Rasierutensilien Kulturgut? Wer outet sich als Sammler und Bewahrer

Begonnen von Rockabillyhelge, 27. Februar 2011, 00:12:33

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Rockabillyhelge

Da ich ja von Hause aus Techniker bin (Techniklehrer noch im Studium) habe ich mich von Anfang an für die Technik von Rasierern, Abziehern, der Messerherstellung und dem ganzen DrumHerum was Pflege und Unterhalt betrifft interessiert und irgendwie, je mehr ich mich in das Thema hereingearbeitet habe sind mir so gewisse Dinge aufgefallen die neben dem Bewusstsein eine alte Tradition am Leben zu erhalten mir noch stärker ins Bewusstsein gedrungen sind.
Ich sammel Rasierer und Zubehör und bei jedem neuen stellt sich mir immer wieder die Frage, was hat er für eine Geschichte, halte ich einen Micromatic Zahnkamm in der Hand sehe ich Art Deco, sehe ich das Lebensgefühl der 20er Jahre welches im Design, den Materialien und der Werbung Ausdruck findet, wer mag sich hiermit rasiert haben, ein armer Schlucker sicher nicht, 1,49$ 1929, ein Preis der wohl eher für die Mittelschicht bezahlbar war, vielleicht ein Kaufmann, oder ein Angestellter, einer von denen die bis in die Fünfziger strahlende Helden so mancher spießig anmutenden Hollywood Traumwelt waren.
Ich habe einen WM Enders von 1910, der ist geschweißt, ausgebessert, wer mag einen 99ct Dollar Razor gehabt haben und ihn derart ausbessern müssen? Jemand der sich keinen neuen leisten konnte, oder jemand der an ihm hing, ich werde es wohl nicht herausfinden, auf jeden Fall war es jemand der diesem Rasierer Wert beigemessen hat, der seinen Tag mit ihm begonnen hat, vielleicht sogar seinen letzten.
In einem Buch habe ich einmal gelesen, die Männerrasur sei eine der intimsten und rituellsten Handlungen des Mannes und es gäbe kaum etwas damit vergleichbares, nunja, ob es etwas vergleichbares gibt, ich weis es nicht aber ich weis das es sehr intim, sehr eigen ist und etwas mit dem Ausdruck und Selbstbild desjenigen zu tun hat der sich da rasiert. Heute ist die Rasur nicht mehr so wichtig wie damals, heute gelten teilweise selbst die unrasiertesten Gesichter und ungepflegtesten Stoppeln als seriös und modisch, umsomehr Bedeutung bekommt was die Früheren mit der Rasur und ihren Gerätschaften verbanden, umso deutlicher wird die Veränderung im Laufe der Rasurgeschichte und meines Erachtens wird umsomehr aus altem Rasurgut Kulturgut, bleibendes in einer der Zeit des Einmalrasierers.
Wer sieht sich gegebenfalls auch nicht nur in der einfachen Rolle des Sammlers sondern auch in der Rolle des Bewahrers, des Konservators einer Zeit, eines Teils der zivilisierten Kultur der so manchmal immer weniger wert scheint.

PS: Ich hoffe das Forum verzeiht mir meinen Pathos zu später Stunde, es musste einfach mal gesagt werden.
Auch mit Bart immer gut rasiert :)

Schnitter

Also sammeln und bewahren tun hier viele. Zumindest viele die "hobeln und messern". Meine 50er Gillettes sind mir lieb und teuer - auch eine Art "Lebensgefühl" sich damit zu rasieren.
Einbildung is´auch ´ne Bildung!
(Mein Vater)

Erlkönig

Es kommt darauf an, welches Messer den Weg zu mir findet. Solingen-Massenware wird als Gebrauchsgegenstand gekauft und benutzt. Wenn ich aber z. B. einen 200 Jahre alten Engländer im Originalzustand auftreiben kann, dann wird er entsprechend vorsichtig behandelt. Das Messer wie das Heft werden vorsichtig gesäubert und mit den entsprechenden Mitteln gepflegt. Es wird nichts poliert und schon gar nichts ausgetauscht. Wenn ich mich damit rasiere, denke ich auch darüber nach, wer wohl schon alles im Besitz des Messers war, wie es wohl mehrere Kriege überstanden hat, möglicherweise in der Westentasche eines seiner Besitzer?
Schaumig währt am längsten und mit dem Messer, rasiert sich's besser!