Gut-Rasiert-Forum

Die Pflege => Düfte => Thema gestartet von: baknip am 07. August 2014, 11:04:54

Titel: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 07. August 2014, 11:04:54
Ein Thread für ausführliche Parfüm-Duftvorstellungen aller Genres und Diskussionen darüber. Bitte werft nicht nur Parfümnamen in den Raum, sondern beschreibt den Duft, den ihr vorstellt. Für reine After Shaves gibt es andere Threads. Los geht's!

Olfactive Studio ist ein recht junges Parfumlabel aus Italien, Ombre Indigo der zuletzt veröffentliche Duft des Hauses. Mit seinem ins Türkisene tendierenden Inhalt sticht der Flakon ins Auge, auch wenn der Duft auf den Werbefotos deutlich dunkelblauer wirkt.

Nicht nur das Flascherl hat Anziehungskraft: Was da auf der Haut landet, hat Klasse. Oben duftet es nach allerlei saftig-reifen Spätsommerfrüchten im Safransud, von denen vor allem Pflaume heraussticht. Dazu gibt es ein wenig kühles Leder, mehr Rauch und eine dunkelaromatische Blüte, die ich selbst nicht benennen kann, wohl gemäß Duftpyramide Tuberose. Eine gewisse Fruchtsüße ist von Anfang bis Ende da, nimmt aber zu keinem Zeitpunkt überhand und kommt mir für einen zeitgenössischen Ganztagsduft angemessen vor.

Das alles ist zwar nicht neu, aber so schön miteinander verwoben und gewürzt, dass bei mir ein Wonnegefühl entsteht. Ein universeller (nicht formeller) Duft zum Anlehnen und Wohlfühlen, Ruhe ausstrahlend. Ombre Indigo geht für mein Dafürhalten mit ins Büro, begleitet einen das Wochenende über und mit zwei, drei Sprühern mehr macht der Duft auch am Abend was her. Haltbarkeit und Abstrahlung sind gut. Riecht für meine Nase modern-maskulin, ausgewiesen ist Ombre Indigo übrigens als unisex.

Mir gefällt Ombre Indigo zu würzigen Aftershaves wie Bay Rum oder Tabakwässern ebenso wie zu zitischen, orientalischen oder fruchtigen. Mit grasgrünen Rasierseifen, Rasiercremes oder Rasierwässern dürfte der Duft nicht so recht harmonieren.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/olfactive-studio---ombre-indigo_k2.jpg)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 14. August 2014, 18:13:27
Von Atelier Cologne stammt mein kleines Fläschchen Sous le toit de Paris. Eine Probe hat mich auf diesen Unisex-Veilchenduft gebracht, den ich prima männergeeignet halte. Fürs Florale sollte man offen sein, dann weht einem hier ein angenehm grün-violettes Lüftchen um die Nase, das so bestimmt auch aus England kommen könnte.

Was man riecht, ist ein gepudertes Veilchenblätterpotpourri mit Zitrus und einer grünen Saftmixtur. Letztere sorgt dafür, dass der Duft nicht wie ein Blütenmeer aus Tausend und einem Damenparfum duftet, sondern so, dass man das auch als Mann entspannt tragen kann. Reizvoll macht den Duft ferner die hohe Abstrahlung bei guter Haltbarkeit.

Ich empfinde Sous le toit de Paris als frisch-blumig-grasig mit etwas Puder. Im Vergleich zu anderen mir bekannten Violettwässerchen wie Grey Flannel von Geoffrey Beene (mag ich nicht) oder Guerlain Arsene Lupin Dandy (mmmh!) ist das von Atelier Cologne weniger herb.

Auch wenn Sous le toit de Paris ein moderner Duft sein möchte - und das riecht man - schwingt doch ein Quäntchen Oma mit. So wie bei Veilchenpastillen. Und das macht die Sache gerade für den Nassrasierer mit Vorliebe für florale Rasierseifen, Rasiercremes und sonstigen Traditionshokuspokus aus dem Britischen Empire so spannend.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/atelier-cologne-sous-le-toit-de-paris_k.jpg)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: SLB04 am 14. August 2014, 18:34:58
Was für großartige Vorstellungen von Düften. Macht einen direkt neugierig.

Bitte mehr davon! dh:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 24. August 2014, 14:11:32

Würde man den ohnehin schon unauffällig klein angebrachten Herstellerschriftzug Aramis auf dem Flakon oder der Umverpackung von Perfume Calligraphy abdecken, wohl niemand würde anhand von Duft, Kartonierung oder Etikettierung auf die Marke Aramis und den dahinterstehenden Großkonzern Estée Lauder kommen.

Neben dem Signaturklassiker Aramis sind vor allem die in der Gentleman's Collection zusammengefassten Herrendüfte Havana, Devin, Tuscany/Etruscan, 900, Life und JHL in vielen Parfümerien zu haben. Nun kommen mit den drei Calligraphy-Unisexdüften Perfume Calligraphy (um das es hier geht), Perfume Calligraphy Saffron (finde ich arg unspektakulär) und Perfume Calligraphy Rose (tolles Ding, das ich separat vorstelle) drei vorwiegend für das arabisch(-asiatisch) ausgerichtete Publikum auch hierzulande in einzelne Verkaufsstellen.

Mit den Aramis-Klassikern hat Perfume Calligraphy wenig gemein. Der Duft wirkt auf mich wie ein mächtig konzentrierter, spritziger Fruchtsaftcocktail bestehend aus vielen vollreifen roten, gelben und orangenen Früchten. Dem Fruchtmix gibt man eine genau bemessene Menge Traubenzucker hinzu, um die stechenden zitrischen Spitzen abzumildern. Daneben steht gefiltertes, helles und freundliches Oud, dem muffige, animalische, düstere und viele der medizinisch wirkenden Noten entzogen wurden. So tut Oud niemandem weh. Dahinein gibt man ein paar ebenfalls tiefengereinigte Extrakte von Patchouli und Gewürzen.

Dann vermischt man das Saftkonzentrat mit dem öligen Oudnektar zu etwa gleichen Teilen und wirft noch ein eine Handvoll Rosenblätter hinein, nur so wenig, um der fruchtigen Mischung einen floralen Hauch mitzugeben. Fertig!

Was herauskommt, ist meiner Ansicht nach einen Test wert, auch und gerade wenn man es mit Früchten oder Oud ansonsten nicht hat. Bei mir vermag Perfume Calligraphy spontan gute Laune auszulösen. Ein Stimmungsaufheller zum Sprühen.

Die Haltbarkeit ist hervorragend, hinsichtlich der Abstrahlung würde ich sogar vor einem Sensationell nicht zurückschrecken. Der Spühkopf ist recht geizig und lässt nur eine verhältnismäßig kleine Menge heraus, was gut so ist. Perfume Calligraphy hüllt seinen Träger ganz orientalisch in eine gehörige Duftwolke, die auch andere gut wahrnehmen dürften. Der Duft ist dabei offensiv, aber bei nicht penetrant-aufdinglich.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/aramis-perfume-calligraphy_k2.jpg)


Trotz meiner Begeisterung: Das Calligraphy verlässt die gewohnten Duftpfade schon recht deutlich und bleibt daher speziell, da wird mancher beim Testen wohl die Nase rümpfen.
Wobei: Sogar Günni -- langjährigen Forenmitgliedern hier in den Duft-Threads als Experte klassischer Herrencolognes bekannt, konnte sich bei einem Treffen im Frühjahr spontan zu einer Kaufentscheidung hinreißen lassen.

Für mich ist Aramis Perfume Calligraphy eine der Top-Neuentdeckungen der letzten zwei Jahre und einer der wenigen Düfte, von dem ich mir einen Backup-Flakon zugelegt habe.


Titel: Re: AW: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Hobeler am 24. August 2014, 21:38:00
Danke für die Vorstellung. Das Ombre Indigo hat mich gerade sehr gekitzelt. Klingt ganz nach meinem Geschmack. :)

Ich weiß, man kann auch selber suchen, aber vielleicht wäre ein Link zum Kaufen hilfreich. :) Vielleicht kann man die jeweils mit dazu setzen.
Titel: Re: AW: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 24. August 2014, 22:03:46
Zitat von: Hobeler am 24. August 2014, 21:38:00
Ich weiß, man kann auch selber suchen, aber vielleicht wäre ein Link zum Kaufen hilfreich. :) Vielleicht kann man die jeweils mit dazu setzen.

Da stimme ich Dir vorne wie hinten zu  :)
Ich hatte darüber nachgedacht, einen Link und den Preis anzugeben, dann allerdings davon abgesehen. Aktuelle Händlerlinks und Vergleichspreise kann man sich bei weiterführendem Interesse echt so einfach und schnell über Suchdienste erklicken, dass ich mir darüber keinen Kopf zu zerbrechen brauche.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Hobeler am 24. August 2014, 22:07:07
Da hast Du wahr. Google ist ja eigentlich narrensicher.  ;D
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 04. Oktober 2014, 17:19:07

Rhabarber ist das Thema des Signaturdufts von Aedes de Venustas, und zwar frisch geschnittener, bei dem die sauerherben Säfte zur Geltung kommen. Da ist nichts geschönt oder lieblich unterlegt, direkt nach dem Aufsprühen weht einem das herb-verwegene Aroma von soeben geschnittenem Rhabarber um die Nase. Oxalsäure ist wohl keine drin, aber man hat fast den Eindruck, als ob ein paar der Duftpartikel beim durch die Nase atmen die Schleimhäute kitzeln, wie man es von sauren Drops her kennt. Ein Hauch Weihrauch ist noch dabei – sonst rieche ich keine weiteren Duftuntermalungen heraus. Für mich ist dieser Duft was ganz hammergenialbesonderes für Herbst und Frühling. Gerade weil der so ungezügelt grün-fruchtig ist, wirkt er auf mich sehr männlich und unangepasst.

Der Flakon ist ein Augen- und Handschmeichler, so man opulenten Gefäßen etwas abgewinnen kann. Das aubergine gefärbte Glas ist leicht in sich verdreht und die Bügelabdeckung aus Metall wird über ein Scharnier zum Sprühen seitlich weggeklappt. Das Ganze steckt in einem Samtkarton. Die Optik passt zur Ladenpräsentation von Aedes de Venustas, wohl eine Art US-Gegenstück zu Aus Liebe zum Duft.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/aedes-de-venustas-aedes-de-venustas.jpg)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 11. Oktober 2014, 19:26:31

Chêne von Serge Lutens ist ein ausgeprägter monothematischer Holzduft. Man stelle sich einen holzverarbeitenden Betrieb vor, in dem sich den ganzen Tag frisch gesägte oder gehobelte Späne verschiedener Holzssorten auf einem Haufen sammeln. Darüber halte man seine Nase. Ich nehme da ein Potpourri von frischen, und somit noch saftiggrünen sowie gut gelagerten und daher trockenen Holzaromen wahr. Und weil nebenan Holz gewachst wird, weht ein ganz klein wenig einer Bienenwachsnote rüber – fertig. Wer den früheren Geruch der roten Hansaplast-Blechabroller mit dem braunen Klebeband drin kennt: Genau so knarzig riecht Chêne.

Gefallen könnte der Duft Männern, die es gerne holzig, erdig oder waldig mögen – etwa als Alternative zu Dr Harris Marlborough. Chêne gibt es derzeit wohl nur in der Glasglockenflakonserie von Serge Lutens und somit als Splash.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/serge-lutens-chene_k.jpg)

... besten Dank an das nette Forenmitglied, das mit den Duft besorgt hat.

Titel: Re: AW: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Hobeler am 11. Oktober 2014, 21:43:08
Wieder ein Duft der mich neugierig macht. Alleine schon diese wunderschöne Flasche wäre den Kaufpreis wert. Mal sehen wo man von dem Duft eine Probe bekommen kann. :)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Oberloser am 12. Oktober 2014, 12:10:36
Zitat von: SLB04 am 14. August 2014, 18:34:58
Was für großartige Vorstellungen von Düften. Macht einen direkt neugierig.

Bitte mehr davon! dh:

+1  dh:  dh:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 12. Oktober 2014, 15:01:15
Mir geht es genau so. Wenn ich solche Duftbeschreibungen lese, muss ich mich sehr beherrschen, nicht sofort nach dem Duft im Netz zu suchen und zu bestellen. Sehr schön und anregend! Danke!!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 12. Oktober 2014, 18:28:30

Besten Dank. Vielleicht liegt Euch ja auch ein Duft am Herzen, der hier Erwähnung finden könnte. So wie Oud Royal. Er ist - nicht zu verwechseln mit Oud Royal von Creed - der Rosen-Oud-Weihrauchschmeichler aus der Armani-Privé-Reihe. Die Rose mit Oud zu kombinieren und Weihrauch dazuzugeben ist beileibe keine Eigenschöpfung des Armani-Parfümeurs und dürfte dem ein oder anderen nur ein gelangweiltes ,,schon wieder einer"-Gähnen abringen, doch Oud Royal ist echt ein olfaktorisches Schmuckstück, einfach weil's so fein abgestimmt duftet.

Da kommt medizinisch Oud zu Weihrauch-Mhyrre und ein paar wenigen sonstigen orientalischen Sandelholzergänzugen in den dickflüssigen Sirup, dem dann eine gewisse Menge Rose zugesetzt wird. Von allem gerade so viel, dass es nicht zu viel ist. Das Oudaroma ist zwar potent, aber längst nicht so harsch wie es in vielen Montale-Düften rüberkommt. Weihrauch und Mhyrre sind düster, aber nicht böse. Und die Rose ist verhalten.

Wer solchen osmanischen Duftkombinationen gegenüber nicht generell abgeneigt ist, sollte hier UNBEDINGT probieren, da supergut gemacht, zu keinem Zeitpunkt aufdringlich und von Anfang bis Ende elegant.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Armani-Priv%C3%A9-Oud-Royal_k.jpg)



Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 12. Oktober 2014, 21:52:50
Tolle Beschreibungen erlesener Düfte baknip! Großartig!
Das Flakon des Oud Royal ist ja ein unglaublicher Blickfang!

Ein Duft den man kennen sollte, möchte ich in den Ring werfen. Er kommt aus der großen Duftfamilie der Vetiverdüfte: Vetiver Bourbon von Monotheme.

(http://up.picr.de/12134226vx.jpg)

Das Bild ist schon älter, das hübsche Flakon ist längst weniger gefüllt.
Ich schätze Vetiverdüfte sehr und benutze sie gern. Guerlains Vetiver dürfte jedem bekannt sein. Vielleicht auch Grey Vetiver von Tom Ford oder das überaus elegante Vetiver von Givenchy. Weniger bekannt ist das sehr preiswerte Vetiver Bourbon der italienischen Marke Monotheme, die einige überaus charmante Düfte im Programm hat. Wer Düfte sucht, die richtig krachen - wie etwa Carons Yatagan, der wird bei Monotheme möglicherweise nicht fündig. Wer aber Freund leichter Düfte ist, wird dort fündig.
Im Falle von Vetiver Bourbon bedeutet leicht keineswegs schwach. Vetiver Bourbon eröffnet mit einer zitrisch, bitter-krautigen Note und lässt zunächst das Vetiver im Hintergrund. Das kommt später hervor und eben nicht als erdig-düstere Drohung, vielmehr als Würze, die erkennen lässt, dass es ein Gras ist, was den Duftstoff liefert.
Der Zusatz Bourbon verweist auf Vetiver von Réunion. Wir wollen glauben, das von dieser Insel das beste und feinste Vetiveröl stammt....
Trotz seiner eher heiteren Leichtigkeit ist der Duft haltbar. Das Vetiver ruht auf einem Fundament aus Sandelholz und Eichenmoos, diese Mitspieler tragen den Duft über die Zeit.
Vetiver Bourbon ist für mich eine der gelungensten Vetiverkompositionen. Alles an diesem Duft ist harmonisch. Nichts wirkt provokant oder dissonant. Mit diesem Vetiver kann man auf der hellen Seite des Tages bleiben. Und das ist auch mal schön.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 12. Oktober 2014, 22:08:35
Zitat von: lotse am 12. Oktober 2014, 21:52:50
Der Zusatz Bourbon verweist auf Vetiver von Réunion. Wir wollen glauben, das von dieser Insel das beste und feinste Vetiveröl stammt....

Welch schöner kleiner Seitenhieb, wo gerade bei Düften - wie der zelebrierten Nassrasur überhaupt - mit der Leidenschaft auch das Glauben und die damit einhergehende Kraft der Suggestion wachsen.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 13. Oktober 2014, 09:53:28
Danke baknip für das Stichwort: Suggestion.
Parfums sind ja quasi flüssige Suggestionen. Duftgemälde wenn es geglückt ist, Zumutungen wenn es schiefging. Nicht immer ist dabei der Preis ein Garant für guten Duft. Es gibt eine ganze Reihe ambitionierter Designer, die in durchaus originelle Flakons mehr als durchschnittliche Mixturen verfüllen und dafür preislich sehr selbstbewusst auftreten. Ja, ich habe auch ein konkretes Beispiel: nu_be.
Aber darum soll es an dieser Stelle nicht gehen, denn wer will schon was von durchschnittlichen Düften lesen, man riecht sie schon oft genug.
Zurück zur Suggestion.
Eine beliebte Projektionsfläche von Träumen und Sehnsüchten ist das Meer. Das Meer ist groß und unüberschaubar, so auch die Zahl der Hoffnungen, Ängste und Sehnsüchte, die mit ihm verbunden werden. Es wundert also nicht, dass es einige Düfte gibt, die diese Sehnsüchte aufgreifen. Nach dem leichten und frisch-fröhlichen Vetiver von Monotheme soll heute hier ein Vetiver mit Küstenlinie auftreten dürfen: Sel de Vétiver von The Different Company.

(http://up.picr.de/19801193xq.jpg)

Hier haben wir ein Vetiver, was nicht hinterm Berg resp. der Düne bleibt. Wäre ja auch unpassend. An der Küste weht der Wind, die Wellen rauschen, niemand würde ein Vetiver vom Schlage des Vetiver Bourbon wahrnehmen. Nein, hier muss was Kräftiges her. Sel de Vétiver ist  da genau richtig. Ein kräftig, würziges Vetiverparfum mit einer ordentlichen Halbwertzeit. In deren Verlauf kann eine feine Nase allerhand Entdeckungen machen und wir bemerken, dass hier großes Orchester am Werk ist - auch wenn das zuerst nach Kammermusik aussieht. Hinter der durchweg präsenten und edlen Vetivernote, verbergen sich einige Überraschungen! Manchmal überrascht es mich mit einer durchaus blumigen Nuance, dann weht wieder Salzluft, es geht in jedem Fall der Wind in diesem Duft!
Was ich besonders an diesem Duft mag, ist der Restduft, der Duftschatten gewissermaßen. Das ist wirklich sehr erotisch, wenn das hier mal so gesagt werden darf.
Sel de Vétiver ist damit auch eher ein emotionaler Duft, keiner dieser Bürodüfte, die die Jedermannsnase erfreuen. Hinter diesem Duft steckt Haltung und Intelligenz. Beides Dinge die ich sehr schätze!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 16. November 2014, 11:11:08
Heute prasselt Regen gegen die Dachfenster meines Büros. Es ist Sonntag, das Tageslicht kommt über ein tristes Grau nicht hinaus und trotz der für meine Verhältnisse weit aufgedrehten Raumheizung will sich kein behagliches Gefühl einstellen. Genau an solchen Tagen kommt mir Amouage Fate Woman in den Sinn und in die Hand. ,,Woman" ist gar nicht wörtlich zu nehmen, vielmehr steht der Duft eigenständig neben der kantig-speziellen Männervariante von Fate und ist von Männern ebenso - wenn nicht gar besser - zu tragen wie das Men-Fate-Amouage von der Damenwelt.

Dieses Fate wärmt nicht durch Süße, sondern durch Gewürze, Hölzer, Harze und ein florales Bouquet. Alles ist ein wenig überladen, für unsere Nasen ein wenig altertümlich-fremd und für die Arbeit unter der Woche gar nicht gut geeignet. Erst am Abend oder Wochenende trumpft Fate Woman auf.

Ein wunderschöner würzig-wumsiger Orientale, der sich auf der Haut erst opulent festsetzt, dann ein wenig sanfter und damit kuscheliger wird. Die Blüten sind von Anfang an präsent, aber nur, um den Gesamtduft abzustimmen, nicht um ihn zu dominieren. Über den Duftverlauf, der sich bei sehr guter Haltbarkeit fast über den ganzen Tag erstreckt, sticht keine Note explizit heraus, aber die Mischung ist in meiner Nase einfach großartig.

Der Flakon mit doppelwandartigem Glas, Regenbogeneffekt, abgerundeten Ecken und Magnetverschluss gefällt mir.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Amouage-Fate-Woman_k.jpg)

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: titanus am 16. November 2014, 11:58:03

[/quote]

Welch schöner kleiner Seitenhieb, wo gerade bei Düften - wie der zelebrierten Nassrasur überhaupt - mit der Leidenschaft auch das Glauben und die damit einhergehende Kraft der Suggestion wachsen.
[/quote]

Da sprichst du ein weises Wort gelassen aus!


Ich bin froh, dass in diesem Faden die Kraft der Suggestion noch einigermaßen gezügelt abgeht.
Sonst kann ich Duftbeschreibungen eigentlich nicht lesen ohne das als Satire aufzufassen.

Beisp: Encre Noir von Lalique auf Perfumo.
Da stellt sich einer vor, dass es so riecht wie bei einem Holzschnitzer in der Südsee.
Ich kann versichern, dass es dort anders riecht. Manchmal natürlich nach Sandelholz, wenn dieses verarbeitet wird, was allerdings selten der Fall ist. Sandelholz ist aber nicht enthalten, sonder Kaschmirholz (das ist was?).
Und der tolle Flakon mit dem a) Ebenholz, B) Wengé Verschluß.
Ist natürlich billiges, schwarz gebeiztes Holz. Ebenholz und Wengé sind schon richtig tolle Hölzer- aber eben ganz anders.

Also meine Bitte: bleibt auf dem Teppich (auch du, Lotse), dann lese ich hier weiter interessiert mit.

Meine bescheidene Meinung...

titanus
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: makingthingssharp am 16. November 2014, 12:53:35
Hi Titanus, alter Bogenschnitzer  ;D ,

ich denke, das Empfinden von Düften ist wohl eine der individuellsten Angelegenheiten schlechthin.
Ich finde es vollkommen in Ordnung, wenn man hierbei Beschreibungen oder Bilder hinzuzieht, die ganz pragmatisch betrachtet gar nichts mit den realen Grundvorraussetzungen oder Gegebenheiten zu tun haben. Für den einen entstehen halt solche Bilder, wenn ihm (oder ihr) der Duft in die Nase steigt. Bei jemand anderem entstehen völlig andere Assoziationen. Es ist nunmal eine sehr abstrakte Geschichte.
Und der Duft des Meeres kann auch vom total vergammelten Fisch bis zur würzig, salzigen Brise so einiges abdecken. Es liegt immer im Auge des Betrachters, bzw. in der Nase des "Riechers" und seiner Vorstellungskraft.  :D
Kurz gesagt, jedem, so wie es ihm gefällt.
Letztendlich kommt man bei allen blumigen Beschreibungen um den Selbstversuch nicht herum und weiß auch wirklich erst dann, ob einem der Duft zusagt.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: kimeter am 16. November 2014, 12:53:53
@titanus

Wie würdest du mit eigenen Worten den Duft von Encre Noir von Lalique beschreiben?




Nebenbei bemerkt: Ich finde diesen Thread großartig! Sobald ein neuer Beitrag der Duftvorsteller kommt, lese ich mit großem Interesse diese Beiträge.

-Andreas
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: titanus am 16. November 2014, 13:14:54
Zitat von: kimeter am 16. November 2014, 12:53:53
@titanus

Wie würdest du mit eigenen Worten den Duft von Encre Noir von Lalique beschreiben?






-Andreas

Schwarz. Stumpf. Mono.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 16. November 2014, 14:42:30
Auch bei mir ist heute Regen das beherrschende Element des Wetters. Allerdings nicht prasselnd, sondern in Niesel-Aerosol-Form. Von dort ist also keine tröstende Wärme zu erwarten, so sie denn gebraucht würde.
Ein wärmender Duft, der mich seit einiger Zeit fesselt, ist Alkemi von Laboratorio Olfattivo.

(http://up.picr.de/20140253zz.jpg)

Die Düfte dieser kleinen, netten Parfummarke überzeugen durchweg mit Qualität. Die Flakons sind mmer gleich und gefallen mir aufgrund ihrer Einfachheit. Ich weiß, dass das nicht jeder so sieht. Sie passen aber sehr gut zum Inhalt - so auch in diesem Fall. Obwohl Alkemi seiner Zusammensetzung nach ein waschechter Orientale ist, kommt er doch klar strukturiert und ohne Schwülstigkeit daher. Alkemi ist ein Amberduft, ein süßer Amberduft, der von Weihrauch flankiert, weich-rauchig die Nase verwöhnt. Wenn Düfte farbig sein könnten, wäre dieser Duft orangerot lasierend auf einem Inkarnat aus gebrannter Sienna und der Erde aus Pozzuoli. Ich möchte diesen Duft tief einsaugen an Tagen wie heute. Ein Duft für die kühle Jahreszeit. Ein Schmeichler. Alltagstauglich aber prägnant.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: titanus am 16. November 2014, 15:54:00
Zitat von: lotse am 16. November 2014, 14:42:30
Wenn Düfte farbig sein könnten, wäre dieser Duft orangerot lasierend auf einem Inkarnat aus gebrannter Sienna und der Erde aus Pozzuoli.

