einer Seite ein Rindsleder ohne Besonderheiten, den habe ich nur einer kleinen Progression mit Schleifpapier (320-400-600-800)  unterzogen. Die zweite Seite, ja die ist das eigentlich Besondere an dem Abziehriemen, die ist nämlich aus Yakleder. Vielleicht fragt sich jetzt der eine oder andere, wozu den zwei verschiedene Ledersorten, warum nicht nur einfach das Yakleder nehmen. Die Antwort ist ganz einfach, das Yakleder ist wirklich sehr weich und mit knapp 2mm auch recht dünn. Als einzelnen Abziehriemen verwendet, wird er sich unter ,,Zug" garantiert an den Seiten verformen, zumal er sich auch dehnen wird. Durch das Verkleben mit dem Rindsleder ist dies alles egalisiert und im nützlichen Nebeneffekt hat man noch einen 2in1-Riemen...so für den Spieltrieb halt...5 auf dieser Seite, dann 10 auf dieser, dann wieder 5 auf...usw.
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Yakleder - ein kurze Erklärung...
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Das Leder kommt, wie der Name schon sagt, vom Yak, gemeint sind diese meist irgendwie recht grummelig dreinschauende Zotteltiere aus dem Hochland von Tibet oder angrenzende alpine und/oder hochalpine Gebirgsketten Asiens. Dieser Lebensraum, die dortigen klimatischen Besonderheiten und das eher kargen Nahrungsangebot machen dieses Leder u.a. äußerst robust. In westlichen Gefilden ist es eher selten anzutreffen, vereinzelt werden aber mal Schuhe oder gar eher befremdliche Dinge wie z.B. Halsungen für das vierbeinige Familienmitglied angeboten. Die harten Lebensbedingungen wirken sich wie bei jedem anderen Fellträger der Tierwelt natürlich auch auf die Beschaffenheit des Leders aus, denn gerade durch die extremen klimatischen Bedingungen lagert das Yak auch viel Fett zur Kälteisolation ein, dadurch wird die Haut aber gerade in den unteren Schichten mit zunehmenden Alter sehr faserig, was eine aufwendige Verarbeitung nötig macht. Das spiegelt sich dann, genau wie z.B. auch die Entfernung zu Europa & die entsprechenden Einfuhrbedingungen im doch recht ansehnlichen Preis wieder. Hat man dann aber mal so ein gegerbtes Stück Yakleder in Händen, fällt einem sofort die unheimliche Weichheit und Geschmeidigkeit auf, die Oberfläche der Narbenseite (Gebrauchsseite) ist kein Glattleder wie etwa das Juchtenleder, es erinnert da schon eher an ein mit Pockennarben überzogenes Leder. Je nach Bearbeitung und Verwendungszweck gibt es aber durchaus auch glatte Oberflächen im Angebot. Das von mir verwendete Stück Leder ist quasi der Urzustand, d.h. die Oberfläche ist von diesen kleinen Unebenheiten gekennzeichnet.
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Die eigentlichen Arbeiten...

Im Grunde genommen, gibt es diesmal nichts besonderes zu berichten, außer dass ich beim Verkleben der beiden Leder und der Aufnahme für die Endbeschläge kein PATTEX wie bei meinen vorherigen Riemen benutzt habe, sondern KÖVULFIX, ein Kontaktkleber der u.a. eine sehr gute Eigenschaft gerade beim verkleben von Leder mit Leder aufweist...die Materialien bleiben sehr flexibel, sie bleiben geschmeidig, weich und ,,beweglich", bei der Verwendung von PATTEX habe ich da doch deutlich eine Verhärtung gemerkt. Was aber beide Kleber gemeinsam haben, ist die Verwendung von Lösungsmittel(n), also bitte die Nebenwirkungen beachten und nicht zu lange an der Tube schnüffeln. Hier empfehle ich ganz klar, bitte vor der ersten Verwendung die Gebrauchsanweisung zu lesen und vor allem, wenn möglich, so wie ich es mache, eine kleine ,,Klebeprobe" mit den verwendeten Materialien durchzuführen. Da zeigt sich u.a. nämlich auch, dass dieser Kleber wirklich diesen Namen verdient hat, und zwar im wahrsten Sinne. Wenn die zu verklebenden Teile einmal übereinander liegen, ist da nix mehr mit nachjustieren oder gar wieder ablösen, deshalb vorher unbedingt einmal testen...letztendlich ist es aber auch kein Hexenwerk.
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Eine weitere, kleine Änderung ggü. älterer Riemenbasteleien sind noch die Aufnahmen der Beschläge (Karabinerhaken & D-Ring), hier habe ich diesmal versucht, das ganze etwas zu verkleinern und durch die halbrunde Form optisch etwas aufzulockern. Was gleich geblieben ist, sind die Buchschrauben und die Vernähung, letzteres wiederum mit einer einfachen Naht mit Ober- und Unterfaden. Hier habe ich am Oberteil das Ganze gleich x machen dürfen, da sich beim 1. Versuch der Unterfaden nicht fest genug angezogen war, weil die Oberseite so gut aussah, halt nicht die andere Seite beachtet...tja, selber schuld! Letztendlich wird es dann aber auch Zeit, für den nächsten Riemen die sog. ,,Sattlernaht" zu erlernen.


