Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte

Begonnen von baknip, 07. August 2014, 11:04:54

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Tim Buktu

Ein Duft mit dem man sich alleine und unter Menschen vergnügen kann, das hört sich nach einem herbstlichen "Talent" für schöne Abende an.
Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

PS: Alles nur meine persönliche Meinung, die sich durchaus beeinflussen lässt und sich deshalb gelegentlich auch ändert!

Oberloser

Zitat von: muck22 in 30. Oktober 2021, 23:53:01
.......
Her mit der Wolldecke ;)

Woher willst Du wissen, dass es eine Wolldecke ist?  :o  >D

@ baknip: Ich finde, hier fehlt zur Abrundung eindeutig noch ein Stillleben Duft mit Decke!  :laugh:

muck22

Zitat von: Oberloser in 01. November 2021, 17:57:58
Woher willst Du wissen, dass es eine Wolldecke ist?  :o  >D
... woher ich das weiß?!  Weil mir kalt war, und ich mich in die Wolldecke eingewickelt hatte ....
Es war übrigens eine Merino-Kaschmir Decke aus Irland...

baknip

Mit einem Duft-Oldie, der schon ewig zu haben ist, kann man schnurstracks in die Enttäuschung tappen. Eine alte, lederne Handtasche ist so ein Reizwort, das mich neugierig macht. Und auch das böse Stichwort ,,Klokippen" hat jüngst jemand hier im Forum im Kontext einer After-Shave-Enttäuschung geschrieben. So ein Oldie ist für mich etwas, das die Zeit überdauert und sich treu bleibt, aber trotzdem seinen ursprünglichen, manchmal vielleicht etwas exzentrischen Charakter behält. Das ist, wiederum mein Empfinden, der Unterschied zwischen einem Klassiker und einem Trend. Trends kommen und gehen.





Ausgangspunkt war das großväterliche Varon Dandy. Supergünstig, im großen Gebinde zu haben und eben heute ein unangepasstes Kind vergangener Tage. Sinnlich, schwül und durchaus sexy, jedenfalls für meine Nase. Möglicherweise musste ich erst alt genug werden, um so einen Gewürzkracher zu schätzen. Tabac Original fällt mir als Generationenduft und urdeutsches Gegenstück ein, bitte in der Cologne-Version. Und KL Homme und CK Obsession for Men aus dem Lager der 1980er-Jahre. Bei ersterem ist mein Flakon leer und mit Obsession konnte ich mich nie anfreunden.



Mal kurz nach links und rechts auf die Sisters und Bros im Regal geblickt. Da steht das opulente Tabu von Dana. Es ist ebenfalls orientalisch-würzig und blumig, aber weniger pudrig. Gewürznelke, Patchouli und Ylang-Ylang auf einem Holz-Moschus-Bett. Ein kraftvoller Statement-Duft, gerne in der kitschigen Geigenflasche. Kommt gut auf männlicher Haut zur Geltung, führt bei mir aber ein Schattendasein. Irgendetwas ist darin, das mir nicht ganz in den Kram passt. Trage stattdessen häufiger ein altes Marbert Woman, ebenfalls XY-geeignet.



Links liegen lassen fällt mir bei ,,Sex Appeal" von Jovan deutlich schwerer, den Bro zur Rechten. Oldschool lebt. Weder der schäbig aussehende Flakon noch der trashige Plastikdeckel können mich davon abhalten, Sex Appeal zu meinen am häufigsten gesprühten Düften zu zählen. Wieder viel Gewürznelke drin. Er riecht wie eine Reise in die Vergangenheit und ist trotzdem tragbar. Der olle Name - schnuppe. Ein Goodie für alle, denen das wichtig ist: Man riecht das Jovan im Alltag nicht so oft an anderen.



Da wir uns nun duftseitig schnurstracks ins Bay-Rum-Lager bewegen, mag ich noch einen Zwischenstopp bei Caron einlegen. Die haben oder hatten zwei Nelkenkavaliere an Bord, die für den traditionsbewussten Nassrasierer wie gemacht scheinen: Coup de Fouet mit Nelke und Pfeffer – und Tabac Blond mit Nelke und Leder-Blumenzeugs als Vorbild von Knize Ten.