Kein bisschen caput mortuum dabei?
In den Schatten?

Grüße

titanus
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Oberloser am 16. November 2014, 16:00:01
Düfte entfalten sich auf jeder Haut anders und das subjektive Empfinden jedes einzelnen Rezensenten etwa bei Parfumo kann immer nur ein Anhalt sein. Stimmung, Tages- und Jahreszeit sind nicht zu unterschätzende Faktoren bei der ersten Duftprobe. Will man nicht irgendwann in der Selbsthilfegruppe für Blindkäufer landen, gilt: dem Duft eine Chance geben, also unbedingt an mehreren Tagen auf der Haut testen und ihm Zeit geben, sich wirklich zu entwickeln.

Encre Noir erinnert mich unwillkürlich an das betörende White Moss von Acca Kappa mit seiner eleganten Frische, obwohl beide doch grundverschieden sind. Beides distinguierte, einzigartige und deshalb unverwechselbare Kreationen, die durch ihre harmonisch ausgewogene Einfachheit bestechen, ohne jedoch einfach zu wirken. Beide Düfte eint, dass sie sich wohltuend aus der Masse der OneMillion-Mainstreamdüfte abheben, weder süß noch blumig, fruchtig oder kräuterig riechen. Beide haben eine ausgesprochen starke Sillage und vernichten bei Überdosierung jedes Leben im Umkreis von 10 Metern.

Ich persönlich glaube auch nicht, dass man dieses schwarze Tintenfass mit drei Worten zutreffend beschreiben kann. Speziell bei dunklen, erdigen Vetiver Ladungen bin ich stets vorsichtig; durch die Verbindung mit dem frischen Zypressenduft und dem wärmenden Zugaben von Bourbonvetiver, Moschus und Kaschmirholz entsteht in diesem Fall auf meiner Haut jedoch eine einzigartig aromatische  Duftkomposition, holzig - erdig - kantig, die augenblicklich die suizidalen Gedanken in diesen trüben, regnerischen Tage vertreibt, mithin also genau das richtige für diese Novembertage. Unter dem Gesichtspunkt, dass das gegenwärtige, sensationelle PLV sogar einen schnellen Blindkauf rechtfertigt, sollte man sich also beeilen.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: titanus am 16. November 2014, 16:07:04
Zitat von: Oberloser am 16. November 2014, 16:00:01
.Beide haben eine ausgesprochen starke Sillage und vernichten bei Überdosierung jedes Leben im Umkreis von 10 Metern.


Genial!   dh: dh: dh:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 16. November 2014, 16:09:09
Zitat von: titanus am 16. November 2014, 15:54:00
[...]

Gähn - man muss einen Thread nicht lesen.
Schön, dass Du offensichtlich schlechte Laune hast.
Bitte erspare uns das Zuspammen dieses Fadens.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: titanus am 16. November 2014, 16:11:34
Zitat von: Oberloser am 16. November 2014, 16:00:01
Ich persönlich glaube auch nicht, dass man dieses schwarze Tintenfass mit drei Worten zutreffend beschreiben kann.

...Duftkomposition, holzig - erdig - kantig,

Sind jetzt auch nicht so viel mehr Worte.
Aber ok.  ;D

Es ist nicht meine Absicht, selbst Reviews zu schreiben. Dazu fehlen mir alle Voraussetzungen.
Weder bin ich Experte, noch habe ich davon Ahnung und auch keine Lust drauf.
Aber ich lese schon gerne mal mit und da fallen mir halt manchmal Dinge positiv (s. O.) oder negativ auf.
Und manchmal äußere ich mich dann auch dazu.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: titanus am 16. November 2014, 16:12:37
Zitat von: baknip am 16. November 2014, 16:09:09
Zitat von: titanus am 16. November 2014, 15:54:00
[...]

Gähn - man muss einen Thread nicht lesen.
Schön, dass Du offensichtlich schlechte Laune hast.
Bitte erspare uns das Zuspammen dieses Fadens.

OK
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 16. November 2014, 18:30:30
Zitat von: titanus am 16. November 2014, 15:54:00
Zitat von: lotse am 16. November 2014, 14:42:30
Wenn Düfte farbig sein könnten, wäre dieser Duft orangerot lasierend auf einem Inkarnat aus gebrannter Sienna und der Erde aus Pozzuoli.

Kein bisschen caput mortuum dabei?
In den Schatten?

Grüße

titanus

Caput mortuum eher nicht. Wenn, dann gebrannte Umbra. Ein wenig vielleicht.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 17. November 2014, 13:03:59
The Scent of Departure ist eine Serie von um die 20 Düften, die den Namen von Städten mit größerem Flughafen tragen. Die Parfums stecken in einem flachen, rechteckigen Flakon aus Glas mit großem transparentem Kopfstück. Beides ist von hinten mit einem Barcodestreifen samt IATA-Code beklebt, wie man ihn von der Gepäckabfertigung beim Fliegen kennt.

Eines der Fläschchen, die man im Netz für unter 30 Euro bekommt, fand meine Aufmerksamkeit: DBX Dubai, ein vollsynthetisch wirkender Duft, der so auch von Comme des Garçons stammen könnte – deren Odeurs lassen grüßen.

Nach dem Aufsprühen rieche ich was Chemisch-frisches, das mich die ganze Zeit die Nase auf den Handrücken legen lässt. Auch wenn der Hersteller einige Blütennoten, Oud und sogar Weihrauch in seiner Duftpyramide angibt, nehme ich keinen einzigen davon explizit wahr. Stattdessen etwas, das ständig zwischen frisch gewaschen, einer leichten Petrochemienote und trocken-synthetisch pendelt. Süße gibt es nicht. Hört sich vermutlich nicht sonderlich interessant an, ist allerdings durchaus spannend und für mich sehr anziehend, weil man das so in dieser Form im Alltag nicht in die Nase bekommt. Ein Probier-Tipp, wenn es mal was Unkonventionelles sein soll.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/The-Scent-of-Departure-Dubai-DXB.jpg)

Die zu den Departure-Düften vom Hersteller ausgedachte Story finde ich ziemlich albern: Man soll beim Aufsprühen die Atmosphäre der jeweils korrespondierenden Stadt wahrnehmen. Ich jedenfalls konnte beim Proberiechen in den meisten Fällen trotz Ablesens des Etiketts keine Beziehung zwischen Duft und Destination herstellen. Die überwiegende Zahl der Düfte fand ich einfach langweilig.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 25. November 2014, 12:03:13

Wer keine Zeit zum Plätzchenbacken hat, kann zu Dries van Noten par Frédéric Malle greifen. Zwei, drei Sprüher auf das Handgelenk oder den Halsbereich und man ist nach einigen Minuten von feinstem Biskuit umgeben. Die noch zu Beginn prominenten Zitrusaromen ziehen sich rasch zurück.

Bei zurückhaltender Dosierung nehmen cremiges Sandelholz, Patchouli, Tonkabohne und Vanille im von nun an geradlinigen Duftverlauf nicht überhand und so wirkt das auf mich ganz angenehm rund, zumal die Süße moderat ausfällt. Die Haltbarkeit ist beachtlich.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Den Träger des Dufts umgibt kein banaler Keks- oder klebriger Konditoreiduft, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenkaufen könnte, vielmehr so etwas wie ein warmer, balsamischer Wohlfühlduft mit Biskuit-Anmutung. Darin ist bestimmt das ein oder andere kluge Synthetikmolekül enthalten und so könnte dieses Dries van Noten par Frédéric Malle auch ein Dries van Noten par Comme des Garçons sein.

Das Flakon gefällt mir gut und die rote Verpackung steckt, wohl in Anlehnung Modedesigner Dries van Noten, in einer Leinenbox statt dem sonst bei Malle üblichen roten Umkarton.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Frederic-Malle-Dries-Van-Noten_k.jpg)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Onkel Hannes am 27. November 2014, 22:43:46
Ausgefallene Düfte, geile Fotos, klasse Beschreibungen - das gehört oben hin meines Erachtens. Ich erlaube mir das mal zu pinnen.
Hannes, Mod-Team
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Mecky messer am 30. November 2014, 10:41:46
Gestern bekommen,beide Düfte brauchen ca 45 Min bis sie sich auf der Haut richtig entwickelt haben.

http://www.ausliebezumduft.de/atelier-cologne-metal-collection-gold-leather.html

http://www.ausliebezumduft.de/les-liquides-imaginaires-bloody-wood-eau-sanguine.html
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 04. Dezember 2014, 16:03:02

Histoires de Parfums Petroleum. Ein kurioser Duft.

Zu Beginn kann man Oud erriechen, und zwar animalisches Oud, das nicht medizinisch, sondern ein wenig nach Kuhstall duftet. Dieser Eindruck legt sich nach ein paar Minuten und es entsteht ein Duftkonglomerat ohne Gegenstück natürlichen Ursprungs, aus dem nichts explizit herauszuriechen ist. Petrochemie, Harze und Aldehyde (synthetische Noten) ja, aber angenehm und weich, nicht klebrig, benzinig (wie bei Knize Ten) oder gar in meiner Nase widerlich. Die Komposition erinnert stark an das weiter oben vorgestellte The Scent of Departure: Dubai (DXB) vom selben Hersteller, ist aber deutlich intensiver und hält viel länger. Quasi der erwachsene Bruder von Dubai mit leichter Süße.

Der Duft ist stets präsent, kommt mir aber durchgehend leicht, luftig und transparent vor. Klingt bizarr, doch die Duftaura suggeriert mir aus einiger Entfernung gerochen den Eindruck von mariner Frische und Sauberkeit. Interessant, falls man gerade mal gar keine Lust auf Natur in der Nase hat, oder für andere Personen möglichst schwer greifbar sein möchte.

Wenn mich jemand nach einer dazu passenden Rasierseife fragen würde: D.R. Harris Marlborough ginge genauso wie Klar Kabinett (die Aldehyde schaffen einen leicht floralen Eindruck).

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Histoires_de_Parfums_Petroleum.jpg)

Zum Flakon: Drin sind 60 Milliliter statt der bei Histoires de Parfums sonst üblichen 120 Milliliter. Man hat einfach den Standardflakon neben dem Sprayer gekürzt und silbern beschichtet. An der Schnittfläche ist das Glas transparent.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 12. Dezember 2014, 21:18:50

Dezember ist der Monat, in dem auch bei Düften meiner Ansicht nach ein wenig Bling-Bling nicht schaden kann. Daher versucht ich bis zum Jahresende noch ein paar Düfte vorzustellen, die allesamt ein wenig ,,drüber" sind. ,,Viel hilft viel" soll das Motto lauten, gleich ob in Sachen Opulenz, Duftkonzentration, Flakondesign, Duftrichtung, Einstandspreis oder eben besagtem Bling-Bling-Faktor. Und ja, ich denke da an Sachen, die explizit nicht jedem gefallen werden (und sollen?), die polarisieren und bei denen es aber auch nicht schaden, mal davon gehört zu haben.

Los geht's mit Royal Delight von Creed, einem der Düfte, die noch aus der guten alten Zeit stammen, als es bei Creed von allem etwas mehr sein Dufte: Die volle Palette floraler Noten (insbesondere Jasmin und Veilchen), Leder (weich und nicht petrolartig), Bergamotte und Orange/Mandarine, Zimt und Nelken, Vanille sowie Animales (die berüchtigte Pipi-Note). Das Ganze ist unterlegt mit einer präsenten Süße und einer tageslangen Haltbarkeit bei guter, in den ersten Stunden raumfüllender Abstrahlung. Passt wie Glühwein prima zur kalten Jahreszeit und sorgt mit steigenden Temperaturen für Aufmerksamkeit. Weil das den Marketing-Creedys wohl alles nicht mehr so contemporary erschien, hat man Royal Delight zusammen mit einigen anderen Creed-Oldies aus den Regalen gefegt - Restflakons sind aber noch zu finden. Der gute Günni hatte den Duft hier im Forum an anderer Stelle schon mal gezeigt.

Zwar stammt der Duft wohl aus dem Jahr 1994, er mutet allerdings viel älter an. Hätte mir jemand erzählt, der wäre aus den 1970er Jahren, hätte mich das nicht gewundert.

Zwei Spitzer genügen, vier sind für mich zu viel, denn das ist kein Duft der leisen Töne. Nimmt man zu Beginn eine Nase, so kommt einem Royal Delight wegen seiner überbordenden Süße und den Blumen zunächst feminin vor. Nach 20, 30 Minuten drängen sich dann immer mehr Holznoten in den Vordergrund und die Sache wird schön maskulin.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Creed-Royal-Delight_k.jpg)

Bei diesem Duft genial eingearbeitet ist Zimt, wohl eine der seinerzeitigen Lieblingsindigrenzien bei Creed. Neben Royal Delight gibt es mit Ambre Cannelle einen nicht minder potenten Amber-Zimtduft, der jüngst ebenfalls vom Markt genommen wurde. Ein geniales Zeugs, das ich jedem ans Herz legen möchte, der maskulinen Zimt mag. Dann ist da noch Creeds Zimtduft mit dem wenig lippengängigen Namen Baie de Genievre Feuilles de Canneliers, der gegenüber Royal Delight und Ambre Cannelle fast karg daherkommt und eher was fürs Büro ist (kein Bling-Bling). Achja, besagtes Genievre-Canneliers ist natürlich mittlerweile auch eingestellt.


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 14. Dezember 2014, 20:34:47
Viel Rauch ums Früchtchen gibt es bei Tom Ford Plum Japonais aus der Private-Blend-Reihe, einem wunderbar warm-würzigen Obstduft. Man stelle sich frisch gesägtes Nadelholz als Basis vor, neben dem ein kräftiger, süßer roter Fruchtsud vor sich hinblubbert. Er ist mit Amber, Safran und einer Menge rauchigem Etwas angereichert und bereits sirupartig eingedickt. Genau so könnte ich mir Plum Japonais vorstellen: Wumsig, kraftvoll und schmuseschön, aber in keiner Weise penetrant wie Fords Vorzeige-Private-Blend Tobacco Vanille. Die Räucherstäbchennote macht den Duft maskulin.

Diesen modernen Gute-Laune-Duft sehe ich an Männern gleich ob 18 und Club, Weihnachtsmarkt mit Freunden oder Sonntagspaziergang mit den Enkeln. Für mich einer der besten Private Blends der Marke Tom Ford.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Tom-Ford-Plum-Japonais_k.jpg)

Edit: Disco durch Club ersetzt - mir fiel zu spät ein, dass ich alt werden
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 21. Dezember 2014, 15:21:42

Eine Krone als Luxusmarkenemblem kennt kann vor allem von Rolex, bei Düften zieren die Flakons des Briten Clive Christian ein Krönchen. Allerdings nicht seit Ewigkeiten, sondern erst, nachdem der gute Mann, dem eigenen Vernehmen nach ein in Großbritannien wohlbekannter Innenausstatter, die britische Traditionsmarke Crown Perfumery mit Gründungsjahr 1872 übernommen hat, um an eben jede Kronenflakons und Crown-"Tradition" zu kommen.

Bei goldenen oder kristallenen Krönchen denke ich an den Pseudo-Luxus-Tinnef, mit dem Harald Glö(ö)ckler hierzulande den Markt überschwemmt. Für die Düfte von Clive Christian soll man als Käufer dagegen richtig Kohle investieren. Wohl deshalb hat man die bisherigen Düfte der Crown Perfumery nach der Markenübernahme kurzerhand verkauft, um von nun an neue Düfte unter dem provokanten Slogan "The Worlds Most Expensive Perfume" zu lancieren.

Teuer als vornehmliche Markeneigenschaft finde ich ziemlich lächerlich, konnte mich als parfüminteressierter Mensch aber auf Dauer dennoch nicht verschrecken lassen, die paar Herrendüfte mal zu probieren. Dafür fand ich das Set mit drei wohlverarbeiteten 10-Milliliter-Flakons der Düfte No. 1 Men, X Men und 1872 Men in der schwarzen Klappbox geeignet. Der Preis von 260 Euro ist dafür gelinde gesagt unappetitlich. Zum Vergleich: Der Einsteiger-Fakon von No. 1 Men mit 50 Milliliter kostet absurde 680 Euro, X Men 295 Euro und 1872 Men mutet mit 260 Euro im Clive-Christian-Kosmos fast wie ein Schnäppchen an. Weil 680 Euro für Superreiche wohl eher in die Trinkgeldkategorie fällt, nötigt mir unter Vermarktungsgesichtspunkten Respekt ab, wie man mit viel Chuzpe (noch) reichen Russen und Arabern an die Geldbörse geht: Das No. 1 Men gibt es in verschiedenen Editionen mit allerlei aus dem Empire entlehnten Namenszusätzen, wobei das No. 1 Men Imperial Majesty zum sechsstelligen Betrag die Deckelung nach oben bildet.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Clive-Christian-Men_k.jpg)


Genug Vorgeplänkel, es geht schließlich darum, wie die Düfte denn nun riechen. No. 1 for Men im goldenen Flakon ist ein waschechter Orientale mit viel floralen Elementen. Vor allem Jasmin, Iris und Rose kann man rausriechen, die übrigen Blütennoten vermischen sich zu einem floralen Bouquet auf holzig-gewürzigem Untergrund, das mir heutzutage nicht mehr zeitgemäß erscheint und nur Liebhaber entsprechender Parfüms entzücken dürfte. Der Duft wirkt pudrig-schwülstig, ist überaus komplex und kein Bisschen luftig-leicht. Nix fürs Büro, aber ein Kracher für alles andere – gefällt mir mit seiner überzogenen Art sehr gut. Allerdings gibt es meines Erachtens ähnliches etwa mit Amouage Gold Man in vergleichbarer Qualität viel günstiger.

Das komplette Gegenteil ist 1872 Men im dunkelgrünen Flakon: Ein moderner grüner Zitrusduft mit klassischem Cologne-Einschlag und dezentem Weihrauchharz im Hintergrund. Prima untertags für Arbeit und Freizeit, wenn man nirgendwo anecken mag. Eben ein Duft ohne großen Paukenschlag oder Glamour, aber durchaus mit dem gewissen Etwas. Wie bei No. 1 ist die Haltbarkeit sehr gut. 1872 Men stammt übrigens von Geza Schön, der sich als Parfümeur von transparent-leichten Düften einen Namen gemacht hat – auf dieser Linie liegt auch 1872 Men.

X Men im schwarzen Flakon empfinde ich ob seiner schlechten Haltbarkeit als das Sorgenkind des Trios: Ein angenehmer dunkler Weihrauchduft mit Zedernholz, Vetiver, Eichenmoos und Amber, aufgehellt durch Zitrusnoten und Ingwer. Der Weihrauch besteht aus wenig Rauch und viel Harz, ein paar Frucht- und Blütennoten machen die Mischung rund und weich. Die üblichen Ecken und Kanten, wie sie sonst bei vielen Weihrauchdüften vorkommen und manchen verschrecken, gibt es für meine Nase nicht. Die große Schwachstelle von X Men ist seine Flüchtigkeit: Schon nach einer, spätestens zwei Stunden flacht der Duft bei mir erheblich ab und ich müsste nachsprühen :-( Ansonsten ist nach drei Stunden nichts mehr da.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 13. Juli 2015, 00:36:46

Unter den Lavendeldüften gibt es am einen Ende die krautigen, die den Lavendel in seiner herben, an Rosmarin erinnernden Natürlichkeit in den Vordergrund stellen. Lohses Uralt Lavendel fällt mir da exemplarisch ein oder Penhaligon's Lavandula. Und dann gibt es die Lavendeldüfte, die zwar Lavendel ins Zentrum stellen, drumherum aber schöne Weichmacher legen – Caron pour un Homme mit Vanille etwa. Spigo von Bois 1920, um den es hier gehen soll,  zähle ich zur zweiten Gruppe.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Bois-1920-Spigo-Deckel.jpg)


Ein freundlicher Gutelauneduft, der mir italienisches Lebensgefühl suggeriert: Viel milder Lavendel, ein wenig Holz, etwas Cremiges, das den Duftverlauf bis zum Ende begleitet und prägt, und ein paar dezente Blümchen drumherum - so könnte ein smarter Gentlemen im italienischen Frühsommer duften. Das ganze steckt in einem für mich extrem attraktiven Flakon, der toll in der Hand liegt und - sofern man sich mit der Flakonfarbe anfreunden kann - auch im Regal einiges hermacht.

Von dem ganzen Klimbim an übrigen Zutaten, den der Hersteller auf seiner Website angibt, rieche ich nichts, und ich vermisse auch nichts davon.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Bois-1920-Spigo.jpg)

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 22. Juli 2015, 11:45:12

Der heiß-schwüle Sommer ist wie gemacht für Zitrusdüfte, die Abkühlung und Frischekick zugleich versprechen. Soll es nicht Zitrus pur sein, sind Düfte mit Caipirinha-, Margarita- oder Mojito-Akkord eine spannende Sache. Gemeint sind freundlich grüne Schönwetterdüfte, die fruchtig-sanft daherkommen und sommerlich-synthetische Leichtigkeit verbreiten. Klar ist der Cocktailgetränkebezug vor allem Marketinggesäusel, doch die Duftmischung aus Limonen, ein wenig Kokos-, Melonen- oder sonstiger Fruchtsüße, jeder Menge Moschus und einer ausgeprägten Alkoholnote erinnert durchaus an einen Tropical.
Drei Düfte, die in diese Richtung gehen und die ich ganz gut gemacht finde, sind Guerlains Aqua Allegoria Limon Verde, Coney Island von Bond No.9 und CK One Summer 2014 von Calvin Klein. Am gefälligsten ist für meinen Geschmack die Sommervariante 2014 von CK One (Achtung: bei der 2015-Edition handelt es sich um einen anderen Duft). Ausgewogenes Verhältnis von Frucht, Süße und vor allem hintenraus Moschus mit wenig Kokos – ich mag diese Mischung.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Guerlain-Aqua-Allegoria-Limon-Verde-Coney-Island-Bond-No.jpg)

Bei Limon Verde aus der Aqua-Allegoria-Reihe kommt das Kokos mehr raus, allerdings für Männer tragbares Fruchtkokos, nicht Kokos im Stil unsäglicher Autolufterfrischer oder 08/15-Bodylotions. Coney Island von Bond No.9 ist besonders spritzig durch die Einbindung von etwas, das mich an L'Eau d'Issey erinnert, und wird nach einer Weile cremig. Erinnert mich unterm Strich an ein Gletschereisbonbon.

In Sachen Haltbarkeit verweist der teure Bond die beiden Mitstreiter auf die Hinterbank. Das lässt sich relativieren, denn zum Anschaffungspreis von Coney Island kann man gleich mehrere CK-Flakons kaufen und großzügig nachsprühen.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 08. Januar 2017, 10:07:48

Ein kleiner, unscheinbarer Parfum-Stick mit gerade mal 10 Millilitern Inhalt beschert mit dieser kalten Tage ein schönes orientalisches Wärmegefühl. Er enthält Marrakech Intense von Aesop. Da gibt es ein Sammelsurium an Gewürzen, von denen vor allem die staubige Nelke und solche hervortreten, die ich aus Kardamon-Kaffeegewürzmischungen kenne. Die Gewürze ruhen auf einem dicken Sockel aus Sandelholz und ein wenig Blüten, letztere runden die Sachen ab, ohne selbst dominant zu sein. Das alles kommt holzig-trocken und für meine Nase ohne jede Süße daher. Das finde ich klasse, doch es dürfte manchem ein wenig zu harsch-herb mit minimal säuerlichem Touch sein. Mir gefällt das Fehlen von süßen Noten und wie dieser Unisex-Duft nach dem Aufrollen auf die Haut (im Kopf des Flakon-Sticks befindet sich eine kleine Edelstahlkugel) binnen zehn Minuten an Fahrt gewinnt, bevor er so wahrnehmbar ist, wie er dann über Stunden bleibt. Eine große Duftveränderung findet nicht statt, hinten raus wird der Duft ein wenig weicher. Frisch, wie Aesop durch die Angabe von Bergamotte suggeriert, riecht Marrakech Intense bei mir erfreulicherweise ganz und gar nicht :-)


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Aesop-Marrakech-Intense-Koraat-Damast.jpg)

Das Aesop könnte so oder so ähnlich auch gut in die Reihe der Serge-Lutens-Gewürzdüfte passen (Arabie, Chergui). Seine Abstrahlung kommt mir ein wenig dezenter als die von Arabie oder Chergui vor.

