AnlassIn den deutschsprachigen Rasiererforen sind zum Thema
medizinische Rasiermesser nur einige wenige Hinweise zu finden. Deshalb möchte ich dieses Thema erneut aufgreifen, um so dazu beizutragen, diese aus meiner Sicht bestehende Lücke ein wenig zu schließen.
Den Anlass für dieses Thema wurde mir von einem Bekannten gegeben. Wir trafen uns zufälligerweise auf einem Flohmarkt und sprachen über die von uns gesuchten vermeintlichen Schätze, bei mir eben Nassrasurartikel. Mein Bekannter erwähnte dann so ganz nebenbei, dass er ursprünglich zum Friseur ausgebildet wurde und dann später als Krankenpfleger in ein Krankenhaus wechselte. Dort hätte er aufgrund seiner Friseurausbildung in den 80er Jahren viele Patienten mit medizinischen Rasiermessern rasiert. Drei Messer hatte er noch übrig und ich könnte sie bekommen, wenn ich es denn wollte. Und ich wollte es. Hurra!
Bis in die späten 80er Jahren war es allgemein üblich, Patienten vor einer Operation die Körperhaare an der zu operierenden Stelle mit einem Rasiermesser großflächig zu entfernen. Die eigentliche Rasur wurde entweder auf der Station oder aber im Operationsraum vom Pflegepersonal des Krankenhauses ausgeübt, wobei der Maßstab der ausgeführten Rasuren ein anderer war als wir ihn heute für uns gewohnt sind. Das Klinikpersonal erwarb seine Rasurfähigkeiten in der Regel am Patienten. Also ein „learning by doing“. Eine gezielte Schulung in der Rasiermessernutzung gab es nicht! Dann wurde zum Leidwesen des Patienten im Regelfall ohne Wasser und erst recht ohne Schaum und nur trocken rasiert, denn es musste ja schnell gehen.
Die zur Körperrasur verwendeten Rasiermesser mussten keimfrei sein, um Infektionen vorzubeugen, was nur durch eine Desinfektion in einem Sterilisator möglich war, da es im Vergleich zur Jetztzeit noch keine Einwegrasierer gab. Das schloss dann auch einen Abzug des Rasiermessers auf einem Lederriemen unmittelbar vor der Rasur aus. Ein Riemenabzug erfolgte meistens erst nach drei bis vier ausgeführten Rasuren unmittelbar nach der letzten Rasur auf einem Hängeriemen. Waren die Rasiermesser stumpf geworden, wurden sie zum Schärfen einer Fachstelle übergeben. Mein Bekannter war der einzige im Krankenhaus, der die ihm zugeteilten Patienten aufgrund seiner Friseurausbildung nass rasieren konnte. Zum Einweichen der Haare verwendete er die im Krankenhausbetrieb übliche Kernseife, die alle Haare sehr gut eingeweicht hat.
Kennzeichen medizinischer RasiermesserAlle am Patienten eingesetzten Instrumente und Bestecke mussten und müssen keimfrei sein. Heute wird dies mit so genannten Wegwerfprodukten - also nur einmal zu benutzenden Instrumenten/Werkzeugen - bewerkstelligt. Früher kamen die eingesetzten Gerätschaften nach jedem Einsatz in einen Sterilisator, der durch Erhitzen unter Druck und Wasserdampf alle Keime abtötete. Jedes im Sterilisator befindliche Instrument wurde für mindestens 20 Minuten einer Temperatur von ca. 120
oC und einem Druck von ca. 1 bar ausgesetzt. Deshalb bestanden bei medizinischen Rasiermessern Klinge und Heft aus rostträgem Edelstahl. Die Klingengröße dieser Rasiermesser lag nach meinen Recherchen zwischen 5/8 und 13/16. Für die Klinge wurde eine Hohlform verwendet.
Nachfolgend ist ein deutsches medizinisches Rasiermesser von
Martin aus den 80er Jahren abgebildet. Es hatte ursprünglich eine 6/8 Klingenform mit Rundkopf, aber leider auch eine kleine Scharte in der Facette. Es wiegt 60 Gramm. Die Beseitigung dieser Ausbruchstelle verkleinerte die Klinge auf jetzt 11/16. Das Rasiermesser war nicht leicht zu schärfen, denn der Edelstahl erwies sich beim Schleifen auf den Steinen als ziemlich abriebsträge. Außerdem sorgte das recht hohe Eigengewicht des Edelstahlgriffes zu einem höheren Andruck der Schneide im Bereich des Erls auf den Schleifsteinen. Man muss also schon sehr sorgfältig schleifen, um eine auf der gesamten Länge gleichmäßig ausgeprägte Facette zu erhalten. Das Rasiermesser rasiert soweit ganz manierlich, sofern man sich nicht durch das für diese Klingengröße untypische Eigengewicht irritieren lässt.

Hier noch ein zweites medizinisches Rasiermesser, ein vollhohles 13/16 mit Rundkopf. Es wiegt 61 Gramm. Ich habe dieses Messer in den letzten Tagen für 8,99 € neu in der deutschen Bucht erwerben können. Das Messer könnte nach dem ursprünglichen Zustand der Klinge in China hergestellt worden sein, es war nicht rasurtauglich und musste hierfür erst noch eine länger dauernde Schärfrevision erfahren. Der Vertrieb dieses Rasiermessers zeigt, dass es wohl immer noch Abnehmer für diese spezielle Art Rasiermesser geben muss. Das Messer soll – wie die Prägung auf einer Heftschale angibt - rostfrei sein. Testen konnte ich das allerdings bisher noch nicht.

Es gab allerdings auch noch andere für medizinische Zwecke eingesetzte Rasiermesser. Sie wurden als eine Art
Mikrotom zur Herstellung von Präparaten für die Mikroskopie eingesetzt. Diese nur als spezielle Schneidgeräte eingesetzten Messer konnten von einer Probe hauchdünne Schichten abschneiden, die unter einem Mikroskop durchleuchtet wurden. Dafür musste der Klingenkörper als Keil ausgebildet sein. Eine Klingenseite besaß keine Hohlung und entsprach damit konstruktiv einem Wedgemesser; die andere Klingenseite wurde mit einer Hohlung versehen. Im Nachbarforum (
www.nassrasur.com) wird ein solches Messer von
Martin aus einer Arztpraxis gezeigt. Nachzulesen unter dem folgenden Link:
http://forum.nassrasur.com/showtopic.php?threadid=15574&search=medizinisches%20Messer.
Bartisto soll für das Nachbarforum auch eine Schärfanleitung für diesen Klingentyp zusammengestellt haben; ich habe sie aber nicht finden können. Weitere Informationen zum Schärfen von Mikrotommessern kann man aber unter dem Link http://www.klaus-henkel.de/cut-messer.html finden.