Tabac Blond ist leichter zu bekommen und als Eau de Parfum langanhaltender. Ganz in der Tradition von Varon Dandy ist der Deckel meines Tabac-Blond-Flakons zwar transparent und nicht weiß wie der von Varon Dandy, aber ungefähr so schäbig...


Freies Ausspucken verboten

DailyDriver

@baknip,

genau genommen bin ich so etwas wie ein Geruchslegastheniker, der eine gefällt mir, der
andere nicht, was für ein AS zu welcher RS ,,passt"  finde ich nur durch probieren heraus, 
eine Duftbeschreibung geht bei mir zu 95% immer daneben...und letztendlich sind mir
die Paare der Hersteller am liebsten, d.h. ich bevorzuge zu einer RS am liebsten das dazu
passend hergestellte AS, so muss ich nix probieren und suchen... ;D

Dennoch bedanke ich mich für diesen tollen Ausflug in die (kleine) Welt deiner Klassiker!
Ein sehr interessanter Beitrag mit hervorragenden Bildern!

Vielen Dank! dh:

Gruß
Gregor 
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎

Onkel Hannes

Wenn von baknip ein Artikel kommt, setze ich mir immer ein Lesezeichen - das will in aller Ruhe gelesen werden!  dh:

Danke für den schönen und informativen Streifzug.
Hungrig vom schlafen und müde vom essen.

MRetro

Wow, ich weiß nicht, was mich mehr begeistert: deine Beschreibung oder die Fotos, @baknip. dh:

baknip

Gestern Morgen war mir nach einer eine Rasur mit der alten und arg eingetrockneten P.160. Deren künstlicher Mandelgeruch ist längst weg und schäumen tut sie wie eine Eins. Die Rasierseife stammt noch aus einem Kilopack, das ich mir mit dem Forengründer Martin geteilt hatte – das ist ewig her. Was die Klinge betrifft, hatte ich kein so gutes Händchen...



Da sollte es wenigstens der Duft rausreißen. Seit ich nicht mehr in der Innenstadt wohne, hat der Sonntagmorgen im Herbst ein neues Gesicht: Frische, kühle, feuchte Luft, Wald, nasse Wiesen und gestern Nieselregen. Passend dazu endlich mal wieder das markante JHL von Aramis. Wäre JHL ein Filterkaffee, würde man wohl von einem vollmundigen Gewürzbasar sprechen. In meiner Nassrasierernase ist es ein schöner, würziger Herrenduft der Kategorie kräftig, der angenehm altbacken daherkommt. Duftler würden die Bezeichnung aromatisch-floraler Orientale mit dominierender Gewürznelke und Zimt wohl eher wählen.



Die Duftkonzentration ist ein Cologne, das genügt und hält lange auf der Haut. Was daran "Custom Blended" sein soll, erschließt sich mir nicht, denn Cinnabar vom selben Hersteller riecht ziemlich identisch. Und dass Frau Estée den Duft für ihren namensgebenden Gatten Joseph H. Lauder selbst abgemischt hat... naja. Animalisch finde ich ihn jetzt nicht (den Duft, nicht den Joseph), aber da gehen die Meinung wohl auseinandergehen.



Viel spannender ist da schon, dass Aramis das JHL vom ursprünglichen Flakon in die Aramis Gentleman's Collection übernommen hat. Alle Duftklassiker, die zu besagter Collection gehören, sind im schön anzusehenden Einheitsflakon mit dem Aludeckel zu haben: Devin, Aramis 900, Havana, Aramis Life, Tuscany, New West und Devin. Der Flakon war ursprünglich Etruscan vorbehalten, das man später in Tuscany per Uomo umbenannt und am Ende unschön textmarkergelb eingefärbt hat. Sind im schön anzusehenden Einheitsflakon zu haben ist außerdem nicht mehr richtig, weil erst kürzlich die komplette Gentleman's Collection eingestellt wurde und ganz kürzlich auch Aramis selbst sein Ende fand.



Der ursprüngliche Flakon kam als Splash mit Schraubverschluss.



Der Spühkopf lang im Karton bei, was den verhältnismäßig großen Karton und den Zusatz "with Atomizer" erklärt.