Als Alternative zur Parfum-Konzentration gibt's Marrakech Intense zum fast identischen Preis auch als Eau de Toilette mit 50 Millilitern für alle, die lieber sprühen als rollen. Das Eau de Toilette habe ich nicht probiert.


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 13. Januar 2017, 20:08:11
Das hört sich vielversprechend an.
Danach muss ich mich mal umriechen.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 13. Januar 2017, 20:25:04

Veilchen finden sich hierzulande meist in Form von Stiefmütterchen als Grabbepflanzung. Zu haben sind Veilchen bei uns auch als Pastillen, allerdings sind die wenig populär und meist entweder in der Apotheke zu finden oder hübsch verpackt als Bonbons mit Retro-Touch. Und es gibt Veilchendüfte, sogar für Herren, doch die sind seit der Rezepturänderung von Diors Fahrenheit noch seltener als besagte Pastillen anzutreffen. Trumpers Ajaccio Violets mit seinem leuchtenden Grün dürfte dem ein oder anderen eventuell schon mal aufgefallen sein, zumindest im Web, denn in Parfümerien und echten Läden mit Rasurzubehör ist er mir kaum untergekommen.

Auch Guerlain hat ein Veilchenparfüm für Herren mit dem schönen Namen Arsene Lupin Dandy im Duftprogramm, vielmehr eigentlich gerade nicht mehr, denn man hat sich jüngst entschlossen, ausgerechnet dieses feine Kleinod aus dem Programm zu nehmen. In der Auslaufphase ist es aber noch zu bekommen, zumindest in den Maison-Guerlain-Geschäften, denn nur hier war es seit jeher zu haben, um dem Wässerchen (zu Unrecht) einen Auftritt abseits des Massenpublikum zu verschaffen. Und vermutlich, um die stolzen 210 Euro zu rechtfertigen, die es für Arsene Lupin Dandy zu entrichten gilt (oder galt).

Gegenwert dieser Investition ist neben einem unpraktischen Flakon - mehr dazu gleich - ein Aubergine eingefärbter, holzig-floraler Gentlemen-Duft (für mich tatsächlich Gentlemen) mit dem Gewissen etwas für erwachsene Männer. Er spannt einen wunderschönen Bogen zwischen holzig-würzigen Herrendüften, der typischen Guerlain-Essenz wie in Mitsouko und Jicky und dem fruchtig-floralen Veilchen, das ein wenig Puder abbekommen hat.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Guerlain-Arsene-Lupin-Dandy.jpg)


Und wie genau riecht das? Ziemlich edel. Erst nach Hölzern mit ein wenig Zitrus, dann nach Hölzern mit blassen Kräutern, dann auch ein wenig fruchtig-pudrig - und stets  und permanent präsent sind Veilchenpastillen. Und wer mag das? Abgesehen von mir :-) möglicherweise geschätzte Nassrasurkollegen, die ein Herz für Omas Vieleichen übrig haben, an unkonventionellen britischen Herrenparfums Gefallen finden und klassischen Guerlain-Düftem etwas abgewinnen können.

Der Flakon mit dem Holzrahmen drumherum – ja. Er wirkt auf mich ein klein wenig grobschlächtig und liegt schlecht in der Hand. Der Rahmen sorgt geradezu für eine verkrampfte Haltung beim Sprühen. Ich mag ich nicht. Wobei ich nicht absprechen kann, dass die einstmals vier Düfte von Guerlains Les-Parisiens-Reihe (Arsene Lupin Dandy, Arsene Lupin Voyou, Chamade und Derby) mit ihren unterschiedlich gebeizten Holzrahmen unmittelbar nebeneinandergestellt durchaus gefallen können.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 21. Mai 2017, 09:10:45
Wie schreibe ich vernünftig über ein Parfum, das ich über viele Jahre so toll finde, und sage gleichzeitig, dass es ein Duftmärchen der Alten Welt ist?

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Creed-Royal-English-Leather-Etikett.jpg)

Geradeaus ist Royal English Leather von Creed ein großer, altmodischer Blumenstrauß, alleine einem ebenso großen Stück Lederseife unterstellt. Diese hat ein paar Gewürze wie Zimt an Bord, riecht aber hauptsächlich nach Lederseife. Anders ausgedrückt springt einen ein alles dominierender floraler Amber-Akkord an und es dauert einen Augenblick, bis man das seifige Leder wahrnimmt. Ihm merkt man seine tierische Herkunft an, die trotz aller Blumen und der Seife nicht kaschiert wird. Ein wenig Ylan Ylang gibt dem Ganzen eine menschliche Note. Das ist ganz wundervolle alte Schule, so schwülstig müssen die 1920er Jahre in im Vereinigten Königreich gerochen haben. Und ist anders als Knize Tens derbes Leder mit Schuhcreme, auch wenn die Richtig ähnlich ist eher seifiges Handschuhleder, und mit Neuzeitleder wie in Tom Ford Tuscany Leather oder den dünnen Lederhandschuhen à la Hermes nicht zu vergleichen.


Diskret ist anders. Die Projektion des Creed-Oldies ist gerade in den ersten zwei Stunden kraftvoll und auch danach ist REL gut zu Riechen. Beim Erstkontakt wirkt das Blümerante ein wenig wie Fruchtkaugummi oder Bonbons. Auf Kleidungsstücken ist der Duft auch am nächsten Tag gut auszumachen.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Creed-Royal-English-Leather-Flakon.jpg)


Gemeinhin lässt sich sagen, Royal English Leather in den Herbst und Winter passt. Im Frühjahr trumpft der majestätisch auf und in der heißen Jahreszeit ist er etwas für Liebhaber (Bäng!). In meinem Kopf haben sich über die vielen Jahre, die Royal English Leather zum engsten Kreis meiner Lieblingsparfums zählt, fiktive Bilder von Statthaltern der britischen Krone eingebrannt, die sich mit dicksten Bauch in praller Sonne schweißgebadet und von Moskitos belagert durch Kolonien des indischen Subkontinents plagen und dabei Royal English Leather im Reisegepäck haben, um zumindest olfaktorisch die Form zu wahren. Das alles ist natürlich Quatsch, denn Royal English Leather ist ein Kind der 1970er Jahre. Ebenso quatsch sind all die Marketingmärchen, die der Hersteller Creed diesem und vielen weiteren Dürfte angedichtet hat. Die Ammenmärchen mindern die Qualität nicht im mindesten.

Ein Duft für Nassrasierer mit Faible fürs Altmodische und florale Männer-Knallbonbons und ein herrliches Gegen-Statement zu den Düften der Neuzeit.


Die graue Verschlusskappe besagt - leider, dass es sich um einen jener Düfte handelt, die Creeds Marketingstrategen wohl aus monetären Gründen am Ende ihrer Lebenszeit sehen.

Cuir Cannage von Dior ist Royal English Leather sehr ähnlich - der gefällt mir auch sehr gut.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 31. Oktober 2017, 11:39:37

Draußen windet es mächtig. Die Herbstpflanzen in ihren Töpfen fallen um, das Laub weht durch die Luft und zwischen den Regenwolken funkelt stellenweise die Sonnen durch. Zum rauen Wetter habe ich mir einen rauen Duft ausgesucht, dem Wind, Regen, Sonne und auch sonst wenig anhaben kann.

Zum Aufsprühen bedarf es einer ruhigen Hand. Der Doppelglas-Flakon von Aeon 001 ist unten offen. Will sagen, der gesamte Innenflakon mit dem Duft ist nur am Kragen des Flakons befestigt. Das sieht nicht nur empfindlich aus, sondern ist es dem Beipackzettel und der dicken Transportsicherung nach, die das Innere vor versehentlichem Brechen sicher soll, wohl auch. Der Flakon in Laboroptik wirkt wie die einem Agentenfilm entsprungene Giftphiole.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Aeon-001.jpg)

Das Äußere passt zum Inneren. Willkommen im Club der Stinker. Wer es exzentrisch mag, ist hier richtig. Es geht allerdings nicht in die klassische Stinkerrichtung für den nassrasierenden Herrn im Stil von Kouros, Jules, Orange Spice, Absolue pour le Soire, Musk Blend No. 1, Muscs Koublaï Khän, Musc Ravageur oder dem erstklassigen Lui. Aeon 001 ist ganz anders, nämlich ein animalisch wirkender, ausgesprochen komplexer Blütenrausch.

Das Aeon lässt sich für mich am besten als Vase voller Lilien beschreiben. Die stehen nicht in frischem Wasser, vielmehr hat die Vase schon vielen anderen Blüten beherbergt. Die Pflanzstile haben das Wasser zur Brühe gemacht. Auch die Lilien haben ihre beste Zeit längst hinter sich. Die Köpf hängen, Blütenpollen färben seit Tagen alles rings um die Vase goldgelb und das Wasser ist von Fäulnisprozessen trübschleimig und dünstet aus. Die Kombination mit dem leicht aasigen Aroma der sterbenden Lilien kommt Aeon 001 schon recht nahe.

Klingt unkonventionell und ist es auch. Nicht Dur, sondern Moll. Gedacht ist der Duft wohl eher nicht zum Aufsprühen und die Nase anschließend direkt in die Haut einzutauchen. Aeon 001 wirkt auf Distanz am besten. Dann kann die animalisch- säuerlich-würzige Mischung offene Menschen, hmm -zumindest betören.

Der Duft ist übrigens von Antonio Gardoni und Bruno Fazzolari, was nur insofern relevant ist, dass die beiden mit polarisierenden Schöpfungen eine gewisse Bekanntheit erlangt haben. Einfach mal unvoreingenommen ausprobieren. Gilt übrigens auch für den Schwesterstinker Maai von Bogue Profumo, der ebenfalls die Partitur der blümeranten Sterbetöne bedient.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Rasierwasser am 31. Oktober 2017, 13:10:07
@baknip, ich lese Deine interessanten Parfümkommentare mit grossem Genuss.  dh:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: kimeter am 31. Oktober 2017, 14:26:03
Volle Zustimmung! Erscheint ein neuer Beitrag, wird er direkt gelesen.  


@baknip
Hast Du auch "leichtere" Düfte, wie zum Beispiel Acca Kappa White Moss? Kennst Du etwas vergleichbares? Solltest Du mal einen Duft vorstellen der in diese Richtung geht, würde mich das sehr freuen.

-Andreas
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: titanus am 31. Oktober 2017, 14:40:04
Zitat von: Rasierwasser am 31. Oktober 2017, 13:10:07
@baknip, ich lese Deine interessanten Parfümkommentare mit grossem Genuss.  dh:

Genau!
Aber dieser macht jetzt nicht wirklich Lust, ihn zu testen  ;)

Grüße

titanus
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Hobel Stef am 31. Oktober 2017, 15:15:20
Zitat von: Rasierwasser am 31. Oktober 2017, 13:10:07
@baknip, ich lese Deine interessanten Parfümkommentare mit grossem Genuss.  dh:

Dem kann Ich mich auch nur voll und ganz anschliessen. Ich finde es sehr spannend wie jemand derart facettenreich Düfte beschreiben kann und freue mich schon auf die kommenden Beiträge!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Oberloser am 12. November 2017, 11:48:40
Zitat von: kimeter am 31. Oktober 2017, 14:26:03
@baknip
Hast Du auch "leichtere" Düfte, wie zum Beispiel Acca Kappa White Moss? Kennst Du etwas vergleichbares? Solltest Du mal einen Duft vorstellen der in diese Richtung geht, würde mich das sehr freuen.

Unser Maître des Parfums baknip wird dir sicher noch antworten, Andreas.
Einstweilen könntest du im Body Shop mal das vergleichsweise preiswerte  White Musk EdT (https://www.thebodyshop.com/de-de/duefte/eau-de-toilette/white-musk-eau-de-toilette/p/p000046) testen. Dieser elegante Unisex-Duft verkörpert das, was ich als "leicht" interpretiere, will sagen: er ist um einiges dezenter - die Sillage ist nicht so intensiv wie beim Muschio Bianco und auf meiner Haut auch nicht so lange wahrnehmbar. Gleichwohl entfacht er bei mir auch dieses Gefühl von Sauberkeit und Frische, es gibt ihn auch als EdP und er ist zu jedem Anlass tragbar.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 12. November 2017, 12:38:03
Zitat von: kimeter am 31. Oktober 2017, 14:26:03
Hast Du auch "leichtere" Düfte, wie zum Beispiel Acca Kappa White Moss? Kennst Du etwas vergleichbares? Solltest Du mal einen Duft vorstellen der in diese Richtung geht, würde mich das sehr freuen.

Lieber kimeter, lieber Andreas - einen direkt mit White Moss vergleichbaren Duft kenne ich nicht. Bei mir aktiviert Acca Kappa die Assoziation Baumwollwäsche nach dem klassischen Stärken und Bügeln. Frisch, rein, sauber wie Bettwäsche in der Manglerei (in dem kleinen Betrieb in der Nähe meines Büros, an dessen offenen Fenstern ich täglich vorbeigehe, wird direkt an einer riesigen alten Miele-Mangel geraucht (!), doch der Zigarettenqualm geht am Fenster im warmen Wäscheduft unter).

Gut gemachte Sauber- und Waschmitteldüfte, die an sich auch in diese Richtung gehen, gibt es  einige. Mir gefallen beispielsweise Aqua Universalis Forte bzw. Aqua Universalis (Kurkdjian), Chemise Blanche (LM Parfums) oder Anyway (Juliette Has A Gun). Allerdings gehört zu diesen Düften eine cremige Komponente. White Moss hat dagegen obenauf etwas Kühles, das den Eindruck von Gebirgsbach oder Eiswürfel erzeugt und den Korpus von der ersten Minute an bis zum Ausklingen begleitet. Er ist es wohl auch, der das Acca Kappa auf der Haut auch nach Stunden so frisch rüberkommen lässt, wenn der Duft nur noch leicht wahrnehmbar ist.

Denke, dass ist es auch, was White Moss bei Männern beliebt macht, während andere Sauberdüfte mehr in die feminine Richtung geschoben werden. ,,Natürlich" riecht für mich bei White Moss übrigens nichts, das ist für meine Nase ein rein synthetisch anmutender Duft, der seine empfundene Natürlichkeit durch Assoziation erhält. Die Duftpyramide ist für mich reine Fiktion. Doch was juckt das, wenn so was Feines rauskommt.

Habe mich mit dem guten Guilty darüber unterhalten, was jemandem, der White Moss ernsthaft mag, noch gefallen könnte. Herausgekommen sind zwei schnörkelfreie Düfte, die einen Test wert sein könnten:

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Acca-Kappa-Gendarme-Delcaration_mr.jpg)


Cartier Declaration: Ich habe hier einen älteren Flakon und nun mehrmals die Parallelprobe zu White Moss gemacht. Ignoriere den unschönen Flakon mit dem unpraktischen Sprüher und auch den Hersteller: Auf der Haut kann das mir vorliegende klassische Declaration Eau de Toilette ohne weitere Namenszusätze eine Sauber- und Frisch-Aura schaffen, die Gefallen könnte.

Gendarme von Gendarme: Das Ding war angeblich bei den Amis mal recht angesagt, weil es wohl ohne allergene Inhaltsstoffe ist/war und niemanden nerven sollte. Neuer Name ist Gendarme Classic und ich hoffe, die haben nur den Namen und nicht den Inhalt geändert. Ist etwas weicher als das Acca Kappa.


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 17. November 2017, 18:33:05

Lust auf ein fast immer tragbares Eau de Fougère-Cologne für nach der gepflegten Nassrasur? Dann könnte ein Blick auf die grüne Insel und die Töpfe der Fragrances of Ireland lohnen. In einem davon braut man Patrick, eine Art ,,Sir Irish Moos" - nur in authentisch und wirklich von dort. So frisch-würzig, so klassisch, so leicht riecht das.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Fragrances-of-Ireland-Patrick.jpg)


Schnörkellos und ungezwungen wirkt Patrick zwischen all den namhaften Traditionsherrendüften. Die Mixtur machen vor allem Kräuter, Moose und Vetiver aus. Und weil drin ist, was draufsteht, meine ich im Hintergrund ein Bisserl typische Cologne-Basis à la 4711 aufzuschnappen. Das väterliche Patrick macht also weder Creed Green Irish Tweed Konkurrenz noch modernen Frischedüften.
Der Flakon in Flachmannanmutung ist ebenso geraderaus wie die einfache Umverpackung. Das ganze gibt's für ehrliche unter 30 Euro direkt von der Insel geliefert, und inzwischen auch von einigen Versendern.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Platzger am 18. November 2017, 09:23:54
baknip, wie immer wunderbare Duftbeschreibungen. Vielen Dank, dass du dir immer die Zeit dafür nimmst.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 03. Dezember 2017, 10:53:52

Runter von der grünen Insel und italienischer Dauerfrische, rüber nach Großbritannien. Ich empfinde es als Glücksfall, einen meiner Lieblingsdüfte gleich in mehreren Variationen verwenden zu können. Er steht mir als kleiner Raubauz für ungezwungene Tage wie heute mit Schneefall vor der Türe zur Verfügung. Als britischer Edelmann im schwarzen Gewand begleitet er mich manchmal ins Büro. Dabei verzeiht er mir mit übertrieben höflichem britischen Snobismus alle Ausprägungen von Casual Wear einschließlich Jeans. Und wenn ich ihn ganz geballt für mich alleine haben will, darf es auch ein Bisschen drüber sein. Dann nehme ich Variante Nummer drei im Bling-Bling-Flakon aus seinem lila gefütterten Kartonsockel und sprühe 4x: 2x links und 2x rechts. Wumms, definitiv viel zu viel, aber es ist nur für mich und so gerade recht. Leitspruch so in etwa: Viel hilft viel.

Der Raubauz ist Bel Ami von Hermès, ein etwas altmodisch anmutender Würzlederduft. Geht in Richtung alte, aber hochwertige braune Lederjacke mit Tragespuren, die zuletzt ein klein wenig feucht-muffig wurde, und ein paar Tage im Gewürzbasar lag. Der Staub ist teilweise noch dran. Das leicht muffige gibt dem Leder einen animalischen Touch und lässt Bel Ami so genial maskulin rüberkommen. Dichtes Brusthaar erlaubt, lichtes Haar auch, gerne ü35. Duftintensität anfangs hoch, die Haltbarkeit ist super, vor allem bei den älteren Flakons.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Bel-Ami-Puredistance-M-Roja-Fetish.jpg)


Einiges an gewollter Distanz zum wunderschönen Freund wahrt Puredistance M von Puredistance Parfums. So riecht wohl britannische Lederendverarbeitung. Auch ein würziger Lederduft und eng mit Bel Ami verwandt. Er wirkt einen ticken moderner, ohne konservativen englischen Boden zu verlassen. Puredistance M ist tiefdunkles Leder mit Zimt, Nelke, Rauch, herber Vanille, und ungemein elegant. Als hätte man dem Leder etwas konzentrierten Bay Rum ein paar Tropfen Extractis Animalis Concentratis beigemischt. Und - falls man das überhaupt über einen Duft sagen kann - er strahlt eine gewisse Hochnäsigkeit aus. Dazu passt, dass Puredistance M in Sachen Verpackung auf unheimlich fein macht. Da gibt es einmal den dicken silberfarbenen Reagenzglasflakon mit gerade mal 17,5 Milliliter Duftessenz. Er steckt in einem mattgrauen Leinenpapierschuber zum doppelt aufklappen, innen gepolstert ausgeschlagen mit schwarzem Glanzstoff. Der Schuber wiederum steckt einem schlichten schwarzen Umkarton. Dazu gibt es ein passendes schwarzes Alu-Transportröhrchen für unterwegs. Weitere Größen sind 60 Milliliter (im ähnlichen Schuber verpackt) und 100 Milliliter mit einfachem Lederstülper. Ihr merkt schon, ich kann nicht verbergen, dass ich in diesem Fall auf das ganze Verpackungs-Chichi stehe, weil es gut passt. Die Duftintensität ist lange Zeit hoch, die Haltbarkeit ist super.

Noch eine Schippe drauf legt Roja Parfums Fetish pour Homme. Auch ein Würzlederduft, der vor Opulenz nur so strotzt und durch seine Intensität ein kleinwenig vulgär rüberkommt. Im Vergleich zum fein abgestimmten Puredistance M gibt es raumergreifendes Leder, mehr Gewürze und eine intensive animalische Note. Den Namen empfinde ich als dämlich, den Duft famos. Die Duftintensität ist bei mir sehr lange sehr hoch, die Haltbarkeit bestens, vor allem in er Extrait-Variante. Das Eau de Parfum ist nicht so intensiv-anhaltend.
Das Packaging bei Fetish pour Homme mit Glitzersteinen am Deckel wirkt absurd und auf Protz getrimmt, bleibt ansonsten allerdings im üblichen Rahmen dieser Marke.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Bel-Ami-Puredistance-M-Roja-Fetish-mit-Beschriftung.jpg)


Bel Ami hat den beiden später erschienenen Düften als Blaupause gedient. Roja Dove, unter dessen Fuchtel Puredistance M und Fetish poor Homme entstanden sind, hat daraus zwei Varianten gebastelt, die wohl in erster Linie Fans von Bel Ami wie mich ansprechen dürften. Die Düfte sind für meine Nase zu 75 Prozent gleich, das restliche Finetuning macht die Sache halt spannend. Vor allem, weil die Entwicklung nach dem Aufsprühen bei Puredistance M und Roja Fetish pour Homme enorm ist. Ja, was den monetären Aspekt Preis angeht, muss man schon ziemlich schmerzbefreit sein, wenn Bel Ami nicht ausreicht.


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: maki72 am 03. Dezember 2017, 12:57:41
Soeben habe ich diesen Thread entdeckt und direkt mal durchgelesen.

Das ist ja der Hammer!
Großes Kompliment - wenn man was über Düfte wissen mag, die nicht im Mainstream liegen - hier ist nachzusehen!
Und baknips Beschreibungen sind Sahne.

Grüßle
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: petergriffin am 28. Dezember 2017, 11:59:13
Möchte nur kurz mein Danke! hinterlassen für diesen tollen Thread.
Ich bin gerade auf Duftsuche, und habe mir jetzt mal eine Probe von Aedes de Venustas - Signature bestellt. Bin gespannt wie der Duft für mich riecht.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 31. März 2019, 12:49:01

Sonntagmorgen, Dusche, Rasur, Sonne, Frühstück -- und ich blicke auf eine sehenswerte Zitruspresse, Orangen sind aber keine da. Das ist genau der richtige Moment für vier oder fünf Sprüher von Orange Sanguine von Atelier Cologne. Der Duft wurde hier im Forum an anderer Stelle schon einige Male lobend erwähnt. Für mich ist es DER Orangenduft schlechthin, um mir nach einem alkoholischen After Shave -- heute war es das von Speick -- ein zufriedenes Grinsen ins Gesicht zu legen. Davon will ich keine homöopathische Dosis, davon darf es mehr sein.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Atelier-Cologne-Orange-Sanguine-1.jpg)


Was einem da für eine gute Stunde intensiv und dann schwächer werdend um die Nase weht, ist eine idealisierte fruchtige Orange. Wenn ich mir mit geschlossenen Augen eine formschöne, saftgefüllte, reife und in der Sonne schimmernd aufgeschnittene Orange vorstelle, die man leicht drückt, bis Saft an den Fingern entlangrinnt und auf die Tischplatte tropft. Und darüber dann meine Nase halte, dann riecht das in meiner Vorstellung genau so, wie ich Orange Sanguine wahrnehme.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Atelier-Cologne-Orange-Sanguine-2.jpg)


Eine echte Orange, gleich ob Navel- oder Blutorange, kommt diesem Ideal in meiner Nase gar nicht so nahe, riecht säuerlicher und auch monothematischer als die Vorstellung und als der Atelier-Cologne-Duft. Insofern ist Orange Sanguine kein authentisches Abbild der Natur, sondern eine sehr schöne Orangenfiktion mit allem Drum und Dran, was bei mir augenblicklich für eine Stimmungsaufhellung sorgt. Da sind zum Beispiel Anleihen von Mandarine drin und wärmende Hölzer.
Ein toller Duft für Orangenliebhaber. Es ist nur zweckdienlich, dass es diesen Gute-Laune-Macher auch in verschwenderischen 200 Millilitern gibt. Ich kann mich gut an den Gesichtsausdruck von Medler erinnern, als er bei einem Forenfreundetreffen an Orange Sanguine roch und sich Minuten später entschloss, dass ein Flakon bei ihm einziehen muss. So ähnlich ging mir beim ersten Probieren auch.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 31. März 2019, 20:32:26
Schon beim Lesen kommt mir ein Grinsen ins Gesicht, weil ich die gute Laune schon spüren kann. Wenn es mir im Frühling oder Sommer danach ist, sprühe ich mich auch gern großzügig mit orangig duftendem Wasch Eau de Cologne ein, das ich zum ersten Mal bei meinem leider verstorbenen Reutlinger Frisör und Barbier erleben durfte. Sicher hat es nicht annähernd die Qualität des oben genannten - ich hab es mir in damals gleich in der Literflasche zugelegt. Aber mir scheint, das Orange Sanguine könnte die nächste Stufe der Orangenfiktionsfreude zünden.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: herzi am 01. April 2019, 07:52:25
Was es alles gibt. Ich bin kein ausgesprochener Orangenduftliebhaber, aber Deine Beschreibung macht mich neugierig. Vielleicht hol ich mir Proben bei ALZD.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 07. April 2019, 11:17:18
Zitat von: Tim Buktu am 31. März 2019, 20:32:26
orangig duftendem Wasch Eau de Cologne


Hast Du davon einen Hersteller, eine genaue Bezeichnung oder ein Bild? Das interessiert mich.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 07. April 2019, 21:51:24
Ich hab es schon nach meinem ersten Einkauf nicht mehr im Netz gefunden, aber es gibt einen Thread zum Swiss O-Par ProfiLine Wasch-Eau De Cologne:


https://www.gut-rasiert.de/forum/index.php/topic,6981.msg138481.html#msg138481


https://www.rufin.de
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 08. April 2019, 22:51:33

S.A.C.K.Y heißt die Marke und Qaaid der Duft. Punkte im Namen ohne Not finde ich doof – weshalb ich hier einfach Sacky schreibe. Zu mir gekommen ist der Duft als Weihrauchempfehlung. Und als solche, das darf ich vorwegnehmen, hat Sacky kaum Potenzial. Ein Weihrauchlangweiler, wenn es um Weihrauch oder Harz gehen soll. Dafür hat mich der Duft anderweitig fasziniert. Da wären Rauch und Rasierwasser – und das macht die Sache für den geschätzten Nassrasierer Einstandsalter 35 interessant. Darunter dürfte man meine Begeisterung wenig nachvollziehen und Sacky vermutlich allenfalls ein Schulterzucken abgewinnen können.

