Huch, gibt ja doch eine Rubrik zum Seifensieden! Na dann kann ich mein Rasierseifenprojekt ja doch mal hier einstellen:Angeregt durch einen sehr interessanten
thread im "Seifentreff"-Forum und die Zutatenlisten verschiedener Kauf(Rasier)seifen, habe ich ein bisschen mit dem Programm
soapcalc herumgespielt. Herausgekommen ist folgendes Rezept:
30% Babassuöl
30% Rindertalg
20% Kokosöl
16% Stearin
4% Rizinus
Verseift wurde mischverseift NaOH:KOH = 50:50 im oven hot process (OHP). Weil ich eine gaaanz leichten Überhang bei den festen Ölen hatte, habe ich mit 35% der GFM an Wasser gearbeitet. Bezogen auf die Gesamtfettmenge (GFM) kamen noch 5% Zitronensäure, 5% Lanolin anhydrid zur Überfettung, etwas Schafsmilchpuler und etwas Kaolin hinzu. Und etwas Quark für geschmeidigen Seifenleim.
Ausgehend von einer Zusammensetzung des Stearins aus je 50% Palmitin- und 50% Stearinsäure (bei behawe bzw. dem Hersteller war nur die ungefähre Zusammensetzung zu erfahren), ergab das:
25% Laurinsäure
12% Myristinsäure
21% Palmitinsäure
16% Stearinsäure
4% Rizinolsäure
16% Ölsäure und
1% Linolsäure
Als Probe habe ich 500g GFM verseift. Da ich mit neuem Equipment gearbeitet habe und zum ersten Mal mischverseift UND zum ersten Mal im OHP, ist das Ganze nicht besonders gut dokumentiert, aber für einen Eindruck reichts, denke ich.

Was bisher geschah: als erstes habe ich 50g Naturjoghurt, 10g Schafsmilchpulver und 10g Kaolin versucht glatt zu rühren - mit eher mäßigem Erfolg, was schlussendlich aber egal war (s.u.).
Dann habe ich 25g Zitronensäure in 175ml Wasser aufgelöst und danach Teelöffelweise das NaOH und schließlich das KOH zugegeben. Die Lauge habe ich beiseite gestellt.
Schließlich habe ich die Fette abgewogen und in den Crockpot zum Schmelzen gegeben. Roch warm schon ganz schön intensiv nach (gutem) Rindertalg... .
Das Lanolin habe ich in ein kleines Schüsselchen gegeben und vorsichtig erwärmt. Als es flüssig war, habe ich die Joghurt/Kaolin/Schafsmilchpulver-Mischung untergehoben und das Ganze wieder warm werden lassen.

Als die Öle etwa 70°C hatten, habe ich die Lauge zugegeben (= 66°C) und zunächst von Hand, dann mit dem Püri untergezogen, bis der Leim gut zeichnete. Dann habe ich den Deckel drauf gemacht, um auf die Gelphase zu warten. Ich dachte, das dauert so rund eine halbe Stunde... .

In der Zwischenzeit habe ich mit dem Püri die "Wirkungsmischung" nochmal glatt gezogen - das ging ganz gervorragend, alle Klümpchen weg.

Fragt sich nur, warum der Seifenleim zischt... .
Der Blick aufs Thermometer zeigte 104°C und ich wurde etwas hektisch: erstmal mit dem Kochlöffel bei geöffnetem Deckel ordentlich durchgerührt und angesichts der Optik (ist das bereits "Elefantenhaut"?) bei einer Probe den Küsschentest gemacht (Lippen), dann etwas ungläubig und sehr mißtrauisch mit der Zungenspitze: kein bisschen zu merken. Konsistenz v.a. beim Abkühlen fast wachsartig. Am Waschbecken nebenan zeigte sich: ist tatsächlich Seife

. Recht direkt ("ÜF" bis dahin ja nur 1%), aber keineswegs aggressiv.
Ergo: Seife fertig in unter zehn Minuten

.