Die Yakseite*
Der Gebrauch - Erstes kleines Zwischenfazit - Ausblick
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Als Abziehriemen hat das Leder schon einen gewissen Widerstand, durch die unebene Oberfläche ,,hoppelt" das Messer aber keineswegs über die Bahn, dennoch sind die ,,Pockennarben" schon zu spüren. Ich kann mir aber vorstellen, dass sich dieser Effekt mit der Einarbeitung des Riemens mehr und mehr legen wird und es ein weicher, leicht gebremster Abzug werden wird. Das der Riemen (Yakleder) jetzt schon funktioniert, habe ich bereits erfolgreich getestet. Als Nächstes kommt er bei der Schärfung/Progression zum Zuge, sowohl beim Zwischenledern, hier erhoffe ich positive Einflüsse in Sachen Grat an der Wate und auch beim finalen Ledern, hier erhoffe ich mir neben der Endschärfe auch positiven Einfluss auf die Sanftheit des Messers
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Maße des Abziehriemens:
Länge über alles: 71cm
Arbeitslänge.......: 53cm
Breite...................: 7,2cm
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*) Zur Rindlederseite brauche bzw. habe ich jetzt mal nix geschrieben, ist ja nix neues und hat sich ja x-fach bewährt.



Gruß
Gregor


Materialien & Bezugsquellen

Die Ahle & Werkzeuge

Der Lederriemen (Rindsleder)

Lederversand Berlin (Yakleder)

Karabinerhaken & D-Ring

Buch- bzw. Gürtelschrauben

Kövulfix

LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

MRetro

Wow, wieder einmal eine schöne Arbeit und ein klasse Bericht, @DailyDriver. dh:

Ombel


EasyRider

Hut ab, lieber @DailyDriver, und Daumen hoch  dh:
Exzellente Arbeit, sehr schöner Bericht!

 

Paula

Große Klasse, ich bin schwer beeindruckt. Das ist dein Meisterstück, ich wünsche dir allzeit einen guten Abzug.

Tim Buktu

Klasse, vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht!
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

DailyDriver

@MRetro , @Ombel , @EasyRider , @Paula, @Tim Buktu und natürlich auch 
alle anderen, habt vielen lieben Dank für die Blumen! dh:
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