Durch das Zimtgewürzdurcheinander kommt mir JHL lebhaft und leicht exzentrisch vor. Ein bisschen üppig und schon ein bisschen schwülstig. JHL im alten Flakon riecht ein klein wenig anders als JHL im neueren. Das Opening gefällt mir bei JHL aus der Gentleman's Collection besser, weil es mehr Bandbreite hat. Wie wenn bei einem Orchester ein paar Instrumente mehr dabei sind.



Bei der Suche nach einem Charakter, der JHL bildlich repräsentieren könnte und dem älteren Nassrasierer vertraut sein dürfte, fiel mir tatsächlich beim Waldspaziergang Mister St. John Smythe ein. Die genaue Schreibweise musste ich auch erst online nachsehen, da er Singeon Smythe gesprochen wird. Unter diesem Decknamen charakterisiert Roger Moore alias Bond in A View to a Kill einen wohlhabenden Pferdezüchter. Und der trägt angeschrägte Outfits im Stil eines Dandys Nouveau Riche. So stelle ich mir einen Paradeträger von JHL vor. Der Film stammt aus dem Jahr 1985, der Duft von 1982. Das könnte ja schon ungefähr hinkommen.



Auf der Langstrecke bevorzuge ich JHL im alten Flakon. Wenn ich die beiden jedoch nicht im Direktvergleich hätte, würden mir die Unterschiede wohl nicht auffallen. JHL im Gewand der Aramis Gentleman's Collection ist online noch gut erhältlich.
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Tim Buktu

Ich bin zwar selten (eigentlich nie) als Mister St. John Smythe oder Pferdezüchter unterwegs, eher als alternder End-Boomer mit Jeans oder modernen Outdoorklamotten, aber trotzdem mag und trag ich den JHL sehr gern. Ich hoffe mein Umfeld verzeiht mir, dass sich bei mir oft Duft und Outfit nicht entsprechen. Mir genügt, dass ich mich darin gut fühle.  :)
Schade dass die Düfte nicht mehr lange zu erträglichen Preisen zu erhalten sein werden.
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MRetro

Zitat von: baknip in 06. Oktober 2025, 23:50:08...
... und ganz kürzlich auch Aramis selbst sein Ende fand.
...

:o  Ja seid wann das denn?  :o

baknip


Es scheint, dass die Hauptduftlinie, das klassische Aramis, in diesem Jahr vom Markt verschwunden ist. Bei Basenotes gab es einen Thread "Aramis Discontinued" dazu.
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baknip

#176
Zitat von: Tim Buktu in 07. Oktober 2025, 10:19:34Schade dass die Düfte nicht mehr lange zu erträglichen Preisen zu erhalten sein werden.

Leider.

Ich bin überzeugt, dass in jedem von uns ein charmanter Funken leichter Exzentrik schlummert, und sei er noch so dick unter Funktionsbekleidung verborgen. Wären wir sonst hier?
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Tim Buktu

Tranquilo - In der Ruhe liegt die Kraft...

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baknip

Der Robb Report ist ein US-amerikanisches Traditionsmagazin für Menschen mit ausgeprägtem Interesse an Luxus. Es ist so eine Art News- und Shopping-Guide für Reiche und natürlich sind die Inhalte des Magazins und der gleichnamigen Website oft ziemlich einseitig und protzig. Unlängst haben sich die Macher des Robb Report dem Thema Parfüm gewidmet und die 50 besten Herrendüfte aller Zeiten gekürt. Im Unterschied zu anderen Listicles zum Thema Parfüm gibt es zu jedem Duft immerhin eine Begründung für die Platzierung. Man kann sich The 50 Greatest Men's Colognes of All Time also durchaus anschauen. Wer mit Werbeblocker surft, klickt nach dem Aufruf der Seite auf "Continue without disabling".



Das Ganze ist als kuratierte Übersicht ordentlich gemacht, aber ohne große Überraschungen: Creed Aventus, Terre d'Hermès und Chanel Bleu de Chanel belegen die ersten drei Plätze. Mit Le Labo Santal 33 (Platz 9) und zwei Düften von Byredo werden wohl auch Zugeständnisse an Marketingpartner gemacht.