Ich habe dann noch die Wirkmischung zugegeben und mit dem Püri glatt gerührt. Zum Geruch nach gutem Steak (ohne die Röstaromen) gesellte sich nun der von guter Wolle: scheint eine Rasierseife für ECHTE Männer zu werden

.
Für die unechten und eventuelle Partnerinnen habe ich dann spontan doch noch ein Paar Tropfen ÄÖ zugegeben (der erste Versuch war unbeduftet geplant), dann, passend zum Geruch abgefüllt in alte Wurstgläser

.
Jetzt mal ohne Flachs: von den vor zwei Wochen bereitgestellten sechs fehlten mir zwei, weil ich da jüngst Kaufrasierseifen eingefüllt habe. Diese speziellen Gläser sind für den Zweck perfekt geeignet. Leider sind die vier restlichen nun etwas zu hoch befüllt, aber vielleicht kann ich da bei Gelegenheit auch nochmal was rausnehmen (gell Hobeler

). Der Rest kam in eine große Tasse.

Natürlich war ich sehr neugierig, wie die Seife geworden ist. Da sie offensichtlich ja schon fertig war (natürlich wird sie auch von zwei, drei Wochen Lagerung noch profitieren [
Stand: 1.7.], habe ich mir den Rührlöffel geschnappt, auf dem sich eine Schicht fester Seife befand und direkt von dort Seife aufgenommen

. Der Pinsel ist ein Mühle Plastikdachs (ich dachte mir: sicher ist sicher). Ordentlich nass gemacht, nur leicht ausgeschlagen und ab auf die Seife (sorry, die Fotos sind nicht so dolle geworden):


Auch wenn schlecht zu erkennen: das dürfte reichen.

Direkt ins Gesicht gings nicht, das war mir dann doch zu riskant, also musste erstmal die linke Hand herhalten. Ich hätte auch ein kleines Schüsselchen nehmen können, schäume selbst aber im Gesicht auf. Schon bei den ersten kreisenden Bewegungen explodierte der Schaum förmlich. Ich kenne kaum eine Kaufseife, die so schnell und so reichlich aufschäumt.

Hier mal ein "Standbild".

Nach vielleicht einer Minute hat der Pinsel Schaum genug für zwei bis drei Rasurdurchgänge.

Mit ein bisschen quasten bildet sich schnell ein dichter Schaumteppich. Der Schaum fühlt sich voll und dicht an, auch wenn er noch etwas grobporig wirkt. Er hat Stand ohne Ende, ist mir fast schon zu fest - dazu unten im vorläufigen Fazit mehr.