Den Beginn markiert eine fulminante Rauchnote wie ein Live-Bericht aus dem Buchenholzheißräucherofen für Schwarzwälder Schinken. Eine bittere Zitrone schmückt den Kokelrauch im Hintergrund, erst verhalten, dann stärker werdend. Aus dem Ascheschafott erhebt sich langsam und an Fahrt gewinnend eine schöne Rasierwassernote im Barbershop-Style. Die bringt Frische, grüne Würze und eine Spur freundliche Süße. Das wirkt ätherisch und männlich. Endstadium: Dicker Kaminzimmerqualm weg, Rasierwasser da.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/SACKY-Qaaid.jpg)

Sacky ist von Anfang bis Ende eher hautnah als laut.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: herzi am 10. April 2019, 09:58:45
Obwohl ich über 35 bin ist der Duft wohl nichts für mich. Aber Deine Vorstellungen lese ich immer gern.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 11. April 2019, 07:14:00
Die Mischung aus Barbershop und Räucherofen fällt mir schwer vorzustellen. Der einzige Duft der eine Rauch- und Saubernotenmischung bereit hält und mir bekannt ist: Jacomo de Jacomo, EdT.
Den finde ich zwar altbacken (80er) aber ich mag ihn immer noch und nutze ihn auch gelegentlich.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 11. April 2019, 20:31:44
Danke baknip für diese Vorstellung - den hätte ich nie bemerkt ohne Deine kleinen und feinen Duftkolumnen hier.
Mich macht der Verlauf neugierig und ich kann mir schwer vorstellen, wie ein Rauch sich eher verzieht als ein Zitrusduft. Meistens sind es ja diese frischen Anteile, die sich zuerst verabschieden, die schweren Nuancen zurücklassend. Und Rauch bleibt meist lange kleben. Auch an der Kleidung. So gesehen ist es ein auf dem Kopf stehender Duft - wenn ich deine Zeilen richtig interpretiere. Interessant!
Wie steht es denn mit der Haltbarkeit. Ein Extrait de Parfum ist ja schon ein Versprechen...
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 14. April 2019, 11:38:11
Möglicherweise habe ich mit der Zitrone eine leicht falsche Fährte gelegt. Qaaid eröffnet mit Rauch und Zitrone. Der Rauch ist gegenüber den zitrischen Tönen so vorlaut, dass von der Zitrone in den ersten Minuten nicht viel präsent ist. Es dauert ein wenig, bis sich die Zitrone behaupte kann. Oder anders ausgedrückt: Es braucht in meiner Nase etwas, bis die Riechrezeptoren nicht nur das Kokelige, sondern auch das Zitrische warhnehmen.

Für mich liegt der besondere Reiz bei diesem Duft um Umstand, dass die normalerweise lange haltbaren Raucharomen mit der Zeit verblassen und dem Rasierwasser Platz machen.


Zitat von: lotse am 11. April 2019, 20:31:44
Wie steht es denn mit der Haltbarkeit. Ein Extrait de Parfum ist ja schon ein Versprechen...

... das meinem Empfinden nach gebrochen wird. Fühlt sich eher wie ein Eau de Parfum an. Der Duft ist kein Krachmacher, der Zimmer füllt. Die Rasierwassernote bleibt den ganzen Tag auf der Haut.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 14. April 2019, 12:06:59

Das weiter vorne erwähnte Orange Sanguine von Atelier Cologne ist eine schön-frische Orangen-Fruchtbombe – Ambre Pamplemousse Rose von L'Atelier des Bois de Grasse deckt dagegen das holzig-florale-pudrige Terrain zitrischer Düfte ab.

Der Name ist bei diesem Duft wenig einfallsreich, dafür aber aussagekräftig, denn er beschreibt ganz gut, was nach dem Aufsprühen zu Riechen ist: Milde Grapefruit, ein nicht näher definierbares Rosemix-Blumensträußchen und irgendeine moderate dosierte Ambermischung. Dazu kommt gegen später noch was Holziges. Das alles zusammen wirkt rund und ausgewogen.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/LAtelier-des-Bois-de-Grasse-Ambre-Pamplemousse-Rose.jpg)


Das Amber macht den Duft trocken-warm und ein wenig pudrig. Die Blumennoten geben dem insgesamt jung erscheinenden Parfüm einen charmant altmodischen Touch und auf die heutzutage übliche Süße wurde verzichtet. Die Haltbarkeit mit einigen Stunden geht für mich in Ordnung.

Interessant könnte auch der günstige Anschaffungspreis sein: Ich habe den Duft seinerzeit in Frankreich für um die 20 Euro/200ml bestellt. In der Zwischenzeit ist er für weniger auch hierzulande über Amazon zu bekommen.


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 14. April 2019, 12:11:51
Zitat von: Tim Buktu am 11. April 2019, 07:14:00
Jacomo de Jacomo, EdT. Den finde ich zwar altbacken (80er) aber ich mag ihn immer noch und nutze ihn auch gelegentlich.

dh: dh: dh: Freue mich jedes Mal wie ein Kind, wenn die Deckelkappe beim Öffnen so gebremst nach oben klappt.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 22. April 2019, 11:49:43

Lust auf einen weißen Blumenstrauß für den Mann? Acqua di Parma - Chinotto di Liguria und auch Jasmin Angélique von Atelier Cologne sind genau das: ein seifig-herb-angebittertes sommerliches Blütenbouquet. Im Hintergrund Orange/Zitrone und ein paar Grünnoten. Riecht zunächst recht ungewohnt und für mich irgendwie angenehm männlich-südländisch. Und ziemlich modern – und damit ganz anders als die traditionellen englischen Floradüfte für den Herrn mit pudrigem Veilchen oder Rose als Hautthema. Gäbe es Campari- oder Angostura-Blüten, dann könnten sie vielleicht so wie das riechen, was Acqua di Parma und Atelier Cologne in Flakonform anbieten.

Beide Düfte gehen in eine ähnliche Richtung und es reicht, einen davon zu kennen. Einfach mal ausprobieren, beides sind Hop- oder Top-Düfte. Nach dem Aufsprühen die Nase am besten nicht direkt auf der Haut versenken, das Ganze wirkt besser aus einiger Entfernung.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Acqua-di-Parma-Blu-Mediterraneo-Chinotto-di-Liguria---Atelier-Cologne-Jasmin-Ang%C3%A9lique-1.jpg)


BTW: Für mich riecht der Duft von Acqua di Parma nicht nach dem Italo-Spezi Chinotto von San Pellegrino.


Heute mal Bildermachen mit Zuschauern

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Acqua-di-Parma-Blu-Mediterraneo-Chinotto-di-Liguria---Atelier-Cologne-Jasmin-Ang%C3%A9lique-2.jpg)


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 23. April 2019, 06:58:26
Hmmm, eine Vorstellung zum richtigen (oder falschen?) Zeitpunkt. Um diese Jahreszeit machen solche Duftvorstellungen bei mir Lust auf eine Tour de Parfum.
Mich zieht es eher zum Bummel in die Landeshauptstadt denn zur Arbeit.  :-\
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 05. Mai 2019, 14:14:22


Suche einen guten Allrounder. Ich bin 25 oder 32/37/40/42/45/49/51/51+, relativ neu in der Parfümwelt und ein eher casual/sportlicher Typ. Mein neuer Duft sollte mich und mein Umfeld vom Stand weg positiv umhauen und schon ein wenig sexy sein. Wäre froh, wenn jeder den seiner Meinung nach besten Allrounder für Jungs und Männer nennt. Vielen Dank.

Gar nicht so einfach, etwas über einen Duft zu schreiben, den Mann als aufgeschlossener Nassrasierer kennen, zumindest einmal probiert haben sollte. Zu Aventus von Creed gibt es mindestens so viel Gutes wie hanebüchenen Unsinn zu lesen. Relevant ist: Die Aventus-Rezeptur ist einfach gestrickt, zeitgemäß und wirkungsvoll: Fruchtige Ananas trifft auf rauchigen Moschus oder moschuslastigen Rauch.

Creed hatte beim Zusammenstellen der Duftkomponenten ein ziemlich glückliches Händchen und das hauseigene Topseller-Parfüm der gehobenen Preisliga geschaffen. Es ist um den Träger herum sehr gut wahrnehmbar und weckt üblicherweise bei Leuten, die mit Düften nicht viel am Hut haben, unbetroffen ihres Alters oft positive Assoziationen (,,Du riechst aber gut/frisch/lecker...").

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Creed-Aventus-Deckel.jpg)


Creeds Erfolg bei Aventus hat viele Nachahmer produziert – verhältnismäßig namhafte wie Royal Vintage von Micallef, Nero von Mazzolari oder Daytona von Boellis und typische Dupes wie L'Aventure von Al Haramain sowie Insurrection II Pure von Reyane Tradition – und etliche namenlose Copycats.

Du hast Aventus noch nie gerochen? Dann ist es an der Zeit, diese Wissenslücke zu schließen und Dir einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Beim Erstkontakt mit Aventus würde ich immer zum Original von Creed greifen und damit jeden stilistischen Fauxpas umschiffen. So kann man bei Gefallen abwägen, ob einem das Original Wert genug oder ein Nachahmer recht und billig ist.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Creed-Aventus.jpg)

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Stewart am 05. Mai 2019, 16:28:55
Baknip: kannst du bitte mal schreiben welche ähnlichen Kopien es alle gibt? Mir ist nur La Martina mit Tiero del Fuego bekannt.
Also: La Martina - Tiera del Fuego    /     Kannst du es so schreiben?

Ich kenne Aventus und finde es genial! Kann es mir allerdings nicht leisten, so viel verdiene ich nicht,
daher der oben  erwähnte Kopien Kauf weil ich so oft las das er gleich sein soll. Nun, finde ich allerdings nicht.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 05. Mai 2019, 17:02:49
Zitat von: Stewart am 05. Mai 2019, 16:28:55
Baknip: kannst du bitte mal schreiben welche ähnlichen Kopien es alle gibt? Mir ist nur La Martina mit Tiero del Fuego bekannt.
Also: La Martina - Tiera del Fuego    /     Kannst du es so schreiben?

Ich kenne Aventus und finde es genial! Kann es mir allerdings nicht leisten, so viel verdiene ich nicht,
daher der oben  erwähnte Kopien Kauf weil ich so oft las das er gleich sein soll. Nun, finde ich allerdings nicht.

Oben in meinem Text stehen bereits fünf:

Micallef Royal: Vintage,
Mazzolari: Nero,
Boellis: Daytona,
Al Haramain: L'Aventure und
Reyane Tradition: Insurrection II Pure.

Nachgemachte Düfte sind nicht mein Terrain, ich kann dazu wenig beitragen. Das La Martina hat immerhin einen schönen Flakon, ich mag den schweren, bezogenen Deckel. Die Haltbarkeit ist bei mir schlecht.

Es gibt viele günstige Plagiate - einer der billigsten Nachahmer dürfte Tiago for Men von Kik (dem Kleiderladen, Info über österreichische Kik-Website) sein. Mit 3,19 Euro bist Du da wohl dabei. Ob solche Düfte etwas taugen, weiß ich nicht. Ich halte bekanntlich nichts davon.

In Rasurforen wird gerne Fine Shave: Platinum empfohlen - da ich die Marke nicht mag, habe ich es nicht getestet.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 06. Mai 2019, 07:03:11
Zitat von: baknip am 05. Mai 2019, 14:14:22
... Es ... weckt ... oft positive Assoziationen (,,Du riechst aber gut/frisch/lecker...").
...
In der Regel geht es mir darum, den Duft den ich trage selbst "gut" zu finden. Aber trotzdem ist es natürlich eine Freude wenn man ein solches Kompliment bekommt. Vor allem wenn es dann in dieser Weise ausgesprochen wird. Auch schön wenn man nach dem aufgelegten guten Duft gefragt wird.

"Du riechst aber gut" ist das schönere Kompliment.  :angel:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 06. Mai 2019, 13:40:08
Zitat von: Tim Buktu am 06. Mai 2019, 07:03:11

"Du riechst aber gut" ist das schönere Kompliment.  :angel:


Über das Alter von "Du riechst aber lecker" sind wir halt schlicht und einfach schon drüber  o)

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: herzi am 06. Mai 2019, 14:26:11
Solange niemand sagt "Ramses hat bestimmt so gut gerochen wie Du." ;D
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 15. April 2020, 22:39:52

Zitat von: titanus am 15. April 2020, 18:07:49
L.T. Piver Cuir de Russie


So ein Cuir de Russie ist etwas herrlich aus der Zeit gefallenes und passt damit sehr gut zur klassischen Nassrasur. Das Cuir de Russie von Farina kennen viele hier im Forum unter der Originalbezeichnung Russisch Leder. Der Duft verkörpert die 50er Jahre par excellence und ist zugegebenermaßen grobschlächtig, irgendwie ehrlich und zugeschnitten auf den hart arbeitenden Mann, dem Schwielen an den Händen nicht unbekannt sind.

Cuir de Russie steht als Sammelbegriff für ledrig-animalische Düfte. Die sind an sich geschlechtslos und können von Männern und Frauen getragen werden. Typisch ist ein florales Element, das je nach Hersteller mal stärker, mal schwächer ausgeprägt ist.
Cuir de Russies gibt es von vielen Firmen und es scheint so, als gehörte es zur guten Tradition, sich als Dufthaus mit einer eigenen Interpretation des Cuir de Russies zu schmücken. Heute, um ehrlich zu sein, mutet ein wie das andere Cuir de Russie arg traditionell an, oder sagen wir besser, ziemlich altbacken. Um den aktuellen Zeitgeist schlagen die Düfte jedenfalls einen großen Bogen. Theoretisch ist auch Knize Ten ein gutes Beispiel für ein Cuir de Russie, doch weshalb auch immer zählt das gemeinhin nicht dazu. Egal.

Um den Erstkontakt zu einem Cuir de Russie abzumildern, hilft vielleicht der Vergleich mit einer dunklen Schokolade mit 100 Prozent Kakaomasse. Ihr fehlt der Zucker und dementsprechend weicht das Mundgefühl von dem ab, was man normalerweise von einer Schokolade erwartet. Meine momentane Lieblingssorte ist übrigens Original Beans, und da die Sorte Zoque 88 Prozent. Von deren 100 Prozent habe ich ein Stück gegessen und den Rest nach und nach für Saucen verwendet. Der Geschmack im Mund war, ich sage es so, dass ich besser nichts sage.

Wer ein Cuir de Russie in die Hand kriegt, sollte es einfach mal aufsprühen. Die Variante von Piver finde ich prima, wobei ich da die neueste Version mit dem schön etikettierten Flakon nicht kenne.


Meine Favoriten sind auf Platz 1 das Cuir de Russie aus der Les-Exclusifs-Reihe von Chanel. Viel milder als Knize Ten oder Farinas Juchten, viel floraler, etwas bitter wie ein Tonic und mit viel Mystik. Bitte als Eau de Toilette, das neuere Eau de Parfum hat für mich viel des ursprünglichen Charmes eingebüßt und gefällt mir nicht.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Cuir-de-Russie-Les-Exclusifs-Chanel.jpg)


Mein Platz 2 ist Cuir de Russie von Creed. Ein milder, zurückgenommener und vergleichsweise schwacher Duft. Wenn ich mir den auf den Arm träufle und im Halbdunklen aufs Sofa sinke, wünsche ich mir so einen dünnen, seidenen Morgenmantel mit Paisley-Muster, ein dünnes David-Niven-Bärtchen und den dazu passenden versnobten Blick. Verrückt, ich kann meine Nase dann minutenlang in den Arm eintauchen und inhalieren.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Cuir-de-Russie-Creed1.jpg)


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Cuir-de-Russie-Creed2.jpg)


Mein Platz 3 ist ein Dampfhammer, ein Kaliber von Cuir de Russie. Es stammt von Harry Lehmann, heißt Russisch Juchten und selten bekommt man so viel Duft für so wenig Geld. Der vornehmen Zurückhaltung von Creed setzt Harry Lehmann Brachialkraft entgegen. Besser gesagt setzte, denn scheinbar wurde der Duft geändert oder vom Markt genommen. Sehr schade.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Russisch-Juchten-Harry-Lehmann.jpg)

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 16. April 2020, 07:25:58
Wieder ein Beitrag der sich gut dazu eignet eine neue Leidenschaft zu initiieren. Ich mag Lederdüfte, bin aber in dieser speziellen Ausrichtung eher nicht bewandert. Den von Titanus verwendeten Duft hatte ich auch schon im Auge, zumal der keine exorbitante Investition bedeutet. Ich fürchte grade eher die Folgen einer konkreteren Auseinandersetzung mit dem Thema.
Allerdings braucht man ja auch Projekte für die Zukunft.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Onkel Hannes am 16. April 2020, 09:09:49
Schöne Inspiration. Ich wäre sehr interessiert, einmal "meinen" Duft herauszufinden. Bloß leider krieg ich schon Kopfweh, wenn ich bloß an einer Parfümerie vorbeigehe...
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: günni am 16. April 2020, 14:08:49
Die Herren,
zur Vorstellung kommt Black Calamus von Carner.

Zusammengestellt aus u.a. indischem Kalamus, Pfeffer, Labdanum, Vanille, Weihrauch, Zedernwacholder, Oud, türkische Rose Absolue um nur einige Komponenten zu nennen.
Klassifiziert wird der Duft als Unisex, nach meinem Empfinden ist die Gesamtkomposition jedoch eher männlich ausgerichtet. Bei Frauen könnte ich ihn mir am ehesten in der weiblichen Gothik-Szene vorstellen, was jedoch nicht heissen soll, das er dort primär zu verorten ist. Ich denke, er kann sich in die Reihe der orientalischen-schweren Düfte locker einreihen.
Für mich ist es ein "dunkler" Duft, den ich bevorzugt, aber nicht ausschließlich, in der kälteren Jahreszeit trage (daher passend ihn jetzt im Frühling vorzustellen  ??? , oder? ).

(Weit) Entfernte Ähnlichkeiten gibt es beispielsweise mit  Czech and Speake Spanish Cedar und Nagud von Bois 1920 was wohl vor allem an der Zedernwacholder, an der türkischen Rose Absolue und am Oud liegen könnte.
Morgens aufgetragen hält er bei mir über den ganzen Tag bis in den späten Abend hinein. Ich nehme den Duft als sehr intensiv wahr, deshalb bin ich mit der Dosierung jeweils sparsam.

Ich bin gespannt, ob ihn jemand bei Gelegenheit testet und meine Eindrücke teilen kann.

Gruß
günni


(https://up.picr.de/38311744cm.jpg)

(https://up.picr.de/38311746dh.jpg)

(https://up.picr.de/38311748wm.jpg)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 16. April 2020, 18:02:22

Hört sich vielversprechend an. Von Carner kenne ich bislang die beiden Oldies Cuirs und Tardes. Cuirs lief mir als erster Duft über den Weg, der die Richtung von Black Afgano (Nasomatto) einschlug und dem bei der Haltbarkeit nicht erkennbar nachstand. Tardes war nicht mein Fall, weil so ein Sammelsurium an vielem und allem. Auch mit der Süße kam ich nicht klar. Von D600 hatte ich noch eine Probe, an die ich mich nicht mehr erinnere. Habe gerade nachgesehen: Mittlerweile gibt es ja einige neuere Düfte der Spanier.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: titanus am 16. April 2020, 21:47:58
Vielen Dank an baknip für den Exkurs zu "Cuir de Russie".

Deine Einlassungen lese ich immer wieder mit Vergnügen.
Danke dafür!
Ich besitze jetzt das Cuir de Russie und das Cuir und bin sehr unentschlossen, welches mir besser gefällt.
Das Cuir de Russie hätte ich mir um ein Haar nicht gekauft wegen des (für mich) etwas infantilen Etiketts.

Ich konnte mit dem Cuir sogar einen bekennenden Nichtrasierer und Nichteindieseler überzeugen.
Das war sicher der Birkenteer...  ;D

titanus



Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 16. April 2020, 21:52:09
Zitat von: titanus am 16. April 2020, 21:47:58
Ich konnte mit dem Cuir sogar einen bekennenden Nichtrasierer und Nichteindieseler überzeugen.
Das war sicher der Birkenteer...  ;D

Von mir Daumen hoch für das L.T. Piver Cuir. Gefällt mir gut.


Zitat von: titanus am 16. April 2020, 21:47:58
Das Cuir de Russie hätte ich mir um ein Haar nicht gekauft wegen des (für mich) etwas infantilen Etiketts.

Und ich hätte es gerade wegen des Etiketts so gerne :-). Online finden sich Bilder eines älteren, merkwürdig abgerundeten Flakons von Piver, auf dem das Kiddy-Label auch schon zu sehen ist. Vielleicht was für die Trophäensuche auf Flohmärkten.


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 19. April 2020, 16:58:07
Zitat von: Rasurbrandmeister am 19. April 2020, 14:43:31
(https://i.imgur.com/zBITR7F.jpg)

Das hier von Rasurbrandmeister gezeigte L'Aventure von Al Haramain ist für meine Nase eine vernünftige Alternative zu Aventus von Creed, das weiter vorne im Thread gezeigt wurde. Wenn man auf Originale und Originalität keinen Wert legt und kein Problem mit direkten Klons hat, ist das L'Aventure sehr nah an Aventus dran -- prima Haltbarkeit und Duftabstrahlung inklusive. Würde ich mir kaufen, wenn es Aventus nicht gäbe.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Oberloser am 19. April 2020, 19:36:22
Zitat von: baknip am 15. April 2020, 22:39:52

So ein Cuir de Russie ist etwas herrlich aus der Zeit gefallenes und passt damit sehr gut zur klassischen Nassrasur. Das Cuir de Russie von Farina kennen viele hier im Forum unter der Originalbezeichnung Russisch Leder. Der Duft verkörpert die 50er Jahre par excellence und ist zugegebenermaßen grobschlächtig, irgendwie ehrlich und zugeschnitten auf den hart arbeitenden Mann, dem Schwielen an den Händen nicht unbekannt sind.

Das Russisch Leder von Farina Gegenüber der 60er Jahre war für mich etwas ganz besonderes. Meine erste Jugendliebe benutzte diesen Duft, der eigentlich ihrer Mutter gehörte und den ich wahrscheinlich bis an mein Lebensende mit ihr assoziieren werde.
Leider hat er aus meiner Sicht kaum noch Ähnlichkeit mit der aktuellen Reformulierung, auch wenn Parfumo bei der Neuauflage des Duftes von Reformulierungsresistenz schreibt. Schade, nicht nur der Flakon ist anders, auch der Inhalt!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: titanus am 19. April 2020, 21:17:12
Zitat von: baknip am 16. April 2020, 21:52:09
Zitat von: titanus am 16. April 2020, 21:47:58
Ich konnte mit dem Cuir sogar einen bekennenden Nichtrasierer und Nichteindieseler überzeugen.
Das war sicher der Birkenteer...  ;D

Von mir Daumen hoch für das L.T. Piver Cuir. Gefällt mir gut.


Zitat von: titanus am 16. April 2020, 21:47:58
Das Cuir de Russie hätte ich mir um ein Haar nicht gekauft wegen des (für mich) etwas infantilen Etiketts.

Und ich hätte es gerade wegen des Etiketts so gerne :-). Online finden sich Bilder eines älteren, merkwürdig abgerundeten Flakons von Piver, auf dem das Kiddy-Label auch schon zu sehen ist. Vielleicht was für die Trophäensuche auf Flohmärkten.


