Der Gillettewinkel

Begonnen von mikri, 18. Januar 2017, 14:48:43

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mikri

Hallo werte Gentlemen und Gentlewomen

Ich meine, der Gillettewinkel hat einen eigenen Faden verdient.

Ich bin gerade daran, einiges zu Gillettes zu recherchieren.
Seit längerem lese ich hier und dort in Foren vom mythischen Gillettewinkel, niemand jedoch kann genau sagen, ob es sich um eine Tatsache handelt und wieso er dieser Meinung ist. Niemand erläutert "DEN Gillettewinkel" plausibel.

Ich gebe gern zu, dass ich ein Lügner des sogenannten Gillettewinkels bin. Meiner Meinung nach handelt es sich um einen manifestierten Mythos, der unter dem Begriff Gillettewinkel pfleglich verwaltet wird indem er immer wieder einmal genannt wird, wenn die Rasur nicht wie geplant ausgefallen ist.
Ich finde, jeder Rasierhobel rasiert anders, aber ich habe noch nie von einem Mühlewinkel oder einem Merkurwinkel gelesen. Daher interessiert mich eure Meinung und vielleicht kommen wir ja zu einem eindeutigen Ergebnis oder zumindest bringen wir Licht ins Dunkel.


Über eure Wortmeldungen würde ich mich freuen. Bitte erklärt, emotional, technisch, physikalisch oder meinetwegen auch esoterisch, warum ich dieser oder der anderen Meinung seid. Besten Dank.
Mit Verarzten dauert's länger

http://nassrasieren.blog

Monza

Ich finde, dass die Klinge in einem Gillette im Vergleich zu vielen anderen Hobeln einfach in einem etwas spitzerem Winkel geführt werden muss, um gründliche Rasuren zu liefern.
Aufgrund dieser Tatsache von einem speziellen Gillettewinkel zu reden, halte ich für übertrieben. Wie du schon sagst, jeder Hobel rasiert anders und hat einen speziellen Winkel, bei dem er am besten rasiert.   

Cohen

Ich sehe das so wie Monza. Die Gillettes, die ich ausprobieren konnte, hatten alle einen ähnlichen Winkel, aber nicht den gleichen, den einen "Gillettewinkel". Für mich ein Mythos.
,,Eine zweifelhafte Behauptung muss recht häufig wiederholt werden, dann schwächt sich der Zweifel immer etwas ab und findet Leute, die selbst nicht denken, aber annehmen, mit soviel Sicherheit und Beharrlichkeit könne Unwahres nicht behauptet oder gedruckt werden."

Otto von Bismarck

Hellas

Ich hab mal mit "sowohl als auch" gestimmt, weil das so schön zur Frage passt. Ich meine auch, dass die meisten mir bekannten Gillettes (und insbesondere die Adjustables) in einem "steileren" Winkel geführt werden möchten, also eher bei ja 45 Grad, denn beim sonst eher anzutreffenden 30 Grad Winkel. Ob das jetzt der "Gillette-Winkel" ist...hm, soweit ich mich noch an die Rasuren mit dem Feather AS erinnere, hatte auch der die besten Ergebnisse eher bei ca. 45 Grad (na gut, man kann auch "böse" behaupten, das für den Feather AS ein Gillette Tech Pate stand, also doch der "Gillette-Winkel" ;D.

Kurzfassung: ich kenne keine Hobel, die steiler geführt werden wollen, als die Gilettes.

Pirx

Keine Ahnung!
Ich habe neben den üblichen Verdächtigen (Mühle, Merkur, Rotbart, Fatip und diversen "No-Names") auch einige Gillette-Rasierer in meiner Sammlung, aber ein Winkelmesser findet sich nicht bei meinen Rasur-Utensilien ;).
Aber mal ganz im Ernst: Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich setze den Hobel an und rasiere mich. Punkt.

Das Ganze erinnert mich an die Geschichte mit dem Tausendfüßler, den man auch besser auch nicht fragt, wie er die Koordination seiner vielen Beine bewerkstelligt!

Bin leicht ratlos.