Hier nochmal ein Versuch auf dem Unterarm. Die Gleiteigenschaften sind scheinbar auch ganz gut, auch nach dem Abwaschen fühlt sich die Haut glatt und gepflegt, keinesfall ausgetrocknet an. Aber für ein echtes Fazit muss ich da noch den eigentlichen Praxistest meiner selbst und zweier Freiwilliger abwarten.
Vorläufiges Fazit:Zunächst bin ich sehr angenehm überrascht, das alles gut geklappt hat und das so vielversprechende Ergebnisse dabei herausgekommen sind. Alles Folgende ist daher erstmal Klagen auf hohem Niveau.
Geruch:Fakt ist: ich fürchte auch in der fertigen Seife wird ein Hauch Rinderfett wahrnehmbar sein, das Lanolin, obwohl beim Verarbeiten deutlich wahrnehmbar, scheint da zahmer zu sein. Schuld könnte nicht zuletzt die recht starke Erwärmung auf 70, 72°C sein (ich hatte den Crockpot auf "High" stehen). Beim nächsten Mal würde ich versuchen, unter 65° zu bleiben, fürs Stearin dürfte das reichen. Zusammen mit einer schöne Beduftung, die noch zu entwickeln ist, sollte das also in den Griff zu bekommen sein.
Schaum:Der Schaum ist grundsätzlich toll, für einen wirklich überragenden Rasierschaum ist er aber zumindest in Teilen etwas zu grobporig und einen Tick zu fest. Der perfekte Rasierschaum ist etwas sahniger, schlotziger und spült sich etwas leichter ab (v.a. vom Rasierienstrument der Wahl). Anschäum- und Aufschäumverhalten sowie die Standzeit des Schaums hingegen sind ganz hervorragend. Ich muss nochmal schauen, wie sich die Seife bei unterschiedlichen Wassermengen und bei längeren Bearbeitungszeiten verhält, fürchte aber, daß sich daran nichts Wesentliches mehr ändern wird [
doch: s.u.].
Gleiteigenschaften:Scheinbar ganz gut, ich glaube aber, daß eine leichte Erhöhung des Kaolingehaltes noch etwas bessere Ergebnisse bringen könnte.
Zusatzstoffe:Bei der Version 2 würde ich noch etwas Glyzerin zufügen, das das Barthaar schön einweicht.
Hier noch der Bericht über die erste Rasur mit der Seife einige Tage später:
Heute morgen habe ich nochmal ein bisschen herumexperimentiert und mich zum ersten Mal mit der Seife rasiert. Gerade nicht mehr tropfnasser Pinsel, Seife im Glas kurz vorgewässert, Wasser abgegossen.
Obwohl der Schaum beim ersten Einschäumen ein bisschen trocken war (knisterte hörbar), waren die Gleiteigenschaften schonmal sehr gut.
Die Seife ist offenbar ziemlich sparsam bzw. mag relativ viel Wasser. Beim zweiten Aufschäumen (ich habe dazu nochmal komplett neu angefangen, was man normalerweise ja nicht tut) habe ich deutlich weniger Seife genommen, was schonmal ganz gut war. Trotzdem schäumt die Seife so üppig - und im ersten Moment so großblasig - das es im Gesicht fast schwierig wird, den Schaum zu bändigen. Gleiteigenschaften jedoch - wiederum - den guten Kaufseifen absolut ebenbürtig: auch Reste, die ich zum Ausputzen an ein zwei Problemstellen mit den Fingern verstrichen habe, reichten dazu aus. Das Kaolin und, das vermute ich aber nur, der 50%ige KOH-Anteil wirken hier sehr gut zusammen.
Nach der eigentlichen Rasur habe ich dann nochmal einen dritten Versuch in einem kleinen Schüsselchen (Mug) gemacht. Ist beim Rasieren nicht meins, aber viele von Euch schwören ja drauf. Ich habe noch weniger Seife genommen (fünf, sechs Kreise auf der Seife) und nach den ersten Runden im Mug nochmal etwas Wasser nachgetropft. Was erst aussah, als wäre es zuviel des Guten, entwickelte sich zu einem der besten Schäume, die ich bisher überhaupt zustande gebracht habe: schlotzig (wie halb/weich geschlagene Sahne), feinporig mit perlartigem Glanz und zumindest auf dem Unterarm wunderbar glitschig. Dabei top stabil und trotzdem mit einem kurzen Guss Wasser vollständig abzuspülen: so muss er sein!
Ich bin begeistert, das hätte ich niemals erwartet! Wenn ich dazu jetzt noch einen schönen Duft hinbekomme, habe ich eine 1a Hausrasierseife. Einziges Manko: bereits die vorhandene Probemenge reicht für die nächsten zehn Jahre.
Redaktioneller Hinweis: der Beitrag besteht aus der Zusammenfassung und leichten Überarbeitung dreier Beiträge von mir in meinem entsprechenden Thread im "Seifentreff"-Forum, der aber für nicht dort Angemeldete nicht zu lesen ist, sonst hätte ich einfach einen link gesetzt.
//mod Hannes: überflüssigen quote-Tag entfernt