Ich habe ihm gestern beim gemeinsamen Holz machen eine Probe Cuir gegeben und das Cuir de Russie aufgesprüht.
Er mag das Cuir deutlich lieber.
Und weil er ein guter Freund ist, wird die Flasche cuir wohl bald bei ihm stehen...  8)

Tolle Vorstellungen, auch von Günni!

titanus




Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 19. April 2020, 22:39:20
Zitat von: titanus am 19. April 2020, 21:17:12
Und weil er ein guter Freund ist, wird die Flasche cuir wohl bald bei ihm stehen...  8)

Eine Win-Win-Situation -- Du hast wieder Platz für etwas Neues.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 21. April 2020, 11:53:42
Zitat von: Oberloser am 19. April 2020, 19:36:22
Das Russisch Leder von Farina Gegenüber der 60er Jahre war für mich etwas ganz besonderes. Leider hat er aus meiner Sicht kaum noch Ähnlichkeit mit der aktuellen Reformulierung

Ach Oberloser, manchmal vergeigt man einfach etwas. Man setzt auf das falsche Pferd, trifft eine wenig vorteilhafte Entscheidung, sagt etwas ohne Rücksicht auf die Folgen oder schätzt eine Situation irrtümlich ein. Dumm gelaufen!
So was kommt vor, und ist doch gerade dann wundersam, wenn es um Traditionsdüfte geht. Ich habe die Erfahrung nicht mit dem Russisch Leder, sondern mit dem berühmten deutschen Duft gemacht, der sich seiner Geschichte, seiner Einzigartigkeit und seiner Tradition rühmt: dem Kölnisch Wasser von Farina. Das Wörtchen ,,Original" ziert fast jeden der Flakons von Farina 1709 Eau de Cologne, wenn ich mir die Auswahl auf der Hersteller-Website so ansehe.

Habe neben einem älteren auch einen neueren Flakon von Farinas Original Eau de Cologne, dem Hersteller zufolge einen ganz besonderen – mächtig, schwer und edel soll er sein. Er steht für die Zukunft, lässt Farina uns auf der Homepage wissen, und gleichzeitig für die Vergangenheit. Und er repräsentiert die Erkenntnis, dass Düfte Gefühle erwecken. Und ja, als Metapher für die Zukunft ziert ein Klammeraffe den Aufdruck ,,Eau @e Cologne". Ob das seinerzeit im Entstehungsjahr 2010 eine amtlich gute Idee war. Als standesgemäße Verpackung dient eine grün lackierte Schichtholzkiste. Selbstgezimmerter Charme, sind meine Gedanken, als ich die Kiste gerade zum Fotografieren aus dem Schrank nehme.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Farina-Gegebueber-Eau-de-Cologne-2.jpg)


Darin ein Bronzeflakon aus der Hand eines Bildhauers, lese ich. Möglicherweise, ich bin Laie, ein namhafter Künstler. Sein online gefundenes Werk ,,Die schönen Torsi" zieht jedenfalls meine Aufmerksamkeit auf sich. Sein Farina-Flakon wirkt ... wahrscheinlich auf jeden Betrachter individuell.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Farina-Gegebueber-Eau-de-Cologne-3.jpg)


Der Duft darin, das ,,Original" von Farina Gegenüber, so die Holzbox, ist aber gar nicht mal so original und keinesfalls originell. Und er hat mit dem schönen Klassiker in meinem anderen Flakon vor allem den Namen und die Duftrichtung gemein. Nach dem Aufsprühen rieche ich einen modernen Cologne-Duft. Frische, in meiner Nase stark synthetisch, unangenehm synthetisch. Riecht irgendwie beliebig und gar nicht nach traditioneller Anmutung. Wie eine Komponente, die ich aus zig Neuzeitdüften und Duschgels kenne. Das war es an dieser Stelle für mich, so mag ich nicht riechen. Schade, wenn eine Duftanpassung so vergeigt wird.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Farina-Gegebueber-Eau-de-Cologne-4.jpg)

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Farina-Gegebueber-Eau-de-Cologne-5.jpg)


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 21. April 2020, 20:08:48
Nach Günter Thelen ist die Zukunft auch nicht vorhersehbar. Damit scheint er keine negativen Gefühle zu verbinden, sondern dem Gesichtsausdruck dieses Kopfes nach es eher beruhigend zu finden, dass er sie nicht sieht.
Oder sehen muss? Gefällt mir ganz gut, aber den Kopf bringe ich nicht mir diesem Sprühkopf und dieser Kiste zusammen.
Kann man denn den Flakon im Kopf auswechseln, oder ist der Kopf der Flakon? Sieht für mich unten so aus als ob sich die Unterseite des Halses öffnen ließe. Das würde den Sprühkopf aber auch nicht passender machen.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 21. April 2020, 21:52:40

Ich hätte nicht vermutet, hier in unserem schönen Forum auf eine solche Expertise zu Herrn Thelen zu stoßen  >D.

Das Bronzegebilde lässt sich nach unten aufklappen, jedenfalls theoretisch, denn bei meinem Exemplar klemmt der Mechanismus und mit Werkzeug bin ich noch nicht rangegangen. Drinnen steckt ein regulärer 125-ml-Flakon von Farina. Nachkaufen wäre also kein Problem, so man tatsächlich die Leidenschaft aufbringt und den Flakon leer bekommt.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 21. April 2020, 21:55:51

Übrigens: Mein kleiner Gral von Farina Gegenüber ist ein schick facettierter Flakon mit wahrscheinlich 50 ml Inhalt. Wie alt der ist, kann ich nicht sagen, ich schätze Ender der 1980er Jahre. Darin ein leicht flüchtiges Farina Kölnisch Wasser, das einfach, angenehm frisch und vitalisierend riecht. Klar ist diese Duftrichtung generell ein Oldie, im direkten Vergleich zum berühmteren 4711 ist das Farina-Wasser feiner abgestimmt und wirkt natürlicher.


(https://www.stroemung.de/mr/verlinkt/tt3/Farina-Gegebueber-Eau-de-Cologne-1.jpg)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 22. April 2020, 06:43:06
Zitat von: baknip am 21. April 2020, 21:52:40
Ich hätte nicht vermutet, hier in unserem schönen Forum auf eine solche Expertise zu Herrn Thelen zu stoßen  >D.
...
Man tut was man vermag!   O0

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Onkel Hannes am 22. April 2020, 10:14:23
Zitat von: Tim Buktu am 21. April 2020, 20:08:48
Nach Günter Thelen ist die Zukunft auch nicht vorhersehbar. Damit scheint er keine negativen Gefühle zu verbinden, sondern dem Gesichtsausdruck dieses Kopfes nach es eher beruhigend zu finden, dass er sie nicht sieht.

Ich bin ja eine kulturelle und insbesondere künstlerische Wildsau, aber mit diesem Hintergrundwissen gefällt mir der Kopf plötzlich.

Sehr schönes Stück, baknip, danke für die Vorstellung.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 22. April 2020, 13:39:21
Zitat von: Onkel Hannes am 22. April 2020, 10:14:23
mit diesem Hintergrundwissen gefällt mir der Kopf plötzlich.

Mist, ich hatte gehofft, man merkt mir eine überzeugende Distanz zur Verpackung und vor allem zum Inhalt an  :'(.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 22. April 2020, 20:26:43
Ich finde man konnte sie schon bemerken. Deshalb hab ich versucht die Kunst mit meiner Interpretation zu retten.  :angel:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 12. Juni 2020, 22:21:37


Comme des Garçons: "Concrete"      Gegensätze



(https://up.picr.de/38769551dv.jpg)




Ein Duft den man, im Gegensatz zu den meisten hier im Thread gezeigten, in fast jedem Douglas bekommt. 

Schon oft hab ich den gesehen, aber nie wirklich bemerkt und interessiert hat er mich, warum auch immer, auch nie.




(https://up.picr.de/38769552go.jpg)



(https://up.picr.de/38769554ll.jpg)



Letztens ist er mir dann, immer wieder eine tolle Sache, in einer Blindprobe begegnet und ich war sofort fasziniert. Mir ist es schwer gefallen, den Duft einzuordnen. Sehr würzig, trocken um nicht zu sagen staubig, aber dann doch süß, fast saftig und blumig. Der würde mir auch an meiner Frau gefallen. Aber die hat sich schon mein "Fougere Royal" von Houbigant unter den Nagel gerissen, so dass ich den nicht aus den Händen geben werde.

Und wenn man den Flakon gesehen hat weiß man auch, was mit dem staubtrockenen Duft gemeint ist. Es ist diese Mischung aus Zement und Rost. Darunter liegt eine leicht süße blumig duftige Note, die mich daran erinnert wie ich als Junge im Schwimmbad auf den feuchten Betonplatten im Schwimmbad lag.
Ein klasse konstruierter nicht "natürlicher" Duft, der aber für meine Nase nichts künstliches hat.

staubtrocken und doch duftet er fast schon fruchtig nach feuchtem Beton
kräftig würzig und doch floral
leicht süß und dann doch eher
fett, fast gourmandig und doch frisch
der hüllt mich ein und verschwindet doch immer wieder

Ich denke den kann ich zu jeder Zeit tragen. Ich kann mir jede Jahreszeit vorstellen. Der geht vermutlich keinem auf die Nerven, könnte aber doch auch bemerkt werden. Ein sehr besonderer Duft, der für mich trotzdem jederzeit und überall tragbar ist.

Concrete hat mich echt überrascht und geflasht. Schön, so soll das sein!




Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 01. Dezember 2020, 18:21:27
Was Wiener Schurken genau ist, habe ich nicht hinterfragt. Das alberne Hipster-Totenkopf-Emblem hält mich an sich von solchen Marken fern. Ein kurzer Besuch auf der Website sagt mir: Nicht mein Fall.

Strawanza jedenfalls ist der neue Duft von Kosmetik Neuner aus Hall in Tirol, jedem österreichischen Anbieter, der dem versierten Mitleser hier im Forum durch den Cologne-Klassiker Alt-Innsbruck und die ölige Alt-Innsbruck-Emulsion bestens bekannt sein dürfte. Neuner vermarktet Strawanza nicht unter eigenem Namen, sondern unter jedem von ,,Wiener Schurken". Vermutlich erhofft man sich, damit die Erschließung einer jüngeren Zielgruppe, was nachvollziehbar wie akzeptabel ist. Vielleicht ist Neuner auch lediglich Auftragshersteller. Wir wissen es nicht und es würde auch nichts ändern.

Alt-Innsbruck ist genau mein Fall. Folgerichtig hat Strawanza erst meine Neugier und dann den Kaufklick geweckt. Inzwischen kam der Duft an. Ja, ich bin ein Freund von Äußerlichkeiten. Und in diesem Punkt lässt Herr R. Neuner - wofür steht das R. eigentlich, ich unterstelle mal frei für Reinhold - jedenfalls landet da der ,,kleine Familienbetrieb im Herzen der Haller Altstadt" bei mir einen Volltreffer. Einfache dicke braune Kartonage. Grünes Logo nachträglich aufgeklebt.

Drin ein Flakon eingeschlagen in grünes Seidenpapier mit sauber verschlungener Goldkordel wie beim Royal Salute von Chivas in der Präsentationsbox. Der Flakon selbst ein zweckdienliches Einheitsfläschchen von der Stange, das Neuner wohl nicht-exklusiv zukauft. Es passt. Das dezentriert und schief aufgeklebte Etikett passt mit weniger.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Wiener-Schurken-Strawanzak.jpg)


Lassen wir das Markengesülze um den Duft mal außen vor: Strawanza riecht vorneraus, wie ich mir ein Cologne Richtung Barbershop vorstelle. Eine Mischung aus Fougere-Kräutern im Stil von Penhaligons Sartorial, Mennen, At the Barbershop, Polo grün und Rive Gauche p.H. trifft etwas Holz. Es dauert nur ein paar Augenblicke, dann kommt der Twist: Oud. Nicht das medizinische, sondern das warm-animalische in der Form wie bei T. Habanero von Rania J. oder, viel konzentrierter, bei Oud Stars Zafar. Alt-Innsbruck hat eine Menge verpackte Süße an Bord, die gibt es auch bei Strawanza. In dieser überraschend wie geschickten Kombination riecht das alles für mich männlich-seifig, warm-kräuterig und ja, doch so, dass es einem Papa-Cologneduft fast im Jahr 2021 gut steht.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Kosmetik_Neuner_3.png)


Als Anwendungsempfehlung schreibt Herr Reinhold: Wie bei Alt-Innsbruck ,,nach der Rasur, auf die gut abgetrocknete Haut, auftragen". Hab ich nicht ausprobiert, sondern an den Hals gesprüht, kann also nicht sagen, ob es das AI-bekannte Brennen gibt.

Würde ich mir Strawanza wiederkaufen: definitiv. Nach drei, vier Stunden lässt die Duftintensität merklich nach.


Übrigens scheint Herr R. Neuner auch den anderen Produkten des Hauses eine etwas aufgefrischte Marketingbildsprache mit Chauvi-Anspielungen zu gönnen:

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Kosmetik_Neuner_1.jpg)


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Kosmetik_Neuner_2.png)


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: günni am 01. Dezember 2020, 22:23:10
@baknip:

Richtig unterstellt......" Hergestellt wird Alt Innsbruck vom Kosmetikerzeuger R. Neuner aus Hall in Tirol. Reinhold Neuner erwarb im Jahre 1987 die Rechte und die Rezepturen zur ..."
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 02. Dezember 2020, 05:39:11

Lieber Günni, besten Dank für die Recherche. Dank Facebook wissen wir nun, dass Reinhold "Reini" Neuner seines Zeichens Fußpfleger mit Fußpflegesalon ist, auf dessen Firmenwapperl das "66 60" seiner anderen Produkte und der Homepage www.66-60.com zu finden ist.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Oberloser am 02. Dezember 2020, 12:18:50
Danke für das rundum gelungene und wie immer sehr lesenswerte Review! Jetzt habe ich eine gute Vorstellung von dem Duft. Als kleinen Wermutstropfen empfinde ich, dass du vermutlich wegen des schiefen Etiketts auf ein ,,out of the Box"-Foto der Flasche verzichtet hast, schade.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 02. Dezember 2020, 21:17:32

... da ist was dran. :-)

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 03. Dezember 2020, 07:09:42
Ich musste erst nach den Wiener Schurken suchen um die "Totenkopfgeschichte" zu verstehen. Die Marke war mir bisher unbekannt. Die Zusammensetzung des Dufts macht mich aber sehr neugierig. Und wenn man bei Neuner bestellt, kann man dem Totenkopf ja aus dem Weg gehen.  :angel:

Was mir an Colognes gefällt ist deren begrenzte Haltbarkeit. Nach der Rasur aufgetragen halten sie nicht allzu lange und um die Mittagszeit kann neu gewählt werden.  :)
Für mich ist das ein typischer Samstagmorgenduft, weil ich dann in der Regel zu Hause bin und nochmals frei wählen kann.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: El Hopaness Romtic am 03. Dezember 2020, 08:19:27
Auch von mir vielen Dank für die Vorstellung. Ich habe das Wässerchen auf meine Merkliste gesetzt, da mich die Beschreibung neugierig gemacht hat.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: muck22 am 05. Dezember 2020, 12:44:56
tolle Beschreibungen, die ich komischerweise erst jetzt entdeckt habe.
Ich befürchte, das wird kein gutes Ende für mein Konto nehmen...  :angel:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 17. Dezember 2020, 19:33:11

Schön, wenn man als auf das Detail versessener Kunde erst genommen wird. Dieser Tage kam das neue Etikett für den Strawanza-Flakon an. Er rückt alles ins rechte Lot und behebt das kleine Malheur mit dem herstellerseitig aus den Fugen geratenen Label. Nun ist das Fläschchen für mich herzeigbar. Danke, Herr Christoph Neuner!

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Wiener-Schurken-Strawanza-Flakonk.jpg)


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: MRetro am 17. Dezember 2020, 19:54:39
Hut ab. Das nenne ich Kundenservice.  dh:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 19. Dezember 2020, 18:09:48

Acqua Colonia Intense Wakening Woods of Scandinavia ist nicht gerade ein eingängiger Name, den mir ein Forenmitglied an den Kopf wirft, verbunden mit dem Hinweis, dass ich den doch bitteschön kennen sollte. Gut, vielleicht hat er recht, mittlerweile ist der Duft hier angekommen.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/Acqua-Colonia-Intense-Wakening-Woods-of-Scandinavia-1k.jpg)


Wir beide haben nach ein paar Tagen ein noch ambivalentes Verhältnis. Ordentlich gemacht, sehr gut tragbar, trifft den Zeitgeist und duftet weder abgegriffen noch billo. Das Thema wird getroffen, der Duft nervt nicht und die Abstrahlung ist so, dass es in unmittelbarer Umgebung zu einem angenehmen Frischeeffekt kommt.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/Acqua-Colonia-Intense-Wakening-Woods-of-Scandinavia-2k.jpg)


Bei mir will der Funke aber nicht überspringen. Vielleicht, weil mir der skandinavische Wald ein wenig zu generisch ist. Ja, das ist auch ein wenig die Idee hinter der Aqua-Colonia-Reihe von 4711. Aber dieser Wald hier riecht ziemlich lully, stilisiert und generisch-grün. Nicht wirklich Wald, keine kernigen Koniferen, kein Laub, kein Erdboden, keine Harze, sondern einfach jung-grün. Wie divers statt Männlein oder Weiblein.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 19. Dezember 2020, 21:12:34
Rückt Weihnachten näher, steigt mein Bedürfnis nach Jubilation XXV von Amouage. Der hat mich beim ersten Probieren an Weihnachten erinnert und er tut es noch immer. Finde den ziemlich gut, was am prima Verhältnis von Wärme, Weihrauch, Anschmiegsamkeit, Gewürzen und einem Bissi Frucht liegt. Als der Duft neu war, gab es kaum was in dieser Richtung, heute schon. Mir egal, ich bleibe bei dem hier, gerade um den 24. Dezember herum.

Angefixt hatte mich der gute Guilty hier aus dem Forum, zwar nicht direkt mit Jubilation XXV, dafür aber mit seiner langen Suche nach Silver und Gold von Amouage. Gold ist übrigens für mich der noch bessere Weihnachtsduft, aber mit dem mag mich außer mir selbst keiner in meiner Umgebung mehr leiden. :-(


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Amouage-Jubilation-XXV_eolk.jpg)

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 20. Dezember 2020, 08:50:37
Für Weihnachten habe ich noch keinen Duft, den ich mit Erinnerungen daran verknüpfe. Kein Problem, da finde ich schon immer etwas Schönes. Aber einen Duft, der sich über die erste Wahrnehmung für Weihnachten empfohlen hat besitze ich noch nicht. Aber was nicht ist hat ja noch Zeit zu werden.

Der Jatamansi von L'Artisan Parfumeur links daneben hört sich für mich auch sehr interessant an. Gewürze, Hölzer, Blüten und Weihrauch. Was muss ich mir denn unter "indischer Narde" vorstellen und ist die darin dominant?
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 20. Dezember 2020, 12:45:25
Zitat von: Tim Buktu am 20. Dezember 2020, 08:50:37
Was muss ich mir denn unter "indischer Narde" vorstellen und ist die darin dominant?


Diese Frage reiche ich gerne weiter, falls jemand schon mal solo gerochen hat. Kann dazu nichts sinnvolles beitragen.

Ich kam zu Jatamansi in deren Shop in Covent Garden. Hatte mich dort für den als Teeduft beworbenen beworbenen Tea for Two interessiert, der mir nicht gefallen hat. Der Verkäufer hat dann Jatamansi aufgesprüht. Er geht in die angedachte Richtung. Ein leiser, sanfter Duft nach leicht rauchigem Schwarztee (nicht aufgegossen, sondern Nase in Dose). Körpernah, dezent. Für mich ist es so eine Art es Zubettgehduft.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 03. Januar 2021, 17:40:06

Roja Dove Diaghilev ist ohne Wenn und Aber mein bester Duft. Es ist nicht mein Lieblingsduft, weil er sich durch seinen Charakter dafür meiner Ansicht nach nicht eignet, jedenfalls nicht in meiner Vorstellung. Auf das Wesentliche reduziert ist es ein altmodisches (altbackenes) Chypre-Parfum mit Blüten, Holz und Wachsen alter Bauart, das man klug in die Neuzeit transportiert hat, ohne den Klassik-Touch zu verlieren. Trägertyp: Ü40.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Roja-Dove-Diaghliev-3.jpg)


So häufig wie im Dezember bis in den Januar hinein kommt er den Rest des Jahres nicht zum Einsatz. Außerhalb eigentlich nur zu Hause für mich als Lehr- oder Lernstück. Diaghilev kann man sich ganz gut als schwere, opulente, alte Glitzerrobe aus versnobtem Hause vorstellen, die schon zig Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Sie umgibt Dich, drückt Dir komplett ihren Duftstempel auf. Du strahlst damit ohne Ende und gleichzeitig ist die Bürde des Gewands eine Last.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Roja-Dove-Diaghliev-1.jpg)


Frisch gebadet, muffig aufgestanden aus dem Bett, Zigaretten- oder Alkoholfahne - egal: Nach dem Aufsprühen egalisiert dieser maximal opulente Duft alles andere. Riecht nach vergangener Epoche und Geschichte. Von allem sehr viel, enorm viel. Über Stunden veranstaltet der Duft einen Tanz, weil er sich immer wieder verändert, ohne dabei an Opulenz zu verlieren. Diaghilev riechen ist für mich wie Oper gucken: Erst mal befremdlich, quälend und teilweise zum Weglaufen, doch wenn/falls es in Deiner olfaktorischen Wahrnehmung Klick macht, bist Du im Bann. Wenn/falls nicht, hilft Spüli, Diaghilev loszuwerden.

(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Roja-Dove-Diaghliev-2.jpg)


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: muck22 am 03. Januar 2021, 21:11:32
Zitat von: baknip am 15. April 2020, 22:39:52
So ein Cuir de Russie ist etwas herrlich aus der Zeit gefallenes und passt damit sehr gut zur klassischen Nassrasur. ...
Cuir de Russie steht als Sammelbegriff für ledrig-animalische Düfte. Die sind an sich geschlechtslos und können von Männern und Frauen getragen werden. Typisch ist ein florales Element, das je nach Hersteller mal stärker, mal schwächer ausgeprägt ist. ...

ein sehr schöner Artikel über diese Düfte ist hier (https://www.fragrantica.com/news/Leather-Fascinations-a-Perfume-Genre-Like-No-Other-4760.html) zu finden
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 04. Januar 2021, 15:44:45

Danke für den verlinkten Artikel, den ich gerade in Ruhe gelesen haben. Lesenswert.

An manchen unsauberen Stellen habe ich allerdings mächtig gezuckt, zum Beispiel "Royal English Leather (1871) by Creed for King George the III", was nun offensichtlicher Humbug ist und nicht (unwidersprochen) in einen seriös scheinenden Fachtext gehört.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Oberloser am 04. Januar 2021, 18:47:50
Zitat von: baknip am 03. Januar 2021, 17:40:06

Roja Dove Diaghilev ist ohne Wenn und Aber mein bester Duft..........

Das nenne ich mal eine gelungene Duft-Ekphrasis, deren Stil ich als geneigter Leser nicht ohne ein gelegentliches dickes Grinsen goutiert habe. ;D In Gedanken sah ich Dich ruhelos unter der Last Deiner Bürde durch die Gemächer streifen......
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 04. Januar 2021, 19:19:37
Zitat von: baknip am 03. Januar 2021, 17:40:06

...Über Stunden veranstaltet der Duft einen Tanz, weil er sich immer wieder verändert, ohne dabei an Opulenz zu verlieren. Diaghilev riechen ist für mich wie Oper gucken...


Lieber baknip! Danke für diese bildreiche Vorstellung eines echten Salonlöwen!
Jedoch sollte nicht der Duft, sondern Du mit diesem Duft tanzen, allein schon um dem Namensgeber ?????? ???????? ??????? (Diaghilev) gerecht zu werden. Diaghilev selber soll ja Guerlains Mitsouko getragen haben. Inwieweit da was dran ist - mit Anekdötchen ist es ja grade im Duftbereich so eine Sache - kann ich nicht einschätzen. Deine Beschreibung ließ mich aber unwillkürlich an Mitsouko denken. Das ist auch ein Mantel, dem man gewachsen sein muß...
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 04. Januar 2021, 20:14:09
Zitat von: lotse am 04. Januar 2021, 19:19:37
Jedoch sollte nicht der Duft, sondern Du mit diesem Duft tanzen, allein schon um dem Namensgeber ?????? ???????? ??????? (Diaghilev) gerecht zu werden. Diaghilev selber soll ja Guerlains Mitsouko getragen haben.