Pirx

Dumme Gedanken hat jeder, nur der Weise verschweigt sie. (W. Busch)

Standlinie

Die Gillette-Hobel mit der geraden Schaumkante (in erster Linie der Tech) sind ja dafür bekannt, dass sie sehr sanft und für die meisten Nassrasierer fast schon zu sanft und damit oft nicht gründlich genug rasieren. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Rasierklingenschneiden von ihrem Abstand her sehr nahe an den geraden Schaumkanten liegen und deshalb von diesen in gewisser Weise (zu sehr) geschützt werden. Man muss deshalb solche Hobel schon etwas steiler halten, damit die Rasierklingenschneide überhaupt richtig arbeiten kann. Ich denke, dass das den Gileetewinkel versucht zu beschreiben. Bei den Adjustables wird dies durch ein verstellbares Rasierklingenspiel ( Stufe 1 - 9) kompensiert. Legt man unter die Rasierklinge eine um ihre Schneiden beraubte alte Rasierklinge, vergrößert sich das Rasierklingenspiel in einem Tech und er rasiert etwas gründlicher/aggressiver. Damit wird auch der einzuhaltende Rasurwinkel wieder etwas flacher, der dann an andere normale Hobel erinnert.
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

Pirx

@ Standlinie

Vielen Dank für die Erklärung!
Die Verstellung des Klingenspalts beim normalen Gillette Tech habe ich noch nicht probiert. Nach meinem Verständnis müsste sich der Blechstreifen dann zwischen Klinge und Deckel befinden. Solche Sachen kommen meinem Spieltrieb wieder mal sehr entgegen! ;)

Gruß

Pirx
Dumme Gedanken hat jeder, nur der Weise verschweigt sie. (W. Busch)

wernerscc

Nein Pirx,
der Blechstreifen kommt unter die Klinge zwischen Klinge und Bodenplatte. Ich benutze meinen Tech übrigens mit drei untergelegten Klingen-Dummies. Bei nur einem oder zwei untergelegten Blechstreifen war er mir noch zu zahm.
Was lange währt wird endlich gut!

mikri

Zitat von: Hellas am 18. Januar 2017, 22:59:54
Kurzfassung: ich kenne keine Hobel, die steiler geführt werden wollen, als die Gilettes.

Der R41 von Mühle? ;)

Edith meint: Mit den Klingen Dummies habe ich noch keine Versuche unternommen, aber Standlinie hat das sehr anschaulich gemacht. Danke dafür.
Mit Verarzten dauert's länger

http://nassrasieren.blog

Pirx

 ??? jetzt komme ich aber ganz heftig ins Grübeln!
Meines Erachtens wird bei Lage des Streifens zwischen Bodenplatte und Klinge die letztere beim Zuschrauben mehr durchgebogen und der Klingenspalt verengt sich, während bei de Anordnung zwischen Deckplatte und Klinge die Durchbiegung verringert wird, und sich dadurch der Klingenspalt öffnet.
Wenn man allerdings mehrere Streifen zwischen Bodenplatte und Klinge einlegt, öffnet sich der Klingenspalt ebenfalls, weil jetzt ein "Nicht-ganz-Zuschrauben" der Hobels simuliert wird, allerdings bei voller Stabilität.

Oder sehe ich das falsch? Ich bin sehr lernbegierig!  :)

Wahrscheinlich gab's diese Diskussion schon einmal hier im Forum, aber ich finde es z. Zt. nicht.

Gruß

Pirx
Dumme Gedanken hat jeder, nur der Weise verschweigt sie. (W. Busch)

wernerscc

Pirx, du hast recht. Klingen-Dummies oberhalb der Klinge angebracht funktioniert auch, zumindest mit meinen Klingeneinlagen. Die sind 13 mm schmal und passen genau in die Ausparung des Deckels vom Tech Kopf.
Was lange währt wird endlich gut!

Hellas

Zitat von: mikri am 19. Januar 2017, 12:26:47
Zitat von: Hellas am 18. Januar 2017, 22:59:54
Kurzfassung: ich kenne keine Hobel, die steiler geführt werden wollen, als die Gilettes.

