Mein Interesse an der Rasur mit klassischen Rasierwerkzeugen, inzwischen dem Messer, speist sich nicht zuletzt aus einem grundsätzlichen historischen Interesse. Natürlich träumt man in so einem Falle davon, auch mit den restlichen Komponenten in die Nähe der Rasuren von damals zu kommen.
In hiesigen Gefilden war lange Zeit offensichtlich Pitralon der Platzhirsch - auch wenn gutsituierte Herren sicher auch Anno dunnemals schon eine größere Auswahl und edlere Stöffchen zur Verfügung gehabt haben dürften. Leider hat das heute unter dem Namen "Pitralon" verkaufte Rasierwasser bekanntermaßen mit dem damaligen Produkt ja nur noch den Namen gemein - für mich riecht es nach Fa-Seife und ich finde es sterbenslangweilig. Von einem bekannten Onlinehändler wird die Schweizer Variante als dem ursprünglichen Produkt recht nahe kommend beschrieben, es fehlen jedoch zwei wichtige Komponenten des ursprünglichen Rezeptes, nämlich Campher und Borsäure.
Wikipedia habe ich dann vor einiger Zeit entnommen, daß das von einem kroatischen Hersteller fabrizierte Wässerchen mit dem schönen Namen "Ralon" angeblich der Originalrezeptur von 1927 entspricht. In dubio pro reo... . Man muss dafür nicht nach Kroatien reisen, am großen Fluss kann man drei Flaschen für knapp 15€ incl. Porto erwerben. Ich habe es mal darauf ankommen lassen:

Der Duft ist der schweizer Variante durchaus ähnlich. Diese beschränkt sich, wohl durch den fehlenden Campher, für mich jedoch v.a. auf die blumig-fruchtigen Anteile, die, je nach Benutzer, als an Banane oder Melone erinnernd empfunden werden. Das gefiel mir weniger gut, war mir zu süßlich.
Ganz anders beim Ralon AS: durch den Campher kommt eine herbe (manche werden es als medizinisch empfinden) Note dazu, die das Ganze für mich erst als Herren-Duft qualifiziert - jedenfalls vor dem Hintergrund einer Zeit, in der bei vielen deutschen Frauen Kölnisch Wasser als akzeptables Parfum galt

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Immer noch speziell für die heutige Nase, aber mindestens interessant, mir gefällt es sehr gut. Die Pflegewirkung empfinde ich ebenfalls als gut, ähnlich der schweizer Variante bleibt ein ganz leichter Film auf der Haut zurück. Der Duft persistiert für meine Nase mehrere Stunden, wenn man mit der Hand über das Gesicht streicht, ist er auch am Abend noch wahrnehmbar.
Zusammen mit der Palmolive-Rasierseifenstange, meinem halbhohlen 5/8"-Messer und etwas Brisk-Haarcréme für das Haupthaar entführt mich die Rasur für eine halbe Stunde in das Deutschland der 1930er bis 1950er Jahre.
Im Hintergrund stelle ich mir dabei übrigens leise Swing-Musik vor, nicht daß hier irgendwelche Mißverständnisse aufkommen
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