Mit Mitsouko halte ich es wie mit Balett: beides ist nur mit Maximalabstand akzeptabel. Mein Mitsouko ist bei einem Forenkollegen aus dem GRF gut aufgehoben. Das ist kein Mantel, sondern eine Jacke, ein Arbeitskittel, ein geflickt- und gestopfter. Nur das Extrait habe ich hier zu, hmmm, sagen wir mal Weiterbildungszwecken aufbewahrt. Ich nehme die Parallele von Diaghilev zu Mitsouko nicht wahr oder mag sie nicht wahr haben. Jedenfalls hängt für mich am Diaghilev untrennbar ein so dickes Y-Chromosom, nach dem ich beim Mitsouko noch immer suche. Und überhaupt - geh mir weit weg mit Deinem profanen Mitsouko ^-^!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 04. Januar 2021, 20:36:48
Stimmt. Die Profaninisierung setzt ein, wenn mehr als 10 Flakons verkauft werden... ;)

Bei meinem obigen Post hat die Forensoftware doofe Smileys produziert, wo doch eigentlich kyrillische Buchstaben stehen sollten. Für Sergei Pawlowitsch Djagilew.
Die Frage ist doch: Hätte Djagilev selbst Djagilev getragen?
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 04. Januar 2021, 21:02:23
Zitat von: lotse am 04. Januar 2021, 20:36:48
Die Frage ist doch: Hätte Djagilev selbst Djagilev getragen?

Als Lebemann und Beau: womöglich. Als Dandy und Homoerotiker: wahrscheinlich. Als Genießer: sicher.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 04. Januar 2021, 21:06:09
Zitat von: baknip am 19. Dezember 2020, 18:09:48
Bei mir will der Funke aber nicht überspringen. Vielleicht, weil mir der skandinavische Wald ein wenig zu generisch ist.

Lieber Lotse, entschuldige, dass ich mir einen kurzen Zwischenruf in anderer Sache erlaube, es bedarf eines Nachtrags: Das Wakening Woods of Scandinavia hat sich bei mir zu einem empfehlenswerten Raumspray gemausert und die Tage mehrfach das Gästezimmer aufgehübscht. Als Duft an mir hat es sich ausgeduftet, würde es nicht als Waldduft empfehlen wollen. Da gibt es bessere Wälder im Flakon mit Karma. Wenn es geradlinig-natürlich sein soll zum Beispiel 46°N 08°E von Richard Lüscher Britos, raffiniert-realistisch "Im tiefen Wald" von Divergent (Tomaya) und cozy-entspannend Nuit Etoilée von A. Goutal. Alle drei sind frei von Saunaaufguss.


(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/3x-Wald.jpg)

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 05. Januar 2021, 16:05:57
Generischer Wald. Das ist gut umrissen.
Aber nochmal retour: Ein Y Chromosom würde ich im besagten Mitsouko auch nicht suchen. Was nicht heißen soll, dass ein Mann den nicht tragen könne. Das Original ist von 1919 und zu dieser Zeit lebte Diaghilev schon in Paris.
Warum mich das auch beschäftigt: Düfte auf eine konkrete Person zuzuschneiden bzw. einen Duft nach einer konkreten Person zu benennen, finde ich sehr gewagt und es wird auch eher selten gemacht: Geza Schön widmete "Kinski" dem gleichnamigen Klaus und die russische Parfummischerei Siordia hat gleich mehrere Berühmtheiten in der Flasche - unter anderem Modigliani. (https://siordia-parfums.com/catalog/tproduct/145940492-205300887719-modigliani)
Nun ist ja Parfum meistens retrospektiv angelegt. Das heißt, das heute Düfte geschaffen werden, die Erinnerungen triggern und dabei die Illusion transportieren sollen: So hat das gerochen, damals in St. Petersburg, so riecht Wald (als das Gewerbegebiet und der Borkenkäfer noch nicht da waren).
Des Zarenreichs Pferde und das Zaumzeug könnten Ernest Beaux zu Chanel´s  "Cuir de Russie" inspiriert haben.
Duftillusion: Was bei Landschaften (Wald, Wiese, Meer) ja durchaus funktioniert und beachtliche Duftkompositionen hervorbrachte.
Das eher kleine Label Histoire de Parfum hat z.B. eine hübsche Serie voller Jahreszahlen herausgebracht - alle an große Personen oder Ereignisse geknüpft. Und so findet man dort unter 1740 einen Lederduft, der dem Marquis de Sade gewidmet ist. Nun kann man von derlei Zueignungen halten was man will, ist der Name erstmal raus, will jeder den Marquis selig in dem Flakon wiederfinden. Das gelingt so wenig wie bei "Kinski". Wohlbemerkt! Frei von dieser Personage sind das hervorragende Düfte!
Von daher zieht es mich ins Gegenwärtige. Wie es morgen duften wird, wissen wir nicht. Ein Duftversprechen in die Zukunft zu geben, ist aussichtslos - wir brauchen den Erinnerungsanker für die Assoziationen um vom Geruch zum Duft zu gelangen. Maximal die Gegenwart ist möglich. Düfte, die es jetzt gibt und die im Hier und Heute wirken (damit noch Gerüche sind).
Comme des Garçons ging da mal mutig voran mit Concrete (Betonduft) oder aber noch klarer mit Odeur 53 (Laserdrucker, Elektronik bei Hitze) und Odeur 71 (Metall und Kunststoff).
Möglicherweise sind das die Düfte, die unsere Kinder mal genießen können und wollen.
Zurück: Djaghilev ist, wenn ich deinem erfahrenen Geruchssinn folge, lieber baknip, sicher eine großartige Hommage an diesen bemerkenswerten Menschen.
Aber vielleicht fällt Dir als profunder Kenner noch etwas Gegenwärtiges ein....?
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 06. Januar 2021, 13:28:43
Zitat von: baknip am 04. Januar 2021, 21:06:09
... raffiniert-realistisch "Im tiefen Wald" von Divergent (Tomaya)...
...

Auf der Suche nach dem raffiniert realistischen Wald während des Lockdowns musste ich leider feststellen, dass man sich den leider auch nicht nach Hause bestellen kann. Alles was ich darüber finden konnte waren Blogbeiträge. Alles was ich lese hört sich für mich sehr gut an. Nicht dass man den Eindruck bekäme, dieser Duft wäre leicht und überall tragbar. Womöglich eher wie wie der "Diaghilev". Wenn es einem danach ist und man mit sich selbst zu Hause auf dem Waldboden im Moos zwischen Pilzen liegen will. "Tief im Wald" ist schon ein Versprechen, das der Duft hoffentlich nicht enttäuscht.
Ich bin gespannt!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 06. Januar 2021, 21:19:34
ZitatDie Frage ist doch: Hätte Djagilev selbst Djagilev getragen?

Freund Lotse, an Deiner Fragestellung finde ich Gefallen. Und an Deinem Blick darüber hinaus ebenso, auch wenn ich zu jenem erst mit Verzögerung werde Antworten können.

Was den Herrn Djagilev im Flakon betrifft: Lass uns daraus doch eine Aufgabe, ein Spiel, eine Herausforderung draus machen. Wie zum Teufel hälts dieser russische Tanzzampano und Influencer mit dem ihm gewidmeten Duft. Und, um nach vorne zu blicken, wie halten wir es mit Djagilev? Ich habe mein Statement ja schon abgegeben: Djagilev Douze Points!

Nun bist Du dran, lass auf Worte Taten folgen! Dazu habe ich heute ein Päckchen geschnürt, dass morgen in die Post an Dich geht. Drin ist der kleine Flakon von Djagilev (der geschäftstüchtige Herr Roja vermarktet den Duft auch in 7,5 ml) und ich bin ihm auf den Leim gegangen.

Lass und die Aufgabe weiter fassen, so ähnlich wie die Rasiermesser-tifft-Schärfstein-Vergleiche hier im Forum: Was trägt so ein russische Impresario in der heutigen Zeit noch für Düfte, und daran anschließend: Können wir das heute ernsthaft aufsprühen. Als Mann? Zu welcher Gelegenheit?

Ich habe eine Vorauswahl getroffen und reingepackt, freilich mit dem, was ich im Zugriff habe, und was ein Bissi polarisiert: Narcisse Noir, weil es auch 2021 so schön androgyn zwischen dem X und Y pendelt. Oder Shalimar Ode à la Vanille sur la route du Mexique, weil es keine zehn Jahre alt und trotzdem so eine retroesque Dandy-Diva ist. Dazu noch dieses komische Mitsouko als Extrait, soll ja Jacques Guerlains Schätzchen sein, und einen Vintage-EdT-Mini davon.

Schicke dieses Mini-Wanderpaket doch bitte, wenn es soweit ist, an Tim Buktu. Er ist für uns im GRF doch auch Impresario, Djagilev damit vielleicht hautnah auf den Fersen? Und ja, den Flakon ,,Im tiefen Wald" von Divergent hab ich auch dazugelegt. Soll ja eine runde Sache werden hier.


Die Vorbereitungen sind abgeschlossen.
(http://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/DjagilevHomodandy.jpg)

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 07. Januar 2021, 07:03:08
Au, heilix Blechle - äh Wässerle!
Anspruchsvolle Aufgaben werden uns da aufgegeben, mit Spannung erwartet, vielen Dank!
Lösungsvorschläge demnächst in diesem Theater... 
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 07. Januar 2021, 08:47:14
Lieber baknip!
Großartiges Vorhaben! Auch wenn meine Taten letztendlich hier auch nur Worte sein werden, lasse ich diese gerne folgen.
Freu mich drauf!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: muck22 am 07. Januar 2021, 12:59:51
was für eine interessante Challenge!
Ich bin auf eure Resultate gespannt. :)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 07. Januar 2021, 21:30:26

Da bin ich auch gespannt.

Zitat von: Tim Buktu am 06. Januar 2021, 13:28:43
Wenn es einem danach ist und man mit sich selbst zu Hause auf dem Waldboden im Moos zwischen Pilzen liegen will.

Ugh, mit den Pilzen ist das bei mir so eine Sache. Als die Duftmarke Oriza L. Legrand vor ein paar Jahren wiederbelebt wurde, gab es ein schickes kleines Duftproben-Set. Hatte ich mir vor allem wegen "Chypre Mousse" besorgt. Auf dem Papier hat Chypre Mousse alles, was mir gefallen sollte. Erster Sprüher war top, aber dann haben sich fette Pilze derart breit gemacht, dass mir ernsthaft Übel wurde und ich den Duft abgewaschen haben. Bei weiteren Versuchen waren die Pilze des Grauens wieder da. Guilty hat auch mal probiert und fands arg speziell ("kannst Du behalten").

Das Paket ging heute an Lotse raus. Wenn es bei Dir ist, lass uns wissen, ob Du beim Pilzesuchen im Divergent-Wald erfolgreich warst.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 09. Januar 2021, 14:17:10
Liebe Freunde!
Es geht los. Alles ist tiefgekühlt im Stück angekommen und Diaghilev erwacht im Moment.
Lieber Timbuktu, gib mir etwas Zeit. Das sind alles Düfte, die man ersteinmal hereinlassen muss...
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 09. Januar 2021, 19:02:36
Keine Panik aus Rücksicht vor mir - oder vor Rücksicht auf mich - oder aus Rücksicht auf mich?  o)  ;D Egal, lass Dir Zeit, mir pressierts nicht!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 04. Februar 2021, 15:22:40
Nun zu etwas ganz Anderem:

(https://up.picr.de/40476519tr.jpg)

Roja Dove Diaghilev konnte ich nun über einige Tage probieren und möchte baknip danken, dass ich diesen Duft mit Muße kosten durfte!
Baknips Darstellung des Duftes möchte ich im Großen und Ganzen folgen - auch wenn dieser Duft mit mir keinen Träger finden wird. Warum, wenn er doch so toll ist? Nun, es ist einfach nicht mein Duft. Ein Mantel, der mir nicht steht. Aber beginnen wir am Anfang:
Ich hatte weiter oben ja schon angedeutet, dass Parfums mit den Namen von Berühmtheiten mich interessieren. Meist werden ja zu Düften Phantasienamen geschaffen, eine Armada von Produktberatern und Marktforschern hat dann vorher schon Umfragen und Statistiken ausgewertet. All das funktioniert ja bei einem berühmten Namen nicht. Man kennt ihn oder man kennt ihn nicht. Top oder Flop, wenn man so will.
"Diaghilev" gibt also historische Figur und Zeitrahmen vor. Sergei Pawlowitsch Djaghilew lebte im St. Petersburg der vorletzten Jahrhundertwende. An 1906 dann in Paris. Heute würde man ihn als Manager, Agent oder Produzent bezeichnen. Seine Name ist eng verbunden mit  dem damals revolutionär modernisierten russischen Ballet und hier insbesondere mit Igor Strawinsky. "Le sacre du printemps" oder der "Feuervogel" wird sicherlich vielen zumindest ein Begriff sein.
Ich selbst bin kein Freund dieser Form des Tanzes, bin aber durchaus an Ballett interessiert, seit ich Mitte der Achtziger Jahre mal Pina Bauschs Tanzkompanie auf der Bühne sehen durfte. Aber das nur am Rande.
Diaghilev als Duft: Diaghilev beginnt bei mir mit einem Akkord aus Bergamotte und Orange. Ganz kurz. Dann setzt sofort die sinfonische Komposition ein und der Duft bleib ab sofort orchestral. Das ist definitiv keine Kammermusik. Hier wurde nicht an Instrumenten gespart. Was die Frage aufwirft: Ist Opulenz ein Wert an sich? Ist diese schiere Gewalt an Duft schon alles?
Nein, ist sie nicht. Roja Dove hat bei dieser Komposition nie den Überblick verloren und gibt einem die Chance, das auch zu bemerken. Hier duftet kein Brei und auch jede synthetische Note ist fern. Insofern ist Diaghilev auch historisch korrekt.
Weiter geht es über die Zeit mit Rose und Leder vor der verblassenden Orange und gegen Abend gesellt sich ein staubtrockener Irisduft dazu. Die ganze Zeit vibriert Benzoe und Moschus im Raum und gibt dem Ganzen eine gewisse Schärfe - eine tierische Note. Eichenmoos soll nicht unerwähnt bleiben - auch diese gerbsaure Strenge spielt eine Rolle und gibt dem Duft Disziplin. Es ist schwer, die ganze Zutatenliste zu erschnüffeln. Mir gelang es nicht. Aber ich gehe davon aus, dass die aufgezählten Komponenten von allerlei Spezereien flankiert werden und den Duft dann in der Gänze gewissermaßen "abschmecken".
Aus meiner Sicht ist eine Abstammung vom berühmten Guerlain "Mitsouko" nicht zu leugnen. Aber Diaghilev ist aufgeräumter, klarer und irgendwie "bewusster". Es ist nicht der süßliche Chypre der Jahrhundertwende-Guerlains. Eher eine floral-animalische Duftsinfonie.
Und dennoch auch ein Duft einer vergangenen Zeit, die hier nocheinmal rationaler aufscheint. Diaghilev ist opulent, ist ausschweifend und stark. Aber niemals unklar. Seine Kraft braucht auch einen starken Träger. Dieser Duft feiert eine Zeit, als Duft noch für andere getragen wurde. Damals gab es keine "Bürodüfte". So gesehen ist Diaghilev ein Duft, von dem alle etwas haben können. Nix für Egoisten!
Noch etwas am Schluß: Roja Dove´s Parfums zielen nicht nur auf Käufer, die die Stärke besitzen starke Düfte zu tragen. Es muß auch die Stärke vorhanden sein, diese Parfums zu erwerben. Damit ist die Chance relativ gering, dass jemand in der S Bahn genauso gut duftet....
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 04. Februar 2021, 15:47:07
(https://up.picr.de/40476518mw.jpg)

Kommen wir zum Klassiker - Mitsouko von Guerlain.
Zur Welt gekommen 1919 aus den Händen des Meisters: Jaques Guerlain.
Mitsouko ist mit seinem japanisierenden Namen unter Anderem eine Hommage an Puccinis Madame Butterfly, einer 1904 uraufgeführten romantischen Tragödie als Oper.
Und Mitsouko ist tatsächlich japonaise. Ein Auftakt aus Pfirsich und Flieder - und was für ein Auftakt! Das wird eine ganze Weile gefeiert, bis dann auch hier Bergamotte und Eichenmoos ein wenig mit der Schwelgerei aufräumen und dem Duft Struktur verleihen. Kurz gesagt: Das Hauptthema, nämlich "fruchtige, florale Süße" wird hier mit ein paar gewürzigen Komponenten so gerahmt, dass der Duft einfach erscheint, obwohl er es nicht ist. Das ist Kunst!
Mitsouko besitzt keine animalischen Noten. Es ist ein Duft voller Schönheit und raffinierter Einfachheit. Damit ist Guerlain wirklich ein "japanischer " Duft gelungen! Gleichzeitig wohnt Mitsouko auch eine Note überreifer, vergehender Früchte inne. Das Vergängliche ist präsent und sorgt für eine Dimension der "Reife" in mehrfacher Hinsicht.
Mitsouko begeistert mich als Parfum ausgesprochen! Auch wenn ich es nicht trage, kann ich aber seine Intelligenz und seine Schönheit bewundern. Mehrere Reformulierungen sorgten im Laufe der Jahre für Verschiebungen in Details. Es ist Guerlain jedoch gelungen, den Geist und die raffinierte Einfachheit zu erhalten. Von daher ist ein Interesse an diesem Duft auch für Nichthistoriker zu empfehlen!
Für Interessenten sei noch angemerkt: Hier wurde 1919 das erste Mal ein synthetischer Duftstoff verwendet, und zwar für den Pfirsichduft --> Aldehyd C-14.
Wie unromantisch...
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 04. Februar 2021, 19:08:40
(https://up.picr.de/40476515cu.jpg)

Und weiter geht es mit Shalimar Ode à la Vanille - Sur la route du Mexique.
Was für eine Ankündigung!
Guerlains Klassiker Shalimar wird hier als Thema mit Variationen dargeboten – hier entlang des Vanillewegs durch Mexico. Es gibt auch noch eine Variation entlang des Weges durch Madagaskar aber uns beschäftigt hier die Mexico-Variation.
Mexico als Ursprungsland der Vanille ist mir nicht geläufig gewesen. Madagaskar schon eher. Den beiden Vanillezentren ein Parfum zu widmen ist eine schöne Idee des Hauses Guerlain.
Das bekannte Shalimar, eine orientalisch, würzig-florale Chyprekomposition liefert das Thema.
Im Ursprungs-Shalimar ist Vanille eine wichtige Komponente – was liegt als näher, als diesem Duftstoff eine eigene Variation zu widmen?
Die ganze Parfumeurskunst des Hauses Guerlain ist hier einmal mehr zu erfahren. Diese Ode à la Vanille haut mich vom Hocker! Der Duft startet, wenig überraschend: Mit Vanille.
Ohne Schärfe. Weiche und trockene Vanille als dominante Wahrnehmung. Karamell- und Schokoladennoten folgen sachte nach. Tonkabohne und Opoponax sorgen für eine süße Wärme bevor zum Ende hin trocken-pudrige Iris mit einer Ahnung von Weihrauch auftritt.
Diesen Eindruck des Duftverlaufs konnte ich mehrmals zuverlässig ausmachen.
Dieser Duft ist besonders! Der raffinierte Einsatz einer karamelligen Schokonote, ohne den Duft zu einem Gourmand-Duft zu machen, gefällt mir außerordentlich! Das ist für mich ein Aha-Erlebnis aus folgendem Grund: Düfte, die nach Lebensmitteln riechen, sind nicht meine Sache. Klar, ist Kaffeeduft toll. Aber den ganzen Tag nach Kaffee oder Schokolade duften, ist nicht so mein Geschmack. Umso erstaunlicher, dass mir das hier nicht so geht. Dieses Shalimar duftet zwar nach Vanille, Karamell und Schokolade – aber niemals in Richtung Lebensmittel.
Was mich hier umströmt ist einfach nur Balsam für die Sinne. Warm, weich, Zu Hause.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 04. Februar 2021, 22:25:37
Ein kleiner Ausflug weg von den Klassikern:

(https://up.picr.de/40476525ov.jpg)

Ob der Nassrasierer diesen Duft kennen sollte? Sagen wir mal so: Um der Unterhaltung Willen – ja.
Pear + Olive meint tatsächlich Birne mit Olive(n). Dieses entwaffnend einfach benannte Parfum in diesem auffallend gefüllten Flakon kommt vom Label Slumberhouse aus Portland/Oregon. Slumberhouse bezeichnet sich selbst ganz zeitgeistig als ,,fragrance project".
Die hübsch anzuschauenden und an Fischlaich erinnernden Glaskugeln im ansonsten sehr einfachen  Flakon dienen dazu, das Volumen im Flakon zu reduzieren. Auch das ganz einfach.
Einmal aus der Flasche gelassen präsentiert Pear + Olive sogleich einen ziemlich authentischen Geruch nach reifer, saftiger Birne. Hossa!
Aber nur kurz. Sogleich stellt sich ein seltsam metallisch anmutender Fettgeruch mit sehr synthetischer Note ein. Ich kenne diese Nuance von anderen amerikanischen Mini-Labels. Möglicherweise ist es ein Iso-E Derivat, was da wirkt. Aber egal!
Dabei bleibt es nun für die kommenden Stunden. Nix ändert sich, der Duft bleibt vollkommen linear. Mit gutem Willen kann man Olivenölgeruch attestieren. Von mir geschätztes Olivenöl duftet aber wesentlich fruchtiger – nicht dieser Synthiepop, der hier wabert. Ich habe diesen Duft einen Tag lang getragen. Dieser Tag war lang. Länger als sonst. Und es bleibt die Frage: Warum möchte man wie Kompott riechen?
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 04. Februar 2021, 23:06:05
(https://up.picr.de/40476523hx.jpg)

,,Im tiefen Wald"
So heißt ein Duft des rätselhaften Labels Divergent. Tomaya der Parfumeur. Viel konnte ich nicht herausfinden über dieses Parfum, was ja antritt den tiefen Wald verflüssigt zu haben.
Weiter oben wurde ja schon gemutmaßt, ob Pilzgeruch mit von der Partie ist. Nein ist nicht.
Moosgeruch auch nicht. Auch keine Hasen- oder Rehköddel müffeln hier. Hier vergeht kein Holz, kein Schleimpilz triumphiert und auch kein Wanderer verirrt sich in diesen Wald.
Warum? Tja, der Duft kommt offenbar aus dem Chemiebaukasten. Wie bastel ich mir einen Waldduft? Das war die Frage. Die Antwort fand man scheinbar im Duftstoffhandel mit den Konzentraten für Nadelbaum und Konifere sowie einem Rheumacremearoma, was ziemlich zu überzeugen weiß. Das Ergebnis: Künstlicher ,,Waldgeruch". Aber das stimmt so auch nicht. Es ist ein Desaster – ein Koniferendesaster. Es will nicht aus der Haut und aus der Kleidung gehen. Gott sei Dank bleibt das Jaques Guerlain erspart!

Ein anderer Duft auf dem Foto sei erwähnt: Sugi von Comme des Garcon.
Steht da als zweites Röhrchen von rechts. Baknip hatte es freundlicherweise mit in den Duftpacken gelegt, wahrscheinlich wegen meiner Frage nach zeitgenössischen Düften, die das Hier und Jetzt abbilden und nicht so sehr mit den Erinnerungen hantieren.
,,Sugi" ist ein Duft aus einer Collaboration von CdG mit dem ,,Monocle" Label. Aus dieser Zusammenarbeit entstammen eine Reihe von japanisch inspirierten Düften. Das hatten wir ja weiter oben schon einmal. Sugi – das ist eine japanische Zeder.
Den Auftakt macht bei mir auf der Haut Zypresse und Pfeffer getragen von einem zitrischen Akkord. Sehr frisch, sehr fein, sehr geschmackvoll. Zeder und Pfeffer entwickeln sich sodann immer weiter, bis sie einer hübschen Dosis pudriger Iris Raum geben. Es macht Spaß diesen Wandel zu verfolgen. Angeblich spielt Vetiver noch eine Rolle, diesen kann ich nicht ausmachen. Möglich, dass er im Zeder-Pfeffer Duo untergeht.
Sugi ist ein körpernaher Duft mit durchschnittlicher Haltbarkeit. Etwas für den gutriechenden Start in den Tag. Ein Helfer – den Rest musst du selbst hinbekommen. Übrig bleibt ein Hauch Vanille.
Das ist toll.
Sollte der Nassrasierer diesen Duft kennen? Ja.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: muck22 am 04. Februar 2021, 23:06:58
tolle Beschreibungen der Parfums! Danke!
Sind die alten Klassiker mit ihren differenzierten und wechselnden Duftentwicklungen doch die bessere Wahl zu den neuen, geradlinigen (eindimensionalen) aus dem Duft-Chemiebaukasten zusammengebastelten Parfüms?
Für mich persönlich: ja. Da bin ich wohl etwas altmodisch...
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 05. Februar 2021, 10:11:17
Kurzes Innehalten: Apropos Synthetik vs. Natürlich.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Parfum ausschließlich aus natürlichen Duftstoffen ist so gut wie nicht mehr machbar. Das liegt allein schon an der schieren Menge der benötigten Zutaten. Man stelle sich vor, der Duftstoff Vanille, welchen wir weiter oben schon präsent fanden, würde ausschließlich aus den Vanilleschoten gewonnen werden müssen. Es würde nicht reichen und es wäre, so wie zu Zeiten Marco Polos, unbezahlbar. Ich könnte hier nicht über Shalimar und Mitsouko schwadronieren – die Düfte hätten kein Publikum finden können. Zu selten und zu teuer. Andere Zutaten wie Eichenmoos wurden vor einiger Zeit wegen Verdacht auf allergene Eigenschaften stark reglementiert. Die Parfumeure haben es nicht leicht: Immer mehr Duftstoffe bewirken allergische Reaktionen bei immer mehr Menschen. Dieses Dilemma zu umgehen, ist oft nur möglich, indem synthetische Duftstoffe entwickelt werden, die die allergene Komponente nicht haben. Eine Mammutaufgabe, zumal sich die Lage ständig ändert. Die Verschmutzung der Umwelt nimmt mit steigenden Bevölkerungszahlen zu – die Allergiekurve wir dem wahrscheinlich folgen.
Also bitte keine falschen Schlüsse: Natürlicher Duftstoff ist nicht gleich der bessere Duftstoff. Wie Düfte von Comme des Garcon zeigen, kann man auch ganz ohne natürliche Zutaten fesselnde Düfte  schaffen.