DailyDriver

#52
Es gibt neues aus der Riemenwerkstatt,
mein Self-Made-Riemen IV

Ich habe ja vor so ziemlich genau 1 Jahr den QUERCUR Shell Cordovan Abziehriemen vorgestellt und auch seit dem vor nahezu jeder Rasur mit dem Messer genutzt. Ich bin nach wie vor sehr mit dem Riemen zufrieden und ich möchte auch genauso wie vor fast 1 Jahr meine Empfehlung für diesen Riemen aussprechen. Das einzige, was mich bisher bei dem Riemen ein wenig gestört hat, ist die Tatsache, dass er aufgrund der geringen Lederstärke bauartbedingt dazu neigt, unter Belastung die Seiten ein wenig aufzuwölben. Im Fachstrang habe ich erst kürzlich ein kurzes Review geschrieben, in dem es u.a. auch um diesen Umstand geht. Das Unternehmen QUERCUR bietet auf seiner Homepage nicht nur diesen kompletten Abziehriemen an, sondern für den Fall erhöhten Verschleiß, Schnitte und/oder Defekte nur das reine Leder inkl.. einem Satz Schrauben als Ersatz an. D.h. für den Fall der Fälle nimmt man am alten Riemen die oberen & unteren Beschläge ab, tauscht das Leder aus und hat quasi einen neuen Riemen. Mein Abziehriemen ist noch nicht so stark verschlissen, dass ein Austausch nötig ist, dennoch habe ich mir das Ersatzleder bestellt...und zwar um einen eigenen Riemen damit zu kreieren, den
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QUERCUR Shell Cordovan 2.0
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Ich habe das Ersatzleder mit einem Abziehriemen aus Rindleder (vegetativ gegerbt) durch verkleben kombiniert. Als Ergebnis ist ein Abziehriemen entstanden, der somit 2 verschiedene Möglichkeiten bzw. eine Kombination zum Abziehen des Rasiermessers bietet. Durch das Verkleben (übrigens wieder mit KÖVULFIX) hat der Riemen eine Gesamtstärke von 5mm erreicht und hat ein, sagen wir mal in Worten aus der Beschreibung eines Rasierpinsels, ,,Strong Backbone" erhalten. Dieser Umstand wird sich mit Sicherheit im Laufe des Gebrauches wohl etwas verringern, dennoch bleibt ein großes Plus erhalten...selbst unter starkem Zug wird er die Seiten/Ränder nicht mehr aufwölben.
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Beim Bau hatte ich mir im Vorfeld zwei Schwerpunkte gesetzt, zum einen wollte ich besonderes Augenmerk auf die Bearbeitung der Kannten legen, zum anderen wollte ich erstmals die Einfassung der Beschläge nicht mit einer Nähahle machen, sondern ich wollte hier erstmals mit einer sog. ,,Sattlernaht" vernähen. Bei den Kannten galt es zu Anfang die unterschiedlichen Breiten beider Riemen auszugleichen, dazu schnitt ich nach dem Verkleben den breiteren Cordovanriemen auf das Maß des Rindlederriemes zurück. Das gelang mir zum Teil nicht immer fein und genau genug, daher wurde hier u.a. mit unterschiedlichen, immer feiner werdenden Schleifpapier nachgearbeitet. Final habe ich die Kannten mit einem Kanntenpolierer aus Hartholz so lange bearbeitet, und glaubt mir, das hat wirklich gedauert, bis diese letztendlich glatt und poliert waren. Auf Chemie oder auch Natur, wie etwa Wachs o.ä. habe ich gänzlich verzichtet, um der Gefahr vorzubeugen, dass sich diese Stoffe auf die Schneidkannte des Messers setzen. Dennoch hat sich die Mühe gelohnt, es gibt keinerlei Lederfusseln oder so kleine Fitzelken an den Kannten, die sich dann beim Abzug des RM ablösen könnten.
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Beim Vernähen habe ich mir im Vorfeld einiges an Anleitungen und Videomaterial als Grundlagenforschung angeschaut und bin zu dem Schluß gekommen, die Sattlernaht ist einerseits zwar kein Hexenwerk, andererseits bin ich aber so schlau gewesen, zuerst an einem abgeschnittenen Riemenstück zu üben. Dies hatte den Vorteil, dass ich über die identische Verklebung und somit Lederstärke/Zusammensetzung wie beim späteren Original verfügte. Hier möchte ich wiederum meinen vollen Respekt ggü. dem Handwerk des Sattlers, Feintäschner, Schuhmacher & Co. aussprechen, meine Herrn', das ist nicht nur Schwerstarbeit, sondern auch eine knifflige dazu. Mit der Schwertahle durch die 4 verklebten Lederschichten zu kommen, dabei immer den gleichen Winkel der Schwertahle einzuhalten und auf der anderen Seite auch im gleichmäßigen Abstand wieder rauszukommen, das ist Handwerk höchster Kunst. Mir ist dies nicht gelungen, soviel gebe ich zu, daher habe ich beim Vernähen des Riemens einen Kompromiss gewählt. Ich habe die Löcher mit einer Rundahle vorgestochen, ist auch schwer, aber man kann dabei das Werkstück auflegen und mit einem kleinen Klopfer nachhelfen. Das Vernähen aber, das habe ich dann wie bei einer ,,echten" Sattlernaht gemacht, herausgekommen ist mein bisher bestes Nahtbild...das Auge rasiert ja schließlich mit.
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Die ,,technischen Daten" zum Riemen...
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Länge über alles: 62 cm
Nutzlänge: 44,5 cm
Breite: 7,0 cm
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Anm.: Die relative kurze Länge ergibt sich aus dem Umstand, dass das Ersatzleder von QUERCUR bereits mit vorgestanzten Löchern zur Aufnahme der Verschraubung mit den Beschlägen geliefert wird. Dieser Teil, ca. 30mm, habe ich abtrennen müssen, da sonst die Löcher genau in die Naht hineingeragt wären.
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Gruß
Gregor
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Materialien & Bezugsquellen

Quercur

Lederversand Berlin

Der Lederriemen (Rindsleder)

Karabinerhaken & D-Ring

Buch- bzw. Gürtelschrauben

Kövulfix
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

Ombel

Wow!  8)  Hut ab vor solch eine Arbeit, in meinen Augen ein Meisterstück!  dh: 

MRetro

Respekt, klasse. dh:
Wann nimmst du Aufträge an? ;D

Tim Buktu

Hier kann Handwerk bestaunt werden.  dh:
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

DailyDriver

Zitat von: Ombel am 22. April 2025, 19:32:58Wow!  8)  Hut ab vor solch eine Arbeit, in meinen Augen ein Meisterstück!  dh: 
Zitat von: Tim Buktu am 23. April 2025, 07:18:57Hier kann Handwerk bestaunt werden.  dh:
Vielen lieben Dank für die Blumen. 🙂


Zitat von: MRetro am 22. April 2025, 19:50:37Respekt, klasse. dh:
Wann nimmst du Aufträge an? ;D
Auch dir vielen lieben Dank, aber das mit den Aufträgen wird wohl noch dauern...😉
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

EasyRider

Ganz, ganz große Klasse.  dh:
Du bist ein begnadeter Handwerker, mein lieber @DailyDriver  dh:

Paula

Zitat von: DailyDriver am 23. April 2025, 12:24:30Auch dir vielen lieben Dank, aber das mit den Aufträgen wird wohl noch dauern...😉
Gib' uns rechtzeitig Bescheid, wenn der Webshop auf macht.  dh:

DailyDriver

Zitat von: EasyRider am 23. April 2025, 13:48:21Ganz, ganz große Klasse.  dh:
Du bist ein begnadeter Handwerker, mein lieber @DailyDriver  dh:




Na, ich glaube mal, das wird eher nicht passieren... ;D

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