Frage zum Gillette Bostonian

[MartinH]

Moin moin,

bin derzeit auf der Suche nach nem schönen alten Gillette Bostonian oder New Standard (z.B. auf Achims Seite zu bewundern: http://www.mr-razor.com/Rasierer/New%20Improved/1922%20Bostonian%20silver.JPG).
Irgendwie hat jeder dieser Stücke, die so zum Verkauf feilgeboten werden einen mehr oder weniger großen Haarriss im Griffstück (an der Kopfseite).

Daher meine Frage an die Gillette-Vintage-Hobler:

Kann sich so ein Haarriss im Laufe der Zeit (nach nun ja mittlerweile fast 90 Jahren) noch vergrößern?
Die mechanische Einwirkung auf das Griffstück scheint mir im normalen Gebrauch relativ gering zu sein.

Danke für Eure Antworten im Voraus - und falls Jemand ein solches Stück loswerden will - nur her mit den PN...

Gruß,
Martin

[Floid_Maniac]

Haarrisse oder richtige Risse kenne ich eher von den Gillette Old Type Griffen.
Die sind bekannt dafür und in der Bucht sieht man diese sehr oft. Bei den
Bostonian oder New Type Hobeln habe ich diese Risse noch nicht gesehen.

Gruß, Floïd_Maniac.

[henning]

Meine Erfahrung geht dahin, daß die Griffstücke so weit aufgehen, bis die Spannung genügend abgenommen hat, die man einstmals durch das Aufpressen auf die Endstücke ausgeübt hat. Abziehen, auftragen von Sekundenklebern und anschließend schnelles wieder zusammenfügen hilft dauerhaft. Bei den Zweiteilern sollte man das Gewindestück im inneren nicht so festdrehen, damit es nicht unten so stark gegen die Hülse drückt und somit den Riss erweitert. Bei Dreiteilern sollte man ebenfalls nicht mehr so stark zudrehen, weil man sonst das obere Gewindeteil etwas gegen das untere gegenstück (Knubbel) verdreht und so auch den Riss weiter öffnen kann. Die Probleme sah ich schnell im Zusammenhang mit dem Aufpressen, zu starkem Zusammenschrauben und Materialermüdung an der Naht.

Ciao

[MartinH]

Hallo und danke für Eure Erfahrungen.

Henning, kann man denn das Griffstück am oberen Ende vom Kopf-Teil abziehen? Ich dachte bislang, das sei irgendwie fest verbunden...
Aus Deinen Ausführungen schließe ich, dass so ein Riss durchaus reparabel zu sein scheint.

Danke & Gruß,
Martin

[henning]

Ja, das geht, mit Gewalt. Das komplette Griffstück besteht ja aus insgesamt drei Teilen. Der Hülse, dem Gegenenstück und dem Gewindeteil zum andrehen. Das Gegenstück ist leicht konisch und die Hülse aufgepresst. Mit dem Kopf verbunden ist ja nur dieses Gegen- oder besser Zwischenstück. Im ersten Foto sieht man die Stelle an der Die Hülse mit dem Zwischenstück verpresst ist. Das Stück geht etwa 1cm oder etwas mehr in die Hülse rein, wenn ich mich recht erinnere. Ob zusätzlich gelötet oder geklebt wurde weiß ich nicht:



Meiner Meinung nach wurde dieses Zwischenstück im Kopf auch nur verpresst. Evtl. ein einziger Arbeitsgang bei dem Hülse, Zwischenstück und Kopfunterteil miteinander verpresst wurden:



Wenn man die Hülse abmachen will, muß man also das Zwischenstück vorsichtig einspannen und die Hülse mit Gewalt abdrehen (wobei sich ein vorhandener Spalt vergrößern oder sich überhaupt erst einer bilden kann. Spannt man das Kopfunterteil ein, besteht die Gefahr, daß sich das Zwischenstück im Kopf selber löst.
Das Prinzip ist bei sehr vielen Hobeln gleich. Risse gab es daher auch bei einem Walbusch oder einem Myatt Daymark.

Und, bevor Du fragst, den Hobel habe ich schon lange nicht mehr. Leider ...