(https://up.picr.de/40476517sh.jpg)

Nun also Narcisse Noir aus dem Hause Caron.  Auch so ein Duft aus alter Zeit. 1911 lanciert und seitdem ein beliebter, vor allem Damenduft. Mit der Emanzipation der Frau und der zunehmenden, wenn auch schleppenden Gleichberechtigung, ist ein angenehmer Nebeneffekt für den Mann abgefallen: Solche Düfte können wir nun auch tragen!
Ich würde Narcisse Noir dennoch als einen weiblichen Duft beschreiben, einfach weil ich ihn so empfinde. Sein erster Auftakt auf der Haut entspricht dem Namen: Narzisse total!
Aber Achtung! Was ist denn das? Das ist doch alles Schwarzweiß! Narzisse als Stummfilm in Schwarzweiß mit Klavierbegleitung.
Ernest Daltroff der Parfumeur hat hier, ganz zeittypisch, der Narzisse etwas Orangenblüte beigesellt und dem ganzen einen Akkord aus Sandelholz, Moschus und Vetyver untergelegt. Ein blumiger  Chypre mit einem sehr dunklen Herzen. Moschus hat hier nichts fäkal-tierisches und auch das Sandelholz ist wohldosiert. Vetyver gibt etwas süße Erdigkeit, aber grade so, dass es nicht zum Solisten wird. Nichts schmeckt vor, nur die Narzisse darf als Diva glänzen. Ich denke an Asta Nielsen und freue mich.
Schön, dass so ,,alte" Düfte noch immer nichts von ihrer Qualität eingebüßt haben.
Wüde ich ihn tragen? Nein. Warum nicht? Weil mir blumige Parfums nicht so stehen. Chypre als gesamte Duftrichtung ist eher nicht so mein Ding. Dank baknip habe ich aber nun einen zweiten Blick auf einige Chypres werfen können und mein Interesse ist geweckt.

Die alten Düfte tragen eine Bürde: Viele ihrer Nuancen sind inzwischen Bestandteil von Putzmitteln und Raumpflegeprodukten. Das ist hart! So kann es passieren, dass ich las, Narcisse Noir erinnere an den Geruch von Klosteinen. Na herzlichen Glückwunsch! Aber so ist das eben. Düfte sind stark gekoppelt an Erinnerungen, abgelegt in manchmal verstaubten Ecken. Ein Duft kann dann diese Erinnerung wecken und auch die Bilder dazu werden imaginiert. In Parfumforen kann man seitenweise die daraus folgenden Ergüsse lesen. Grauenhaft! Wer will schon wissen, ob Lenchen Müller mit Larry Larson traumhafte Tage an der Amalfiküste erleben durfte? Niemand!
Also liebe Leser: Aufpassen! Düfte mit der Zutat Moschus können immer auch nach tierisch, menschlichen Flüssigkeiten riechen. Das ist ja grade das Schöne am Moschus! Wer bei dieser leichten Pissnote gleich schnappatmet und das Klo desinfiziert, ist dem Moschus nicht gewachsen.
Moschus ist das wilde Tier der Duftzutaten. Da steckt man ein Revier ab, da wird klar markiert. Man wird Moschus nicht in Bürodüften finden und er passt nicht zum 11.00 Uhr Meeting mit dem Thema ,,gendergerechte Sprache".
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 05. Februar 2021, 11:35:48
Als letzter dieses Duftmarathons ein Duft von CB I Hate Perfume.
Klingt wie ein Rapperlabel und legt beim Duftnamen gleich nach:
#405 M5 Where We Are There Is No Here
Wo wir sind, ist kein Hier.

(https://up.picr.de/40476527cx.jpg)

Aha. So ist das also. Antiduft? Parfum ja, aber man hasst es? Und wo man es trägt, ist Nirgends?
Das ist eine Menge Negation und die Spannung steigt: Was wird das mit mir machen?
Nun es macht erstmal, was alle machen – es duftet. Wonach? Moschus. Ja, es duftet nach Moschus und zwar Moschus im MP3 Format. Und das Verrückte: Es funktioniert! Ja, dieser synthetische Moschus funktioniert. Ein Funktionsduft. Sie wollen Moschus? Bitte, Sie kriegen Moschus! Bezahlbar? Na klar! You get what you pay for! Zack. Aus.
Aber mal im Ernst: Synthie-Moschus mit IsoE Super und noch irgendwas. Vielleicht.
Dem Synthie-Moschus fehlt die epische Breite des Originals. Irgendwie schmalbrüstig, hatte man zuerst Diaghilev in der Nase.
Danke für die Aufmerksamkeit!
Passt bestimmt gut zu molekularer Küche und Nerds, die dem Apple Universum zum Opfer fielen.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Oberloser am 05. Februar 2021, 16:54:57
Zitat von: muck22 am 04. Februar 2021, 23:06:58
tolle Beschreibungen der Parfums! Danke!

Dem schließe ich mich uneingeschränkt an. Sehr feingeistig und humorvoll geschrieben und der geneigte Leser weiß jetzt immerhin, dass man den Diaghilev besser nicht zum Meeting beim Chef auflegen sollte, wenn er sich den Duft denn leisten kann.
Aber mehr noch begeistern mich diese sphärischen, transluzenten Bilder. Die Misouko Miniatur kommt wie ein kleines, kostbares Amulett herüber und das Shalimar schaut in seiner beispiellosen Eleganz einfach großartig aus - wobei der Verschluß unwillkürlich an Napoleon Bonaparte erinnert. :) Gerade auch der schwierig darzustellende, relativ große schlanke CB IHP Flakon ist sehr einfallsreich in Szene gesetzt - diffuser Hintergrund und das Objekt der Begierde puristisch, aber mit tollen Lichtreflexen ausgestattet. Hut ab!!

ZitatSind die alten Klassiker mit ihren differenzierten und wechselnden Duftentwicklungen doch die bessere Wahl zu den neuen, geradlinigen (eindimensionalen) aus dem Duft-Chemiebaukasten zusammengebastelten Parfüms?
Für mich persönlich: ja. Da bin ich wohl etwas altmodisch...

Grundsätzlich bevorzuge ich auch eher die klassischen Düfte, vorzugsweise aus dem Hause Guerlain, wie etwa das Habit Rouge, im Gegensatz zum Diaghilev ein echter Büroduft  :)  oder den intensiv-frischen Sommerduft Aqua Allegoria Pamplelune, aromatische herbsüße Grapefruit. Aber es gibt auch etliche Ausnahmen, wie etwa Acca Kappa`s Muschio Bianco, welche die Regel bestätigen. ;)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: muck22 am 05. Februar 2021, 17:21:42
wunderbar beschrieben! Danke!
Nochmal zu meinem Statement weiter oben: ich habe da arg pauschalisiert... schon klar. Bin etwas von den mir hier liegenden "ZARKOPERFUMEs" ausgegangen...
Aber hier unten schreibst du ebenfalls: "Dem Synthie-Moschus fehlt die epische Breite des Originals. Irgendwie schmalbrüstig, hatte man zuerst Diaghilev in der Nase."  -  Das meinte ich. Nicht alle Synthie Düfte sind schmalbrüstig oder gar eingleisig (s. Pear + Olive). Klar liegt das am Parfumeur, wie er den Duft gestaltet, aber mir scheint das derzeit etwas ein Trend zu sein?! Oder täusche ich mich da? - Hoffentlich!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: MRetro am 05. Februar 2021, 23:33:23
Schöne Fotos, spannende Hintergrundinformationen und erlebbare Duftbeschreibungen. Hut ab.  dh:  dh:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 06. Februar 2021, 06:44:48

Zitat von: muck22 am 05. Februar 2021, 17:21:42
mir scheint das derzeit etwas ein Trend zu sein?! Oder täusche ich mich da? - Hoffentlich!

Das Pear & Olive ist für mich eine Art Machbarkeitsstudie, wie sich ein auf dem Papier einfach anmutender Duft mit an sich einfachen Zutaten - Birne und Creme - als Konzeptduft zum Tragen abseits der Natur ausgestalten lässt. Slumberhouse ist kein One-Hit-Wonder oder Spaßprojekt, sondern ein Laden, der in meiner Wahrnehmung über die Jahre durchaus für seriös-durchdachte schräge Konzeptdüfte steht, wenn man das grundsätzlich so bezeichnen mag.

Dass es letztlich eher eine Unmöglichkeitsstudie ist, nämlich dass ein solcher Duft über den Tag extrem unangenehm bis hin zu anwidernd sein kann, macht ihn geradezu interessant, aber eben nur als Studienobjekt.

In der ersten Phase nach dem Auftragen ist Birne da, reift und fruchtig, ein bisschen wie die Helene aus der Dose zum Nachtisch nur stärker. Die hat schon das Potenzial, mich zu nerven, weil sie so präsent ist und bei mir auch präsent bleibt. Dann kommt eine Fettkomponente hinzu, die erst leicht cremig und dann immer fettiger wird. Als ob man die Oberlippe auf den Spuren von Hannibal Lecter dick mit Fettcreme einschmieren würde, die von nun an Minute für Minute den Tag über in die Nase dampft. Ich hatte kein anderes Parfüm mit so fettem Fett.
Mir schnürt das den Atem ab, als ob eine fremde Hand an meiner Gurgel anliegt und immer stärker zudrückt. Das Fett riecht für mich weder nach Frucht (Olive), noch nach Nivea und auch nicht nach Butter oder Ghee, sondern nervt einfach mit Fettmasse. In diesem Stadium ist der Zeitpunkt zum Abwaschen bereits überschritten.


Ob das ein Trend ist – weiß ich nicht. Die Masse an Duftschrott ist riesig, ob aus der Syntie-Ecke, Natur-Ökolinie oder Mix. Schön, dass wir die Wahl haben, und auch mal so einen Außenseiter testen können.

Bin nun voll der Spannung, ob Forenchef Tim Buktus Nase uns möglicherweise einen Daumen nach oben für Pear & Olive beschert.

Randbemerkung, für die, die trotzdem ein Kaufargument suchen: Durch die vielen Glasperlen und die dicke Glaswand eignet sich der Flakon abseits von Duftstudien gut als Wurfgeschoss zum Vertreiben von Einbrechern. Wobei Slumberhouse ihn glaube ich kürzlich geändert hat.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 06. Februar 2021, 17:23:49
Angenommen habe ich die Herausforderung ja schon. Mal sehen wie die Düfte meine Nase schlagen.  ;)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 13. Februar 2021, 11:35:09

Die Duftreise kann beginnen!  :)


(https://up.picr.de/40537189xj.jpg)



Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 13. Februar 2021, 11:57:04
Na dann viel Spaß damit lieber TimBuktu!
Zwei dieser Düfte hängen noch erstaunlich intensiv in Kleidungsstücken. Das ist schön, wenn ich mir die Jacke überwerfe und so einen Schwall bekomme....Mmmmhhh! :)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Onkel Hannes am 13. Februar 2021, 19:34:31
Habt Ihr's als Reisegepäck verschickt?  :D
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 13. Februar 2021, 20:01:46
Das ist der geerbte kleine Reisekoffer meiner Oma, den ich auf kurze Dienstreisen immer mitnehme.  ;D
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 14. Februar 2021, 00:08:35

Dann ist er ja für den Duft-Trip eine sehr gute Wahl!

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 14. Februar 2021, 14:38:07



Gestern habe ich mich (meine bessere Hälfte war bei der Arbeit) in den von Divergent konstruierten tiefen Wald begeben.



(https://up.picr.de/40548129bo.jpg)





Im tiefen Wald?
Ich hatte Bäume und Düsternis, mindestens aber Schatten erwartet.
Die schattige Dunkelheit lässt aber auf sich warten.
Ich werde empfangen von frisch eingekleisterten Tapeten mit bereitgestellten Kübeln voll Dispersionsfarbe. Hell! Irgendwo zwischen harsch und feucht.


Moos?
Scheinbar gibt es das hier auch.
Es wird nach einiger Zeit deutlicher, etwas unterholziger und grün-frisch. In mir steigt eine Erinnerung hoch. Scheinbares Moos, und vielleicht doch auch Zypresse?

Im letzten Jahr wurde die zu hoch gewachsene Scheinzypresse in unserem Garten gefällt.
Als ich die zersägte und durch das am Boden liegende Geäst stieg...?
Moos und Scheinzypresse vielleicht sogar.




(https://up.picr.de/38173038tk.jpg)




Der Kleister legt sich. Erdige Töne kommen auf und werden für mich wahrnehmbar. Hautnah.
Mit der Zeit wird der ,,Duft" zum Duft -  wärmer und weicher. Gegen Ende fast schon floral-holzig und dann doch trocken.
Oder besser abgetrocknet? Irgendwo sitzt da noch die Feuchte.

Definitiv keine Waldpilze. Wenn, dann Schimmelpilze.

,,Im tiefen Wald" erinnert mich zwischendurch an ,,Incensi" aus der Vintage Collection von Lorenzo Villoresi. Ich liebe es!
Am Ende Wandlung in eine leicht rauchige Richtung. Sehr hautnah.

Zusammengefasst also vom frisch tapezierten Zimmer über das für Igel gesammelte Gesträuch unter den vermoosten Büschen im Garten, durch das Geäst einer gefällten Scheinzypresse
in den zwar trockenen und von einer Funzel schwach ausgeleuchteten Keller eines alten Hauses, in dem scheinbar schon einmal der Schimmel saß.

Eigentlich sollte mir dieser Duft gefallen, iaber ich werden in der ersten Runde nicht warm mit ihm. Er macht mir auch nicht warm.




(https://up.picr.de/40548181tf.jpg)


So richtig warm soll es im tiefen Wald ja auch nicht sein. Eher erfrischend, frisch und kühl.
Das transportiert der Duft.
Wie der wohl im Sommer wirkt?
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: herzi am 16. Februar 2021, 09:57:27
Zitat von: baknip am 17. November 2017, 18:33:05
Lust auf ein fast immer tragbares Eau de Fougère-Cologne für nach der gepflegten Nassrasur?

Ja, durchaus. Sowas macht mir im Frühjahr gute Laune.

Zitat von: baknip am 17. November 2017, 18:33:05
Dann könnte ein Blick auf die grüne Insel und die Töpfe der Fragrances of Ireland lohnen. In einem davon braut man Patrick, eine Art ,,Sir Irish Moos" - nur in authentisch und wirklich von dort. So frisch-würzig, so klassisch, so leicht riecht das.

Der Blick hat gelohnt. Der Patrick ist ein ganz toller Kandidat der es in meine Alltagsrotation schaffen wird. Die Duftbeschreibung hätte ich nicht besser treffen können als baknip. Beim SIR Irisch Moos hatte ich, solange ich es noch hatte, manchmal das Gefühl, dass etwas in meiner Nase "beißt". Irgendwas in dem Duft war nicht kompatibel mit mir. Beim Patrick ist das nicht so. Es ist für mich stimmiger.

Auf Fragrantica habe ich gelesen, dass die Eigentümer einer Weberei ins Parfumgeschäft einsteigen wollten und so der Parfumhersteller entstand. Die Geschichte passt auch irgendwie zu meiner Vorstellung von Irland :)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 27. Februar 2021, 19:31:54
Der Wald will mir keine Ruhe lassen. Ein kleiner Nachtrag.

Noch einmal sollte der Duft von divergent die Chance haben mich zu dahin zu begleiten, wo ich mich oft und gerne aufhalte:


Der harzige Zypressenton ist wieder da. Aber den Tapentenkleisterunterton wird meine Nase nicht ganz los. Ich kann ihn nicht umdeuten.
Totholz - tote Buchenäste, deren Rinde schon von den Ästen abblättert. Nass geworden und wieder getrocknet.
Dann grüne Töne.

Wald – eindeutig! Aber für mein Waldempfinden zu sehr in seine Einzelteile zerlegt. Mehr eine Reise an verschiedene Orte des Waldes. Vor meinem inneren Auge will mit ,,Im Tiefen Wald" kein stimmiges Gesamtbild entstehen.
So richtig ist das bisher auch noch keinem Duft gelungen. Die Suche nach "meinem" Waldduft geht weiter.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: lotse am 27. Februar 2021, 19:58:55
Bei mir kam der Duft zugegebenermaßen schlecht weg. Ich finde Wald als Duft-Thema auch nicht klar definiert. Es gibt für mich keinen Waldduft in dem Sinne. Das Holzthema ist ja parfumtechnisch bestens ausgebaut - aber Wald ist eben nicht Holz. Ich assoziere z.B. bei der Rasiercreme "French Vetiver" von C.R. Salter, mit ihrem erdig, schweren Vetiverduft, eher Wald, als mit dem Synthie-Wald, um den es hier geht.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 04. März 2021, 23:49:39

Shalimar - oder wie ich lernte die Vanille zu lieben



(https://up.picr.de/40683018mv.jpg)



Mit Parfum, das in erster Linie für Damen komponiert wurde, hatte ich mich bisher eher am Rand beschäftigt. In Form von Proben beispielsweise, die Bestellungen beigelegt waren und die ich für die 3 Frauen meiner engeren Familie vorgekostet habe. Dabei weiß ich wohl was mir gefällt, was den 3en gefallen und was zu ihnen passen könnte. Guerlains Shalimar "Ode à la Vanille - Sur la route du Mexique" gehört definitiv nicht dazu.  Die komplizierteste der 3 Damen in Hinsicht auf die olfaktorischen Vorlieben, ist die mit mir verheiratete. Glücklicherweise erträgt sie an mir viel. Wenn es aber um die Beduftung ihrer selbst geht, ist ein feines Gespür notwendig, das natürlich auch auf sämtliche Begleitumstände Rücksicht nehmen sollte. Mit deutlicher Vanille habe ich aber bei keiner der 3 eine Chance zu landen. Nicht einfacher macht es den Test des Shalimar, dass auch ich mit der Vanille so meine Schwierigkeiten habe.

Vor noch nicht allzu langer Zeit war ein Anflug von Vanille in einem Duft für mich ein Grund, diesen nicht zu tragen. Auch wenn ich Vanille an sich gerne rieche, so konnte ich doch in Parfum damit nichts anfangen. Die Kombination der Vanille mit krautig-würzigem Lavendel in "Pour Un Homme de Caron" hat eine erste Wendung in dieser Haltung bewirkt. Meine Nase hat sich an diesen Bestandteil in Düften an mir und anderen gewöhnt.

Ich war also auf die "Ode à la Vanille - Sur la route du Mexique" mindestens mental vorbereitet. Außerdem natürlich auch deshalb sehr gespannt auf den Duft, weil er einen Namen trägt, der viel verspricht.

Den Duft am Sprühkopf des Flakons berochen, zeigte die Vanille viel Dominanz, so dass ich mich gar nicht recht herantraute. Sehr süß und im Vordergrund präsent.
Nach dem Aufsprühen war sie aber plötzlich weg. Zumindest hatte ich erst Mühe sie wiederzuerkennen. So deutlich war der Unterschied! Eine leichte aber tief- und hintergründige Frische die an Blüten erinnerte ließ mich stutzen. Ich dachte, das liegt vermutlich an der Vanille in der Basis, die sich am Sprühkopf lange hält und dort deshalb so dominant auftritt

Dachte ich...

Nach dem späteren Studium der Zusammensetzung von Kopf, Herz und Basis stellte sich heraus, dass die mexikanische Vanille vor allem zu Beginn dominierend sein sollte. Stimmt ja auch – sie war schon da, als ich den Duft noch gar nicht aufgetragen hatte.  :)  
Die komplette Theorie also in sich zusammengebrochen und ich in Verwirrung.

Ok, also einfach tragen, abwarten und wirken lassen. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten.
Schokolade flog mich aus der Entfernung an. Nicht aufdringlich und nicht zu süß. Erinnerte mich an feine helle Milchschokolade. Mit der Nase näher an der Haut wird die Vanille deutlicher, süßer und drängt den Schoggi etwas zur Seite.
Weihrauch? Ich kann ihn nicht als solchen identifizieren.
Und Opponax, da entsteht bei mir der Eindruck, wie wenn dieser etwas süß-erdige Ton zusammen mit dem Weihrauch alles schön würzig abrunden würde. Wie auch immer dieser Eindruck zustande kommt. Die Vanille ist nach unten herrlich würzig abgepuffert.

Erst nach der 2. Runde fühle ich mich dieser Komposition gewachsen. Sie überraschte mich, weil die doch süße und nach dem Start dauerhaft präsente Vanille mit dem schokoladigen Unterton in ihrer Anspielung auf Montezumas Trinkschokolade nicht in eine gourmandige Trinksüßigkeit abrutscht. Sie begleitet mich angenehm umhüllend und eindeutig, ohne mir auf die Nerven zu gehen.

In der Öffentlichkeit tragen? Nein das würde ich nicht. Aber dieser elegant-opulente Duft könnte auch an mir, in der passenden Stimmung, jederzeit wieder einen schönen Abend mit mir bereiten.




Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: herzi am 05. März 2021, 10:55:08
Tolles Bild, tolle Vorstellung, danke.
Für mich ist der Duft wahrscheinlich nichts, aber das macht ja nix.

Frage: Sollte Opponax nicht Opoponax heißen?
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 05. März 2021, 20:25:59
Zitat von: herzi am 05. März 2021, 10:55:08
...

Frage: Sollte Opponax nicht Opoponax heißen?

Klar, das sollte es!  :P
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 10. März 2021, 21:47:01

Slumberhouse "Pear & Olive"



(https://up.picr.de/40723675bg.jpg)



Wieder ein Flakon, der dazu einlädt ihn auf besondere Art zu beleuchten. Allerdings wird  das Bild so seinem Inhalt nicht gerecht.
Oliven und Birnen?  Mindestens spannend, aber auch schwer vorstellbar, wie das harmonieren soll. Grüne Birnen und Oliven, ein grüner Duft vermutlich. Fruchtig, herb und süß wahrscheinlich.
Schau mer mal...


Der Start: ganz kurz, so lange der Alkohol verdampft wie ein Birnenbrand. Gschwind kommt die Erinnerung an Tiziana Terenzis "Kirke" hoch. Davon ist die Birne dann doch viel zu weit entfernt. Subtiler und echter wirkt sie auf mich bei Slumberhouse. Allerdings eher gelb, weniger grün wie die Wirkung auf dem Bild.

Schon nach weniger als einer Minute entwickelt der Duft neues Leben. Stünde eine Tasse Kräuteraufguss vor mir würde ich raten: Kamille vielleicht?  Hier aber eher ölige Kamille??
Keine Oliven, aber deren Herbheit und man spürt das Öl. Und etwas grasig-strohiges, ein wenig an siliertes Gras erinnernd.
Land, Landwirtschaft.
Nach einer guten ¼-Stunde wird der Duft runder.

In dieser Phase ein interessanter, kein unangenehmer, aber fordernder Duft. Die anfänglich schwierige "Sillage" in Richtung siliertem Gras bleibt, tritt aber nach und nach hinter ein für mich angenehm rauh-würziges Duftgemisch, das für ein Parfum ungewöhnlich ist. So darf ein Nischenkonzept für mich gern sein.
Bestandteile erinnern mich auch an Amouages "Myths Man".

Im Verlauf wird der Duft deutlich süßer.


Ich mache mich mit meiner Frau auf den Weg an die frische Luft. In der Kälte im dicken Anorak ein Stück durch den Wald und wieder nach Hause.
Beim Ablegen des Anoraks, umströmt mich eine Wolke von reif duftenden Birnen. Wieder eher gelb denn grün.


Eher so:



(https://up.picr.de/40723676jo.jpg)



Von Oliven keine Spur. Körpernah duftet es noch immer in diese grasig-krautige Richtung.

