Aufarbeitung des Eduard Vitting #121

Begonnen von DailyDriver, 02. Juli 2025, 20:49:04

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DailyDriver

Operation ,,Aufarbeitung" abgeschlossen...
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Das
Eduard Vitting in 6/8

Ich möchte euch heute das Ergebnis meiner Bemühungen zeigen, aus einem schönen, älteren Rasiermesser ein etwas schöneres, aber immer noch älteres Rasiermesser zu machen. Erstanden habe ich das Messer erst kürzlich über den MH im Nachbaruniversum. Genau wie der nette Mitforist in seinem Verkaufsangebot auch mitteilte, bin ich der Meinung, dass dieses Messer noch nicht wirklich viele Rasuren geleistet hat und der Zustand des Messers wohl ausschließlich einer wohl eher als unsachgemäß zu bezeichnenden Lagerung geschuldet ist.

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Der Ursprungszustand

Wie auf den nachfolgenden Bildern und zu sehen ist, war die Klinge nicht von grobem Rost befallen, sondern ,,nur" partiell von diesen, ach so beliebten, schwarzen Flecken. Diese hatten es aber im wahrsten Wortsinn auch in sich, gerade im Bereich der Schneidkante gingen diese Flecken im Untergrund schon in Lochfraß über, nicht ganz so schlimm betraf es auch die Flächen und den Rücken der Klinge. Hier war die ,,Tiefenwirkung" zwar noch nicht sehr weit fortgeschritten, allerdings war gerade auf der Vorderseite der Klinge, die sehr schöne Goldätzung betroffen. Das Heft wies fast keine Beschädigungen auf, gröbere Kratzer oder gar Ausbrüche oder Beschädigungen der Einlegearbeiten waren nicht vorhanden, auch war bzw. ist das Heft sehr gerade und die Klingenführung weiß keinen Verzug auf. Die Klinge läuft gerade und (fast) durchgängig fest im Heft, nur auf den letzten 5–10mm ,,fällt" die Klinge ohne Widerstand ins Heft.



Die Aufarbeitung


Rein numerisch betrachtet ist dies erst meine 3. Aufarbeitung eines Rasiermessers, ich bin also bei weitem (noch) nicht mit allen Kenntnissen, Tricks und vor allem Erfahrungen in Sachen Aufarbeitung & Restauration bewandert, somit hält sich auch mein Bestand an Werkzeugen und Materialien in Grenzen. Um zuerst einmal eine bessere Bestandsaufnahme machen zu können, ging das Messer als erste Maßnahme auf Tauchstation ... in einem wohlig warm temperierten Petroleum-Bad. Es folgten anschließend erste Reinigungsarbeiten mit Zahn- und Messingbürste, Zahnstocher und Ähnlichem. Nachdem dann alles in einem Wasserbad mit Spülmittel abgewaschen war, blieben quasi ,,nur" die paar Schwarten Flecken übrig ... Also ein wenig polieren und gut ... so dachte ich zunächst. Um nicht gleich wie ,,mit Kanonen auf Spatzen schießen" vorzugehen, dachte ich mir: Nimm ein wenig Poliermittel auf einen Baumwolllappen und schau, wie es denn unter den Flecken aussieht. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße, als ich schon nach ein paar wenigen Bewegungen feststellen musste, dass die Ätzung auf der Klinge selbige Vorgehensweise überhaupt nicht tolerierte und mein Tun sofort mit auffälliger Blässe quittierte. Somit war die Vorderseite für eine flächige Behandlung ab jetzt gesperrt, auf der Rückseite und am Erl war es aber möglich, brachte aber nur oberflächlich einen gewissen Erfolg. Von da hieß es ... ran an die Kanonen ... so von wegen Spatz und so ...




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Es ging los mit 800er-Schleifpapier. Das Multifunktionswerkzeug (ich nenne das Teil ab jetzt ,,Dremel"... auch wenn es ein Proxxon ist) kam mit verschiedenen Aufsätzen wie Filzscheibe, Wabbelscheibe etc. zum Einsatz. Mit dem Schleifpapier kam ich bei den Flecken ganz gut zurecht, allerdings hinterließ es auch unschöne Kratzer. Weiteres Schleifpapier bis hin zur Körnung 3000 kam zum Einsatz, und mit grüner und blauer Schleifpaste auf Filz- und Schwabbelscheibe konnte ich mit dem Dremel letztendlich ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen. Bei der Klingenvorderseite ging alles in mühevollstem, manuellem Klein-Klein weiter. Mininistückchen Schleifpapier auf ein Holzstäbchen (Schaschlikspieß, 3mm) brachten etwas Erfolg, hier ließ ich aber von weiterem ab, um der schönen Ätzung willen.
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Allerdings fiel mir immer wieder ein kleiner Bereich (so ca. 1 × 1 mm) direkt auf der Schneidkante auf, der sich vehement gegen eine Entfernung wehrte. Ich dachte mir, schau dir das mit der Lupe genauer an ... Oje ... nicht gut ... Es folgte das Mikroskop ... Oje oje ... überhaupt nicht gut. Da hatte der Rostfraß schon ganze Arbeit geleistet und es sah so aus, als hätte die Klinge einen Riss. Ich dachte: Bitte nur das nicht. Vorsichtig ging es auf beiden Klingenseiten mit Schleifpapier weiter, und es sah dann auch unter dem Mikro etwas besser und vor allem beruhigender aus. Da fiel mir wieder eine Vorgehensweise ein, die ich durch unseren verehrten Mitforisten @alvaro kennengelernt habe. Es wird als ,,die Perle laufen lassen" bezeichnet. Dabei wird (vorzugsweise) mit dem Daumennagel auf die Schneidkante vorsichtig Druck ausgeübt, bis selbige nach vorne durchbiegt. Hat man den richtigen Druck herausgefunden, bewegt man gleichzeitig den Daumen die Schneidkante entlang und alles sieht aus wie eine kleine Welle. Einen etwaigen Riss, der die Schneidkante erreicht hat oder von selbiger in Richtung Rücken ,,wandert", würde man mit dieser Vorgehensweise sofort erkennen, und siehe da, ich konnte nix erkennen ... Somit wohl Glück gehabt. Kein Glück hatte ich aber in Sachen Schneidkante. Durchs Mikro betrachtet sah selbige wie eine vergrößerte, grafische Seitenansicht eines Mittelgebirgszuges aus ... ein Auf und Ab sondergleichen, das fällt aber ins Kapitel ,,Schärfen".
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Das Endergebnis

Da ich die Klinge und das Heft definitiv nicht trennen möchte, mir ist da der Erhalt der originalen Vernietung wichtiger als ein oder zwei Flecken in diesem Bereich, habe ich mich entschieden, dass das bisher erreichte Ergebnis passt. Ja, es sind noch Flecken sichtbar, gerade auf der Klingenvorderseite, aber hier stehen für mich ganz klar die Ätzung und der Erhalt selbiger im Vordergrund. Schließlich ist es ja auch ein Messer mit Geschichte und Alter, somit darf es meiner bescheidenen Meinung nach auch eine gewisse Patina tragen.

Anm.: Eine Vorstellung des Messers und ein paar Informationen zur Firmengeschichte Eduard Vitting werde ich auch noch im ,,Hersteller"-Strang posten, z.Zt. suche ich aber noch nach entsprechende Informationen...



Gruß
Gregor
LIEBER HABEN OHNE ZU BRAUCHEN ALS GAR KEIN SPASs! 😎