Der US-Klassiker Aramis schneidet auf Platz 45 für mein Empfinden schlecht ab. Drakkar Noir von Guy Laroche ist auf Platz 43 respektabel, da der Duft als inzwischen Cheapy in den letzten zehn Jahren kaum noch ernst gemeinte redaktionelle Erwähnung findet.

Sartorial von Penhaligon's (Platz 38) hätte ich nicht in der Liste erwartet und würde es selbst weiter oben sehen wollen. Portrait of a Lady auf Platz 24 ist eine positive Überraschung. Den Duft sollte jeder Mann probiert haben, der Patschuli, Rose, Weihrauch und Sandelholz mag und bereit ist, damit aufzufallen.



Zu meiner Verwunderung ist das von Tim Buktu in der Rasur des Tages charismatisch gezeigte Chanel Égoïste gar nicht in der Liste. Dafür landet das vergleichsweise langweilige Égoïste Platinum von Chanel auf Platz 40.
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baknip

Nun, ich nutze die Gunst der Stunde, um mich bei den Nassrasierern hier im Thread zu entschuldigen, die Anhänger von Egoiste Platinum sind. Meiner Meinung nach ist dieser Duft belanglos, gestutzt und austauschbar. Eine pflichtbewusste graue Maus, die Chanel wohl jenen wirtschaftlichen Erfolgt bescherte, den Egoiste verpasst hat. Platinum ist nett und unaufgeregt, und das umso mehr, wenn man das ursprüngliche Egoiste nehmen müsste, um etwas Ausdrucksstarkes mit Charakter zu haben.

Der Reiz von Egoiste als besonderem Sandelholzduft liegt im Zusammenspiel von Wärme, Eleganz und männlicher Sinnlichkeit. Das klingt ziemlich schwafelig, aber mir fällt gerade keine weniger schwafelige Formulierung ein. Egoiste zeichnet sich durch einen cremig-holzigen, leicht süßlichen Duftcharakter mit Vanille und viel Zimt aus. Was man riecht, ist unter all den sandelholzzentrierten Herrenparfüms sofort wiedererkennbar. Gerade das mag ich, auch nach noch nach gut 25 Jahren.



Unter Nassrasierern beliebte Sandelholzdüfte wie Taylor of Old Bond Street Sandalwood oder Crabtree & Evelyn Sandalwood sind eindimensionaler, quasi Buchhalterdüfte. Sie wirken eher beruhigend und verleihen eine Aura von Ausgeglichenheit. Egoiste ist mehrdimensional, denn zum Sandelholz gibt's viel on top. Markant und präsent, auf den hautnahen Charakter muss der Träger verzichten.

Im US-Duftforum Basenotes wurde mal Santal von L'Orientaliste als Referenz- und Quasi-Lehrstück für authentisches Sandelholz empfohlen. Hab ich mir damals geholt. Zum Tragen ungeeignet, aber zum Vergleichen prima.



Egoiste hat zwei Vorfahren: Bois des Iles und Bois Noir. Chanel Bois des Iles habe ich ewig her durch Badger & Blade kennengelernt (danke professorchaos!). Es ist der weiche, blumige Sandelholzduft von Chanel mit subtilen Nuancen. Er ist viel leiser als Egoiste, heller, cremiger und seidiger. Ein Duft für Liebhaber, die sich gerne mit Düften beschäftigen. Vor allem die ältere Eau-de-Toilette-Version sollte man ein paar Mal probiert haben, ehe man ein Urteil fällt. Leider ist Bois des Iles deutlich teurer als Egoiste.

Bois Noir war das direkte Prequel zu Egoiste: Unter diesem Namen kam Egoiste kurzzeitig auf den Markt, um rasch ersetzt zu werden.



Ich mag Bois des Iles nicht erwähnen, ohne auf Creeds Gegenstück Bois de Santal zu verweisen. Womöglich war die Idee dahinter, den Erfolg von Bois des Iles einfach zu kopieren. Keine Ahnung, inwieweit das gelang, aber von mir gibt's für Bois de Santal eine dicke Empfehlung, wiederum vor allem für Leute, die sich mit Düften beschäftigen und nicht nur schnell Riechen wollen.



Das Creed gab es in der Apothekerflasche.



Sprayer dazu - gegen Aufpreis.

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