Keine Ahnung wie Balkan Storchschnabel duftet, der unter den Duftnoten gelistet ist. Genauso wie Kalmus.
Kalmus? Was ist denn bitte Kalmus? Auf Wikipedia komme ich zu folgendem neuen Wissen:
Vom Kalmus wird aus den Wurzeln Kalmusöl gewonnen. Verwendet in der Heilkunde, der Zubereitung von Likör und als Bestandteil von Parfum. Kalmus fördert die Magensekretion (Magenbitter) und wirkt appetitanregend. Auch gegen Flatulenzen soll er helfen. Stimmungsaufhellend soll Kalmus sein (meiner Laune hat der Duft bisher jedenfalls nicht geschadet) und in höherer Dosis leichte Halluzinationen verursachen (wer weiß, was von dem hier geschriebenen dieser Wirkung zuzuordnen ist). Aphrodisierende Eigenschaften werden ihm auch zugeschrieben (gegen die Kälte im Winterwald hatte der Kalmus keine Chance).
Kalmus soll "kampferartig" riechen. Ich kann ihn nicht identifizieren.

Aber die Trauben.
Allerdings geht es eher in Richtung Traubenkerne denn in Richtung Trauben. Aber die Traubenkerne finde ich recht eindeutig.

Nach ca.3 Stunden wird mir der Duft zu fett. Das fruchtig-süß-fett(ig)e nervt irgendwie.
Herber, trockener und weniger fett wäre klasse, weil der Duft sehr interessant ist. Eine wahre Duftreise. Aber leider ein Konzept, das gegen Ende bei mir dann doch nicht ganz aufgeht.

Kein Duft zum Tragen - einer zum Erleben.
Schön, dass ich auch den probieren durfte! Danke!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 14. März 2021, 15:42:50


CB I Hate Perfume: "#405 M5 Where We Are There Is No Here"



(https://up.picr.de/40747302pm.jpg)




Der Parfümeur, Herr Brosius, ansässig in Jersey, unweit Lower Manhattan, scheint recht umstritten in der Welt der Nischenduftliebhaber. Während ich mich durch seine Internetseite lese, kommen mir schon auch gewisse Zweifel. Kann ich das, was dort zu seinen Düften und deren Konzept steht, wirklich ernst nehmen?

Niedrige Bewertungen bei Parfumo machen mich in aller Regel eher an als dass sie mich abschrecken, aber hier kommen mir so langsam dann doch Zweifel.

CB I Hate Perfume - Christopher Brosius hasst also Parfum. Dafür, dass er damit sein Geld verdient und einen recht engagierten Eindruck macht, eine zumindest neugierig machende Aussage. Zum Glück erklärt er dann auch gleich, warum er Parfum hasst:
Parfum sei zu oft ein "ätherisches Korsett, das alle in derselben unnatürlichen Form gefangen hält". Dafür nutzt er aber ordentlich ISO E Super, Hedion (ein synthetisch hergestellter jasminähnlich duftender Stoff, der zuerst und lange nur in Eau Sauvage eingesetzt wurde) und invisible Musk, das angeblich extra für "Where We Are There Is No Here" entwickelt wurde.

Also jetzt auch noch unsichtbarer Moschus? Kein Problem, sehen will ich den Moschus ja auch nicht.

Eine mir eher sympathische Begründung für seinen "Hass" sei, dass er Parfum zu oft für ein "faules und uneleganten Zugeständnis an modische Egos", "undurchsichtige Hüllen, die alles verbergen" und "nichts enthüllen" hält. Das lässt bei mir die Spannung steigen, wie Herr Brosius es unter Zuhilfenahme von "#405" schaffen will mich mir und womöglich auch anderen zu enthüllen (will ich das überhaupt?).
Oft empfindet er Parfum als einen "arroganten Schlag ins Gesicht von der anderen Seite des Raumes".

Ich fühle mich ertappt. Bin ich doch auch gelegentlich einer der Schläger, die hin und wieder gerne mit der Keule unterwegs sind. Leute, die nach allen anderen riechen "ekeln" ihn an. Warum er dann Parfum für die "Fanfare der Individualität" sehen will ist mir nicht klar. Ob mir mein Gegenüber jetzt  ins Gesicht schlägt oder mit der Trompete ins Ohr bläst ist letztlich egal. Mit Körperverletzung bringe ich beides in Verbindung.

"Where We Are There Is No Here" - eine Anspielung auf "subatomare Partikel", die gleichzeitig an verschiedenen Orten sein können, was uns aber abgeht und unsere persönliche Menge an Tätigkeiten, die wir innerhalb einer bestimmten Zeit erledigen können, einschränkt. Und deshalb:
Runterkommen, entspannen und durchatmen! Wir sollen uns beruhigen und sollen zu einem "buddhistischen Tempel, tief im frischen grünen Wald" entführt werden.

Ich bin mir noch nicht im Klaren darüber, ob der Brosius mich nervt, ärgert, fasziniert oder gleich alles miteinander.

Schon bevor der erste Sprühstoß die Flasche (!) verlassen darf, fällt mir auf, dass der Duft etwas eingetrübt ist. Wäre es Whisky, hätte er zwar schon ein Fass gesehen, aber nur extrem kurz, so hell ist der Stoff. Vielleicht war er auch noch gar nicht im Fass und ist gefärbt. Aber sicher nicht kühl gefiltert. Sonst wäre er bei diesen Temperaturen trotzdem klar.

Mit welchen Mitteln wir in den Waldtempel transportiert werden sollen scheint nicht so ganz klar. Zumindest sind sich Parfumo und Herr Brosius mit ihren Aussagen nicht ganz einig:
"Bambusblätter, japanischer Grüner Tee" sind zumindest bei Parfumo in der Duftpyramide nicht zu finden. Letztlich egal. Hauptsache es wirkt!

Ein  für mein Empfinden floral-animalischer Start spricht für den gelisteten Jasmin und den unsichtbaren Moschus. Nach 20 Minuten tritt das animalische zurück, die Blüten übernehmen.

Jasmin und Moschus bestimmen für mich den Duft. Die (Sandel-)Hölzer bleiben im Hintergrund.
Sanftes Sandelholz hinter Jasmin, fein, hautnah nicht aufdringlich.

Ich mag Jasmin wohl sehr gern, so schön finde ich das Erlebnis.

Der Duft umgibt mich sanft, hüllt ein ohne sich aufzudrängen.

Weich und rund von Anfang an.
Am Ende leicht und angenehm sauber beschwingt.

"Where We Are There Is No Here" - so gibt sich der Duft. Er ist da und doch nicht. Zu Beginn war da noch etwas feuchtes Laub, das verschwindet aber recht schnell wieder und der Duft wird immer feinfloraler mit einer angenehmen Frische.

Die Haltbarkeit ist nicht überragend aber für mich ausreichend. Nicht jeder Duft muss über 12 Stunden präsent bleiben. 
Die Sillage ist zurückhaltend aber in der Nähe doch dauerhaft spürbar. Dieser Duft übt auf mich eine Anziehungskraft aus, der ich nicht widerstehen kann. Für mich und meine Nase wunderbar!

Allerdings habe ich auf meiner Duftreise keinen Tempel im Wald gefunden. Den hab ich aber auch nicht gesucht. Die Entspannung pur stellt sich trotzdem ein. Er wirkt.  Für mich aber eher die Entspannung auf dem bequemen Holzbänkchen in einem japanischen Garten.  Weiße Kiesel, ein kleiner plätschernder Bach, Bäume, die Blüten tragen, ein paar Vögel, Frühlingstemperaturen. Ich bin sowas von entspannt.

Vor einer Sofortinvestition hat mich nur die nicht vorhandene Kreditkarte bewahrt.


Und was das alles mit einer Metamorphose zu tun hat? Who knows?
Wer's weiß, darf mich gerne aufklären.

Vielen Dank!

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: MRetro am 14. März 2021, 20:39:55
Eine schöne Vorstellung, Tim Buktu.  dh:

Zitat von: Tim Buktu am 14. März 2021, 15:42:50
...
Und was das alles mit einer Metamorphose zu tun hat? Who knows?
Wer's weiß, darf mich gerne aufklären.
...

Metamorphose bedeutet umgangssprachlich ja ,,Verwandlung".

Zitat von: Tim Buktu am 14. März 2021, 15:42:50
...
Ich bin mir noch nicht im Klaren darüber, ob der Brosius mich nervt, ärgert, ...
...
Die Entspannung pur ... Ich bin sowas von entspannt.
...
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 15. März 2021, 06:51:47
 :D Das Geheimnis ist gelüftet!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 25. März 2021, 14:58:05

Weiter geht die Duftreise. Diesmal in Begleitung von Guerlains "Mitsouko"



(https://up.picr.de/40826435gh.jpg)



Noch nie hatte ich diesen Duft bisher unter, bzw. wissentlich in der Nase.
Der Name wirkt fremd und geheimnisvoll auf mich. ,,Mitsouko" – wie könnte ein Damenparfum aus dem Jahr 1919 riechen, das einen japanischen Namen trägt?
Eine Vorstellung hatte ich nicht, zumindest dachte ich, ich hätte keine.

Das Parfum aus der Miniatur überrascht mich dann doch. Ich habe fast den Eindruck, als ob ich ihn kennen würde, kann aber überhaupt nicht sagen woher.
Er duftet überwältigend gut.
Einer meiner ersten Gedanken: "Von wegen Duft für Damen!"

In ,,Mitsouko" könnte ich mich sofort verlieben!

Ein herrlich menschelnder und duftiger Start.
Bergamotte und Zitrusnoten treten in meiner Nase nicht in den Vordergrund, vermitteln aber eine angenehme luftige Frische.
Wie ein laues Lüftchen am Rand eines Waldes, das betörend dichten Blütenduft heranweht, ohne dass dieser aufdringlich werden kann. Ich will eher mehr davon!

Herrlich gewürzt im Hintergrund. Wie eine gute Speise unterstützt die Würze den Duft, ohne ihn zu überwürzen.
Ich vermute, der Jasmin vermittelt mir den leicht ,,menschelnd-animalischen" Touch.

Feiner Flieder, feine zurückhaltende Fruchtigkeit in dem ich den Pfirsich nicht erkennen kann.
Schwer zu fassen und in seine Bestandteile zu zerlegen.



(https://up.picr.de/40826437dv.jpg)



Irgendwie passend in dem Fall auch die Übersetzung in ,,Geheimnis" durch Jaques Guerlain. Zwar wirkt der Duft nicht geheimnisvoll auf mich,
aber komplex und schwer fassbar.


Die Reise beschränkt sich nicht nur auf das Parfum, sondern wir sind zu dritt unterwegs. Dritte im Bunde ist ,,Mitsouko" als Extrait.

Ein etwas verzögerter Start. Weniger schnell präsentieren sich die verschiedenen Dufteindrücke. Dichter gedrängt, alles enger beieinander. Intensivere Frucht und Blüte.
Etwas erdiger und holziger schon in der ersten 20 Minuten.
Flieder und Rose ergänzen sich gegenseitig wunderbar schön.

Das Parfum wirkt schwitziger. Ich meine im Parfum einen leicht ledrigen Unterton zu vernehmen. Die Jasminnote verabschiedet sich nach ca. 1 Stunde in den Hintergrund.
Es wird trockener und kommt sehr viel schneller an der Basis an, während das Extrait noch kräftig vor sich hin blüht, ist in dieser Hinsicht das Parfum das kürzere Vergnügen.

Beide blumige Chypres. Das Parfum mehr Chypre, das Extrait länger blumig.

Irgendwo bei Parfumo las ich ,,erwachsen" und ,,sanft". Ganz genau so wirkt es auf mich. Dazu beruhigend mit seinem Duft umwehend.
An manchen Stellen ist von der ,,berühmten Pfirsichnote" zu lesen. Die geht vorüber, ohne richtig ,,Hallo" zu mir zu sagen! Wenn ich etwas davon bemerke,
dann ist es eher dieses durch die feine Pfirsichhaut hervorgerufene samtige sanfte ,,Gefühl".

Dass Sergei Pawlowitsch Djagilew ,,Mitsouko" zu seinem Lieblingsparfum erklärte, spricht für sich.
Aus meiner Sicht ein sehr gut für Männer tragbarer Duft, den ich deshalb auch ohne zu zögern geordert habe.


Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 01. April 2021, 23:19:29

So eine Reise kann auch beschwerlich sein. Auf meiner Wanderung hätte ich mich am Liebsten nach einer Bushaltestelle oder einem Bahnhof umgesehen um den Tag mit dieser Begleitung zu vermeiden.
Bus und Bahn wurden bestreikt und so blieb mir nichts weiter übrig, als den beschwerlichen Weg zu gehen.

Den Weg mit "Narcisse Noir" von Caron.


(https://up.picr.de/40880307um.jpg)


Der Weg mit meiner Begleiterin beginnt zur meinem Erstaunen im Hallenbad. Aus Versehen bin ich auch noch in die Damenumkleide geraten und ich habe den Eindruck, in den Kabinen um mich herum entkleiden sich ältere Damen, die mit dem Auftrag ihrer Düfte äußerst großzügig umgehen. In meiner Nase mischt sich der dämpfige Duft von stark blütenlastigen, fast möchte ich schreiben "blütenlästigen", Gerüchen und Chlorwasser.

Schnell raus aus der Umkleide, eine Runde geschwommen, zurück in die Klamotten und auf den Weg gemacht. Die olfaktorischen Erlebnisse im Hallenbad hängen mir nach und ich bemerke die Tiere des Waldes, die sich mir unterwegs zeigen keinen Moment. Ich bin in Gedanken versunken und mit der Abwehr mich verfolgender Bilder und Düfte beschäftigt. Vergleichbar geht es mir, wenn ich mich in Wäldern und Tälern bewege, die vom Indischen Springkraut überwuchert und von dessen melonigem Duft überlagert sind. Da mag dieses Sprinkraut eine faszinierende Pflanze und die Melone eine lecker duftende Frucht sein. Ich mag mich in diesem Zusammenhang nicht mit Pflanze und Melonenduft anfreunden und genauso ergeht es mir mit dem auf mich völlig überdreht wirkenden Blütenduft und seiner sich mir nicht erschließenden Animalik. Ich vermag den Jasmin nicht recht zu erkennen und die Rose geht mir dermaßen auf den Zeiger, dass ich überanstrengt eine Pause einlegen muss.

An Rand einer Wiese, von einem lauen Wind bestrichenen, lasse ich mich nieder und will meine Erschöpfung mit einem Vesper überwinden. Im Rucksack ist aber zur Stärkung nur Süßes in Form von Traubenzucker zu finden. Nicht schlecht, aber nicht das was ich erwartet habe und nicht das was mich jetzt erheitern würde. Aber wenigstens tröstet er und gibt Kraft für den Rest des Weges.

Auf dem Rest des Weges nehme ich den Duft der Parkanlagen und Gärten durch die ich mich bewege nur noch ganz am Rande wahr. Ich versuche sie zu ignorieren und so schnell wie möglich in mein Hotel unter die Dusche zu kommen. Ich kann es kaum erwarten in frisch gewaschenen Laken in kühler frischer Luft bei geöffnetem Fenster zu schlafen.


Selten hatte ich einen so dringenden Wunsch den aufgelegten Duft abzuwaschen.


Zu alledem habe ich auch noch den passenden Zeitpunkt für den mir wichtigsten Reisebericht verpasst. Gestern hätte der Impresario Geburtstag gehabt.  :(
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: muck22 am 08. April 2021, 22:05:37
Zitat von: Tim Buktu am 25. März 2021, 14:58:05

Weiter geht die Duftreise. Diesmal in Begleitung von Guerlains "Mitsouko"

scheint direkt füür mich gemacht! Werde ich mir mal besorgen!  dh:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 09. April 2021, 07:07:09
Ich habe inzwischen einen Flakon des Parfums und bereue den Kauf aber so was von gar nicht. Ich musste mich beherrschen nicht auch noch das Extrait zu ordern.  o)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 11. April 2021, 13:55:10


Roja "Diaghilev" - Reise in die Vergangenheit


(https://up.picr.de/40951464aj.jpg)



Start: überraschend frisch.
Zwar in einer bedeutungsschwangeren Umgebung, nicht bedrohlich aber spannend.
Nicht nur zitrisch, sondern meinem Empfingen nach sehr angenehm deutlich zitronig. Wobei die Frucht im Verlauf ihre Spitzen verliert und weicher wird.
Und das, nachdem der erste Schnüffler am Sprühkopf vor allem animalische Noten offenbarte.
Wieder eine Überraschung - oder halt auch nicht, da sich die Sprühkopfnoten von den eigentlichen Kopfnoten unterscheiden, wenn schon eine Weile nicht mehr gesprüht wurde.
Lerneffekt für mich dabei: Zuerst am Sprühkopf riechen und dann sprühen und man kann im besten Fall feststellen, wie sich Kopf- und Herz- oder auch Basisnoten unterscheiden.

Ich war auf einen mich schon im ersten Eindruck überwältigenden, oder auch aufdringlicheren Duft gefasst.

Eindeutig Chypre, aber eben nicht nur. Hinter der Zitrusnote liegt feiner Rauch, wenig auffallend aber präsent. Und eine trockene, stoffige Wollnote, die mich an Herrenkleidung denken lässt.

Und, der Gesamteindruck erinnert mich an frühe Dufterlebnisse. Und jetzt wird es für mich etwas seltsam.
Das "Diaghilev" erinnert ich mich an eine Zeit Anfang der 70er mit meiner Tante. Die roch so ähnlich. Stöbern im Netz ist behilflich und ich muss erst einmal 2 Stockwerke hoch.
"Mitsouko" sprühen. Das ist es! Die beiden Düfte haben Parallelen. Und nach einem Telefonat bestätigt sich meine Vermutung – sie trug "Mitsouko".
Und jetzt wo ich das weiß und an meinem neu erstandenen "Mitsouko" rieche, geht mit eine ganze Batterie Glühbirnen auf.
Dass ich bei der ersten Verkostung von Guerlains "Mitsouko" nicht gleich darauf gekommen bin, sondern erst den Umweg über "Diaghilev" brauchte.

Roja ,,Diaghilev" ist herrlich männlich, fein, elegant, sauber und etwas pudrig mit einem weichen fast cremigen Hintergrund.

Hautnah duftet er zitrischer, die Sillage umweht mich animalischer. Nicht aufdringlich aber doch deutlich wahrnehmbar.

Obwohl nicht süß, hat der Duft etwas leicht zuckriges.

Auch grüne Noten machen sich bemerkbar.




(https://up.picr.de/40951471ok.jpg)




Dieser Duft würde der Atmosphäre eines Rauchersalons gut standhalten.
Trotzdem nie nervig, oder mir zu laut. Ich fühle mich mit in jeder Phase mit jeder Faser meines Körpers gut in dem Duft.
Nichts stört, nicht einmal mein abgeschabtes Sweatshirt von ,,The North Face".

Wunderbar abgestimmt und rund.

Üppig, aber nicht überladen.

Natürlich passt die elegante Kleidung mit einem Sakko aus eher grobem Stoff besser dazu als das Sweatshirt. Und noch ein Wollmantel drüber. Mit Hut.

Dunkel trotz Frische.

Blumig-animalisch elegant. Fast schleicht der Duft, ist aber immer präsent.

Auch Leder ist gut wahrnehmbar, doch nie dominant.

Fruchtig, würzig, holzig, grün, animalisch, pudrig, zuckrig, blumig, ledrig, harzig - was man alles in einem Duft unterbringen kann, ohne zu überladen!




(https://up.picr.de/40950888jt.jpg)




Insgesamt ein für mich sehr ,,heimeliger" Duft. Vorsichtig dosiert aus meiner Sicht eher kein Problem zu tragen.
Man kann hier vieles erahnen: Die frische duftige kühle Abendluft, die verschwitzte Haut junger Balletttänzer*innen, aber auch Herrensalonatmosphäre, schwere Stoffe,
Ledersessel, rauchgeschwängerte Luft, dichte Atmosphäre und immer wieder knisternd - frische, lebendige Haut. Schillernde Blütenenergie.
Champagner - nicht der Duft, aber das Gefühl.

Zwischen all den Noten flirrend aber trotzdem ruhig mit festem Fundament.

Ich habe mehrere Herangehensweisen an den Duft gefunden. Möglicherweise ist das bei vielen oder allen Düften möglich. Nur ist es mir hier bei "Diaghilev" sehr deutlich aufgefallen.
Ich kann ihn analytisch tragen. Dann scheint er genau das Richtige für einen Abend mit der Nase in meiner eigenen "Diaghilev – Silage" und am Handgelenk.
Ich kann ihn aber auch aufsprühen und einfach subtil wohlig auf mich wirken lassen. Ich hätte ehrlich gesagt keinen Hemmungen, den auf der Arbeit aufzusetzen.
Aber das geht mir mit "Mitsouko" auch so. Und nach dem Erinnerungserlebnis mit meiner Tante würde ich ,,Diaghilev" gerne an einer Frau erleben!

Zusammenfassung: überwältigend gut

Könnte eventuell mal jemand von Euch meine Kolleg*innen befragen ob sie mich noch ne Weile aushalten!?





Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Onkel Hannes am 11. April 2021, 14:23:01
Hübsch? Dann komm' ich zur Befragung und bring Dir gleich Deinen Pinsel mit.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 12. April 2021, 06:28:35
 :D Wie überall, es gibt solche und solche. Ein Besuch auf der Alb lohnt aber allemal!
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: baknip am 30. Oktober 2021, 23:34:48

Ich möchte Euch an meiner Freude über ein tolles Geschenk von einer starken Persönlichkeit teilhaben lassen. Ein einfach-so-Geschenk - es gab keinen Anlass.

(https://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Edith-Karte-Decke-November-2021.jpg)


Zum kühlend Abendwetter habe ich mich in die Decke eingekuschelt und zwei Düfte aus dem Regal gezogen. Sie ergeben für mich eine fulminante Kombination zur Decke. Als erstes kam mir Smoke for the Soul von diesem schnöseligen Cognac-Erben Kilian in den Sinn. Es verkörpert mit der Hauptnote brennendes Laub in meiner durch die Nase angeregten Imagination den perfekten Einstieg ins frische Novemberwetter und eben jene Decke.

Habe mich dann aber für einen Duft entschieden, der auch das Thema kokelndes Laub aufgreift, mir aber sinnlicher, weicher und runder -- und damit zum Anlass passender erscheint: La Treizième Heure. Cartier hat wie viele Dufthäuser all den Standardparfums auch eine Exklusiv- oder sagen wir ruhig Schickimicki-Reihe am Start. Wie bei solchen Duftserien üblich, hat man eine mehr oder minder spannende Geschichte dazu gestrickt. Im Falle Cartier standen die hauseigenen Schmuckuhren Pate und für jede der zwölf internationalen Stunden gibt es demnach einen Duft. Daher auch der Name der Serie: Les Heures de Parfum und die römische Nummerierung.

(https://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Cartier-Les-Heures-de-Parfum-XIII.jpg)


Schlag Zwölf hat Cartier noch einen besonderen Gast geladen: La Treizième Heure, die dreizehnte Stunde. Ein sanfter, weicher und anschmiegsamer Rauch-Leder-Duft. Man könnte auch meinen, es wäre Weihrauch dabei, der Eindruck täusch wohl durch das leicht teerige. Für mich ein würdevolles und stark erhabenes Parfüm, wenn es rauchig sein darf, aber nicht zu sehr soll. Nicht nur für die späte Stunde.

(https://www.stroemung.de/mr/verlinkt/ttt/Cartier-Les-Heures-de-Parfum-XIII-frontal.jpg)


Schade nur, dass man den Flakon mit seinem Glasdeckel durch eine kleine Änderung am Deckeldesign neuerdings so verunstaltet hat. Bin froh, die bisherige Ausführung zu haben.

Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: muck22 am 30. Oktober 2021, 23:53:01
... ein anschmiegsamer Rauch-Leder-Duft, und dabei noch ein Hauch Weihrauch... klingt spannend und sehr passend zu der Jahreszeit und dem hier und heute sehr feucheten, nebeligen Wetter.
Her mit der Wolldecke ;)
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Tim Buktu am 31. Oktober 2021, 13:03:55
Ein Duft mit dem man sich alleine und unter Menschen vergnügen kann, das hört sich nach einem herbstlichen "Talent" für schöne Abende an.
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: Oberloser am 01. November 2021, 17:57:58
Zitat von: muck22 am 30. Oktober 2021, 23:53:01
.......
Her mit der Wolldecke ;)

Woher willst Du wissen, dass es eine Wolldecke ist?  :o  >D

@ baknip: Ich finde, hier fehlt zur Abrundung eindeutig noch ein Stillleben Duft mit Decke!  :laugh:
Titel: Re: Düfte, die der Nassrasierer kennen sollte
Beitrag von: muck22 am 21. November 2021, 22:44:58
Zitat von: Oberloser am 01. November 2021, 17:57:58
Woher willst Du wissen, dass es eine Wolldecke ist?  :o  >D
... woher ich das weiß?!  Weil mir kalt war, und ich mich in die Wolldecke eingewickelt hatte ....
Es war übrigens eine Merino-Kaschmir Decke aus Irland...