Ciao

[Standlinie]

Hier noch ein weiterer Tipp zur Reparatur.
Gerissene Griffe werden bei mir immer mit Sekundenkleber geklebt. Aber um ein dauerhaftes und auch noch schönes Reparaturergebnis zu erhalten, sind dazu noch einige Vorarbeiten erforderlich. Hier dazu der Ablauf:
1.) Ziehe die gerissene Griffhülse an derjenigen Stelle ab, wo sich der Riss gebildet hat.
2.) Reinige beide Bauteile und verwende 400 - 600er Schleifpapier zum Entfernen von Korrosionsrückständen bzw. sonstigen Erhebungen, die ein erneutes Aufschieben einschränken könnten. Schließlich ist der Rissschaden ja durch eine ungenügende Passung bzw. Verkantung entstanden. Hierdurch sind in der Griffhülse zusätzliche Materialspannungen aufgetreten, die dann den sogenannten Ermüdungsbruch ausgelöst haben. Das Ergebnis davon sieht jeder gleich an dem entstandenen Riss. 
3.) Danach ist es wichtig, vor der Verklebung die geschliffenen Stellen mit Nitroverdünnung/Aceton etc. zu entfetten.
4.) Schiebe eine Schlauchschelle über die Griffhülse im Bereich der Rissstelle. Nach aufgetragenem Sekundenkleber mußt Du diese Schlauchschelle soweit zusammenziehen, bis sich der Riss geschlossen hat.
5.) Nach dem Aushärten des Klebstoffes werden überflüssige Klebereste vorsichtig mit einer Diamantfeile oder aber mit 600er Schleifpapier entfernt.

Solltest Du Dich mit den Hobel später einmal rasieren wollen, solltest Du den Griff nicht mehr so fest aufschrauben. Bei mir hat es sich als hilfreich herausgestellt, auf das Gewinde des Hobelkopfes eine zusätzliche Unterlegscheibe aus Kunststoff oder Kupfer zu schieben. Diese Unterlegscheibe dämpft das Anzugsmoment des Rasierergriffes.
Bitte vermeide es, den Hobel zur Reinigung in zu heißes/kochendes Wasser zu legen. Hierdurch wird die Klebestelle negativ beeinflusst, da sich der Sekundenkleber lösen kann.

Ich wünsche Dir viel Freude mit der Repartur.

[MartinH]

Hallo Peter und Henning,

vielen Dank für Eure ausführlichen (und sogar bebilderten) Anleitungen 
Dann muss man sich also nicht scheuen, einen Hobel mit Haarriss zu kaufen 

Grüße,
Martin

[henning]

Das ist fast schon normal bei den meisten Dreiteilern von Gillette. Bei den Zweiteilern kommt es nicht ganz so oft vor, weil die dreiteiligen Griffe der Dreiteiler bei starkem andrehen doch immer etwas verwunden werden. Und der Bostonian mit seiner vergleichsweise breiten Hülse scheint mir noch weniger betroffen als die schmaleren Hülsen der anderen. Aber naja, wenn der Riss da ist schaut man immer wieder hin und ärgert sich dann vielleicht doch. Mir ging es jedenfalls im mer so. Viel Glück. Der Bostonian ist nicht nur wunderschön, sondern auch ein richtig schwerer Junge und von den Gillettes eine der besseren Rasierer.

Ciao

[Rockabillyhelge]

Wenns nicht gerade in Bostonian wäre hätte ich schon fast vorgeschlagen sich einen Tech mit passendem Ball-End zu suchen und die Griffe zu tauschen, habe ein paar schöne New-Types gesehen die mit einem goldenen Tech Griff wirklich eine schöne Figur gemacht haben, beim Tech ist der Griff soweit ich weis auch aus einem Stück gedreht.

[henning]

Ein Tech ist nur kein Zahnkamm, im Anfangspost fragt er nach zwei Zahnkamm - Gillettes. Den einen Tech gab es dann auch so eher nicht. Tech war der Kopf mit geschlossener Schaumkante und es gab verschiedene Griffe dafür. Im Grunde waren auch alle Butterfly (inkl. Adjustables) mit geschlossener Schaumkante jeweils ein Tech, wie auch Gillette selbst hier verkündet:

http://www.mr-razor.com/Anleitungen/1941%20Ranger%20Tech.jpg

Der Rest sind Modellbezeichnungen von Gillette selbst, oder Fantasienamen die sich im Laufe der Zeit ergaben oder immer noch unötigerweise für verschiedene Modelle kreiert werden (Harke, Evo, usw. ). Habe selber heute einen vergoldeten Tech - Kopf mit Parker - Griff verwendet und hatte wegen gewünschter Gründlichkeit eine Viku - Einlage nötig.

Ciao