Der R41 von Mühle? ;)


Hehe, nicht bei mir. Den R41 führe ich sehr schabend, also wesentlich kleineren Winkel als 30 Grad - Griff fast parallel zum Gesicht. Quasi das Komplette Gegenteil zum Gilette-Winkel. (Was aber die große Winkeltolleranz des R41 zeigt, was die Gilletes imho nicht haben)

Drill Instructor

Zitat von: Hellas am 18. Januar 2017, 22:59:54
Kurzfassung: ich kenne keine Hobel, die steiler geführt werden wollen, als die Gilettes.

Man könnte jetzt trefflich drüber diskutieren, welchen Hobel man steil führen sollte :) aber falls es drum geht welche Rasierhobel eher schabend (d.h. 45° oder mehr zwischen Klinge und Gesichtshaut) geführt werden wollen, dann werfe ich mal den Apollo Schaumkante und den Rotbart 15 in den Ring. Das andere Extrem ist für mich der iKon Pilsklon der für mich bei einem sehr flachen Winkel zwischen Klinge und Haut optimal war.

Die Gilettes die ich ausprobiert habe (das waren aber zugegebenermaßen nur 4-5) fand ich im Bereich zwischen 30 und 45° am besten. Also genau dort wo sich die anderen Hobel auch am wohlsten gefühlt haben. Daher meine Meinung: Mythos.

Wenn schon, dann eher "höherer Druck für milde Hobel". Aber das klingt natürlich nicht so so sophisticated wie "Gillette Winkel".
Im Sommer 2015 habe ich kühlendes Aftershave verwendet. Alle fünf Tage.

Standlinie

Hier mal einige Beispiele dazu, ich nenne es einfaches Rasierertuning. Ich beschreibe von der Kopfplatte eines Hobels ausgehend bis hin zum Griff, wo man etwas auflegen oder unterlegen kann, um darüber das Rasierklingenspiel zu verstellen. Natürlich sorgt eine Verringerung der Durchbiegung einer Rasierklinge, dass sich der Abstand von ihren Klingenschneiden zur Schaumkante vergrößert.

Barbaros-Edelstahlhobel:  Kopfplatte + O-Ring + Rasierklinge + Grundplatte + Griff
Feather Edelstahlhobel:    dito
Goodfella:                      dito oder
                                   Kopfplatte + Rasierklinge + O-Ring + Grundplatte + Griff
Gillette Tech:                 Kopfplatte + Rasierklinge + Unterlage (kleingeschnittene alte Rasierklinge, 1 bis 3 Stück) + Grundplatte + Griff
Gillette Parat:                dito
Gillette TTO´s:               dito
Edwin Jagger R89:           dito

Das sind alles nur Beispiele dafür, was man so machen kann, um einem (zu) sanften Hobel zu etwas mehr Biß zu verhelfen. Am besten sollte jeder für sich ausprobieren, womit er sein für sich bestes Rasurergebnis erzielen kann. Die abgeschnittenen Rasierklingen habe ich eigentlich nur für die Gillettehobel genutzt, da sie eine andere Rasierklingenaufnahme haben, die von der Gewindestange mit den zwei Zentrierzapfen anderer Hobel abweicht.
Die Nachhaltigkeit einer gründlichen Nassrasur zeigt sich 24 Stunden später an nur gering und gleichmäßig nachgewachsenen Bartstoppeln.

krähe

Standlinie, wenn ich Dich richtig verstehe, setzt Du den O-Ring entweder unter die Kopfplatte oder auf die Grundplatte?

Ich mache es mir einfacher, indem ich den O-Ring (oder mehrere*) zwischen Grundplatte und Griff setze.
So beeinflusse ich nicht die Klinge, die weiterhin nur von Kopf und Grundplatte in Form gebogen wird.
Im Prinzip fast wie beim Progress, wo eine Feder das ganze auf Spannung hält.

*Die Anzahl der O-Ringe richtet sich nach erwünschtem Spaltmaß und wird natürlich von der länge des Gewindes begrenzt.
"less is more-more or less" Ludwig Mies v.d. Rohe